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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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-- Wut ekomiu iQMs ^ Roms -- zu dem Nachweise gelangt, daß Gefühls- und
Meinungsäußerungen des Königs von Preußen der ministeriellen Gegen¬
zeichnung "icht bedürfen, dem Könige vielmehr das Recht zustehe, seine individuelle
Ansicht zu äußern, "zumal wenn er ein Monarch ist, der mit dem Dichterfürsten
von sich sagen kann: Mir gab ein Gott, zu sagen, wie ich leide." Gott sei Dank,
die schlimmste Befürchtung, daß es zur Anschaffung eines goldnen Schlosses kommen
werde, dessen Schlüssel Graf Biilow an der Uhrkette zu tragen habe, trifft also
doch nicht ein. Wir reichen gerührt der Kreuzzeitung die Hand, namentlich für
das reizende Zitat, obwohl wir nicht umhin können, vor allzufertiger Verwendung
von Dichterworten in "staatsrechtlichen Ausführungen" wohlmeinend zu warnen.
Auch hier bekommt, wahrscheinlich ohne besondre Absicht, die Behandlung der Frage
einen hysterischen Beigeschmack, der dem gnädigsten Herrn kaum zusagen dürfte und
-- ehrlich gesagt -- auch uns gründlich zuwider ist.

Also der preußische König hat staatsrechtlich zweifellos das Recht, seine
individuelle Meinung so oft zu äußern, wie es ihm beliebt. Aber -- bei diesem
aber liegt der Hase im Pfeffer --, aber die Frage ist, ob es politisch zweckmäßig
ist, daß er von diesem Rechte einen der jeweiligen Stimmung entsprechenden Ge¬
brauch macht? O du weiser, du gerechter Richter, wir verstehn dich vou ferne.
Du bist mehr für einen der jeweiligen Stimmung nicht entsprechenden Gebrauch
und gehst wie der herzensgute alte Tallehrand-Pe'rigord von der Annahme ans, daß
uns die Sprache gegeben sei, unsre Gedanken zu verbergen. Wenn man welche
hat nämlich, was ja in frühern längstvergangnen Zeiten für den Besitz einer echten
Goldkrone nicht als unumgängliche Vorbedingung angesehen wurde. Was macht
meine gute Stadt Rassunte? -- Strumpfsohlen, Majestät! -- Das freut mich: sagen
sie ihr das. Gegengezeichnet von dem Minister des Kultus und des öffentlichen Unter¬
richts hätte es sich vielleicht noch besser ausgenommen, es wäre noch ungefährlicher
gewesen und -- für so manches Auge ein so großer Vorzug -- konstitutioneller
als die Konstitution. Kalter Aufschnitt in Blechbüchsen, reÄäy lor UM.

Ist es dem Berliner Korrespondenten des Leipziger Tageblatts nicht in den
Sinn gekommen, daß die Gefahr nicht in den "Gefühls- und Meinungsäußerungen
zu jeder Stunde" liegt, sondern in den von der Presse dazu gegebnen Kommentaren
und in den frei erfundnen Zusätzen? Oder sollte der Mißbrauch, der mit den
königlichen "Gefühls- und Meinungsäußerungen" getrieben wird, nach echt polizei¬
lichen Grundsätzen für eine Einschränkung der allerhöchsten Redefreiheit sprechen?
Es ist alles schon dagewesen, und der Berliner Korrespondent des Leipziger Tage¬
blatts läßt nicht mit sich spaßen; auch die höchste Gewalt im Staate flößt ihm
keine knechtische Furcht ein: er spricht mit edelm Mannesmut von individuellen
Meinungsäußerungen (jedenfalls im Gegensatz zu kollektiven, die er vorzieht) zu
jeder Stunde (wie in besuchten Restaurants die Bratwurst mit Sauerkraut) und
ohne Rücksicht auf irgend welche sonstige Erwägung. Peter der Große
hätte ihm glattweg den Kopf abschlagen lassen, und wir finden die Bemerkung un¬
gerecht, taktlos und pedantisch. Vernichtenderes enthält unser Lexikon nicht. Aber
vor lauter Gleichberechtigung und Anmaßung ist es ja auch mit dem Könige von
Gottes Gnaden dahin gekommen, daß man ihn abkanzeln darf wie eine" Schulbuben.
Es fehlte nur noch, daß mit Geist und Verstand besonders begnadigte Blätter, wie
das Leipziger Tageblatt zum Beispiel, dem Landesherrn und auch ausländischen
Monarchen Zensuren für Fleiß, Wohlverhalten und Fortschritte erteilen könnten.
Man muß sich ja über jeden Fortschritt freuen, aber wenn man es genan bedenkt,
hatte Peter der Große doch auch sein Gutes. Er verstand init Leuten umzugehn, denen
selbstbewußte Äußerungen wie "ohne Rücksicht auf irgend welche sonstige Er¬
wägung" zu ihrem Unglück aus der Feder flössen. Einmal und nicht wieder; oder


— Wut ekomiu iQMs ^ Roms — zu dem Nachweise gelangt, daß Gefühls- und
Meinungsäußerungen des Königs von Preußen der ministeriellen Gegen¬
zeichnung «icht bedürfen, dem Könige vielmehr das Recht zustehe, seine individuelle
Ansicht zu äußern, „zumal wenn er ein Monarch ist, der mit dem Dichterfürsten
von sich sagen kann: Mir gab ein Gott, zu sagen, wie ich leide." Gott sei Dank,
die schlimmste Befürchtung, daß es zur Anschaffung eines goldnen Schlosses kommen
werde, dessen Schlüssel Graf Biilow an der Uhrkette zu tragen habe, trifft also
doch nicht ein. Wir reichen gerührt der Kreuzzeitung die Hand, namentlich für
das reizende Zitat, obwohl wir nicht umhin können, vor allzufertiger Verwendung
von Dichterworten in „staatsrechtlichen Ausführungen" wohlmeinend zu warnen.
Auch hier bekommt, wahrscheinlich ohne besondre Absicht, die Behandlung der Frage
einen hysterischen Beigeschmack, der dem gnädigsten Herrn kaum zusagen dürfte und
— ehrlich gesagt — auch uns gründlich zuwider ist.

Also der preußische König hat staatsrechtlich zweifellos das Recht, seine
individuelle Meinung so oft zu äußern, wie es ihm beliebt. Aber — bei diesem
aber liegt der Hase im Pfeffer —, aber die Frage ist, ob es politisch zweckmäßig
ist, daß er von diesem Rechte einen der jeweiligen Stimmung entsprechenden Ge¬
brauch macht? O du weiser, du gerechter Richter, wir verstehn dich vou ferne.
Du bist mehr für einen der jeweiligen Stimmung nicht entsprechenden Gebrauch
und gehst wie der herzensgute alte Tallehrand-Pe'rigord von der Annahme ans, daß
uns die Sprache gegeben sei, unsre Gedanken zu verbergen. Wenn man welche
hat nämlich, was ja in frühern längstvergangnen Zeiten für den Besitz einer echten
Goldkrone nicht als unumgängliche Vorbedingung angesehen wurde. Was macht
meine gute Stadt Rassunte? — Strumpfsohlen, Majestät! — Das freut mich: sagen
sie ihr das. Gegengezeichnet von dem Minister des Kultus und des öffentlichen Unter¬
richts hätte es sich vielleicht noch besser ausgenommen, es wäre noch ungefährlicher
gewesen und — für so manches Auge ein so großer Vorzug — konstitutioneller
als die Konstitution. Kalter Aufschnitt in Blechbüchsen, reÄäy lor UM.

Ist es dem Berliner Korrespondenten des Leipziger Tageblatts nicht in den
Sinn gekommen, daß die Gefahr nicht in den „Gefühls- und Meinungsäußerungen
zu jeder Stunde" liegt, sondern in den von der Presse dazu gegebnen Kommentaren
und in den frei erfundnen Zusätzen? Oder sollte der Mißbrauch, der mit den
königlichen „Gefühls- und Meinungsäußerungen" getrieben wird, nach echt polizei¬
lichen Grundsätzen für eine Einschränkung der allerhöchsten Redefreiheit sprechen?
Es ist alles schon dagewesen, und der Berliner Korrespondent des Leipziger Tage¬
blatts läßt nicht mit sich spaßen; auch die höchste Gewalt im Staate flößt ihm
keine knechtische Furcht ein: er spricht mit edelm Mannesmut von individuellen
Meinungsäußerungen (jedenfalls im Gegensatz zu kollektiven, die er vorzieht) zu
jeder Stunde (wie in besuchten Restaurants die Bratwurst mit Sauerkraut) und
ohne Rücksicht auf irgend welche sonstige Erwägung. Peter der Große
hätte ihm glattweg den Kopf abschlagen lassen, und wir finden die Bemerkung un¬
gerecht, taktlos und pedantisch. Vernichtenderes enthält unser Lexikon nicht. Aber
vor lauter Gleichberechtigung und Anmaßung ist es ja auch mit dem Könige von
Gottes Gnaden dahin gekommen, daß man ihn abkanzeln darf wie eine» Schulbuben.
Es fehlte nur noch, daß mit Geist und Verstand besonders begnadigte Blätter, wie
das Leipziger Tageblatt zum Beispiel, dem Landesherrn und auch ausländischen
Monarchen Zensuren für Fleiß, Wohlverhalten und Fortschritte erteilen könnten.
Man muß sich ja über jeden Fortschritt freuen, aber wenn man es genan bedenkt,
hatte Peter der Große doch auch sein Gutes. Er verstand init Leuten umzugehn, denen
selbstbewußte Äußerungen wie „ohne Rücksicht auf irgend welche sonstige Er¬
wägung" zu ihrem Unglück aus der Feder flössen. Einmal und nicht wieder; oder


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[0149] — Wut ekomiu iQMs ^ Roms — zu dem Nachweise gelangt, daß Gefühls- und Meinungsäußerungen des Königs von Preußen der ministeriellen Gegen¬ zeichnung «icht bedürfen, dem Könige vielmehr das Recht zustehe, seine individuelle Ansicht zu äußern, „zumal wenn er ein Monarch ist, der mit dem Dichterfürsten von sich sagen kann: Mir gab ein Gott, zu sagen, wie ich leide." Gott sei Dank, die schlimmste Befürchtung, daß es zur Anschaffung eines goldnen Schlosses kommen werde, dessen Schlüssel Graf Biilow an der Uhrkette zu tragen habe, trifft also doch nicht ein. Wir reichen gerührt der Kreuzzeitung die Hand, namentlich für das reizende Zitat, obwohl wir nicht umhin können, vor allzufertiger Verwendung von Dichterworten in „staatsrechtlichen Ausführungen" wohlmeinend zu warnen. Auch hier bekommt, wahrscheinlich ohne besondre Absicht, die Behandlung der Frage einen hysterischen Beigeschmack, der dem gnädigsten Herrn kaum zusagen dürfte und — ehrlich gesagt — auch uns gründlich zuwider ist. Also der preußische König hat staatsrechtlich zweifellos das Recht, seine individuelle Meinung so oft zu äußern, wie es ihm beliebt. Aber — bei diesem aber liegt der Hase im Pfeffer —, aber die Frage ist, ob es politisch zweckmäßig ist, daß er von diesem Rechte einen der jeweiligen Stimmung entsprechenden Ge¬ brauch macht? O du weiser, du gerechter Richter, wir verstehn dich vou ferne. Du bist mehr für einen der jeweiligen Stimmung nicht entsprechenden Gebrauch und gehst wie der herzensgute alte Tallehrand-Pe'rigord von der Annahme ans, daß uns die Sprache gegeben sei, unsre Gedanken zu verbergen. Wenn man welche hat nämlich, was ja in frühern längstvergangnen Zeiten für den Besitz einer echten Goldkrone nicht als unumgängliche Vorbedingung angesehen wurde. Was macht meine gute Stadt Rassunte? — Strumpfsohlen, Majestät! — Das freut mich: sagen sie ihr das. Gegengezeichnet von dem Minister des Kultus und des öffentlichen Unter¬ richts hätte es sich vielleicht noch besser ausgenommen, es wäre noch ungefährlicher gewesen und — für so manches Auge ein so großer Vorzug — konstitutioneller als die Konstitution. Kalter Aufschnitt in Blechbüchsen, reÄäy lor UM. Ist es dem Berliner Korrespondenten des Leipziger Tageblatts nicht in den Sinn gekommen, daß die Gefahr nicht in den „Gefühls- und Meinungsäußerungen zu jeder Stunde" liegt, sondern in den von der Presse dazu gegebnen Kommentaren und in den frei erfundnen Zusätzen? Oder sollte der Mißbrauch, der mit den königlichen „Gefühls- und Meinungsäußerungen" getrieben wird, nach echt polizei¬ lichen Grundsätzen für eine Einschränkung der allerhöchsten Redefreiheit sprechen? Es ist alles schon dagewesen, und der Berliner Korrespondent des Leipziger Tage¬ blatts läßt nicht mit sich spaßen; auch die höchste Gewalt im Staate flößt ihm keine knechtische Furcht ein: er spricht mit edelm Mannesmut von individuellen Meinungsäußerungen (jedenfalls im Gegensatz zu kollektiven, die er vorzieht) zu jeder Stunde (wie in besuchten Restaurants die Bratwurst mit Sauerkraut) und ohne Rücksicht auf irgend welche sonstige Erwägung. Peter der Große hätte ihm glattweg den Kopf abschlagen lassen, und wir finden die Bemerkung un¬ gerecht, taktlos und pedantisch. Vernichtenderes enthält unser Lexikon nicht. Aber vor lauter Gleichberechtigung und Anmaßung ist es ja auch mit dem Könige von Gottes Gnaden dahin gekommen, daß man ihn abkanzeln darf wie eine» Schulbuben. Es fehlte nur noch, daß mit Geist und Verstand besonders begnadigte Blätter, wie das Leipziger Tageblatt zum Beispiel, dem Landesherrn und auch ausländischen Monarchen Zensuren für Fleiß, Wohlverhalten und Fortschritte erteilen könnten. Man muß sich ja über jeden Fortschritt freuen, aber wenn man es genan bedenkt, hatte Peter der Große doch auch sein Gutes. Er verstand init Leuten umzugehn, denen selbstbewußte Äußerungen wie „ohne Rücksicht auf irgend welche sonstige Er¬ wägung" zu ihrem Unglück aus der Feder flössen. Einmal und nicht wieder; oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/149>, abgerufen am 26.06.2024.