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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Lernens, Kämpfe, Frömmigkeit -- dus sind die Überschriften der vier letzten Kapitel.
Der Mensch Goethe also in seinem Tagewerk und seinen Freundschaften, von denen
er mit gesundem Egoismus dabei Hilfe und Förderung verlangte. Die feinste
geistige Kultur und eine Anspruchslosigkeit in äußern Dingen, die uns heute nach
hundert Jahren sagenhaft vorkommt.

Napoleon, der nach der Schlacht bei Jena Sachsen-Weimar gute Bedingungen
gewährt hatte, verhandelte mit Goethe, den er ans seinen Werken kannte, in Erfurt
von Mensch zu Mensch, er ließ ihn "gleichsam gelten," und dieser bekam nun von
dem Manne, dessen Thaten er jahrelang bald mit großen Erwartungen und dann
wieder mit kühler Zurückhaltung verfolgt hatte, einen so starken persönlichen Ein¬
druck, daß sein Glaube an den Stern des Imperators dessen Laufbahn noch über¬
dauerte. Da dies oft genug beklagt worden ist, und über den schlechten Patrioten
Goethe kaum noch eine unverbrauchte Wendung zu finden sein wird, so ist eine rein
historische Darstellung aller dieser Vorgänge mit dem Bestreben, bei der Beurteilung
die Maßstäbe der Zeit anzuwenden, eine angenehme Abwechslung. Diese wird uns
von einem jungen schweizerischen Gelehrten geboten in einer schon in zweiter Auf¬
lage erschienenen Abhandlung von 200 Seiten! Goethe und Napoleon, mit
einem Anhang: Weimar und Napoleon, von Andreas Fischer (Frauenfeld, Huber),
die sich durch einen klaren und kühlen politischen Blick auszeichnet und in Schilderung
und Sprache durch ein gewisses r>.ä Iwmwom, was wir jn in den Büchern seiner
Landsleute manchmal finden. Dahin gehört z. B. "das mit den Kanonen," was
Goethe auf seiner Kampagne in Frankreich 1792 den preußischen Artillerieoffizieren
auseinandersetzte, was aber doch der gelbe kleine Artillerist in Toulon besser ver¬
stand, oder die Schlittenfahrt des Kaisers zwanzig Jahre später aus Rußland durch
Sachsen, mit dem Gruß aus dem Schlitten um den weimarischen Minister.

Der Kaiser machte mehr Umstände mit dem kleinen Herzogtum, als es dessen
politische Bedeutung rechtfertigte, er wollte also die Musen von Weimar ehren.
Das fand man dort auch beinahe selbstverständlich, sogar in den, amtlichen Schrift¬
wechsel wird bisweilen ausdrücklich die deutsche Litteratur hervorgehoben, und der
Verfasser giebt darüber in seinem Anhange noch neues archivarisches Material aus
Paris. Seine Hauptaufgabe aber ist, uns zu erklären, warum Napoleon so auf
Goethe wirkte, und daß dieser Wirkung das damalige politische Deutschland nichts
entgegenzusetzen hatte. Sollte Goethe den Zusammenbrach des Reichs bedauern
oder, als das ihm immer unsympathische Preußen gefallen war, vor Kaiser Franz
Respekt haben? Für ihn gab es nur eine deutsche Kultur und die Deutschen als
Individuen, und die nichtpolitische Kultur konnte bei den napoleonischen Neu¬
bildungen ebenso gut gedeihen; daß sich aber eine deutsche Nation in absehbaren
Zeiten bilden werde, glaubte er nicht. "Die Einheit Deutschlands kam damals
nicht in Frage; wer wünschte sie, und wer glaubte überhaupt daran?" Wenn wir
heute vou undeutscher Gesinnung in der damaligen Zeit reden, so vergessen wir
nur zu leicht, daß der Patriotismus, aus dem später die Befreiungskriege erwuchsen,
zunächst nur eine" ganz kleinen Herd hatte, der in dem niedergeworfnen Preuße"
stand, und daß mindestens seit dem Dreißigjährigen Kriege sich ein deutscher Staat
dem andern nicht näher fühlte als einem andern europäischen gegenüber, mit dein
^' jeden Augenblick in Allianz treten konnte. Wir haben doch noch in den aller¬
letzten Zeiten des ehemaligen Königreichs Hannover erlebt, daß der leitende Minister
(Borries) den ungefügen Ständen mit der Aussicht auf eine Intervention Napo¬
leons III, aufwartete. Goethe sah den Rheinbund als etwas zweckmäßiges an.
Wir feiern Andreas Hofers Gedächtnis und singen auch wohl noch Zu Mantua in
Banden, sind aber doch wohl kaum in Zweifel, daß für Deutschland nichts verloren
gewesen wäre, wenn Tirol heute zu Bayern gehörte. Fischers Buch mit seinem


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Lernens, Kämpfe, Frömmigkeit — dus sind die Überschriften der vier letzten Kapitel.
Der Mensch Goethe also in seinem Tagewerk und seinen Freundschaften, von denen
er mit gesundem Egoismus dabei Hilfe und Förderung verlangte. Die feinste
geistige Kultur und eine Anspruchslosigkeit in äußern Dingen, die uns heute nach
hundert Jahren sagenhaft vorkommt.

Napoleon, der nach der Schlacht bei Jena Sachsen-Weimar gute Bedingungen
gewährt hatte, verhandelte mit Goethe, den er ans seinen Werken kannte, in Erfurt
von Mensch zu Mensch, er ließ ihn „gleichsam gelten," und dieser bekam nun von
dem Manne, dessen Thaten er jahrelang bald mit großen Erwartungen und dann
wieder mit kühler Zurückhaltung verfolgt hatte, einen so starken persönlichen Ein¬
druck, daß sein Glaube an den Stern des Imperators dessen Laufbahn noch über¬
dauerte. Da dies oft genug beklagt worden ist, und über den schlechten Patrioten
Goethe kaum noch eine unverbrauchte Wendung zu finden sein wird, so ist eine rein
historische Darstellung aller dieser Vorgänge mit dem Bestreben, bei der Beurteilung
die Maßstäbe der Zeit anzuwenden, eine angenehme Abwechslung. Diese wird uns
von einem jungen schweizerischen Gelehrten geboten in einer schon in zweiter Auf¬
lage erschienenen Abhandlung von 200 Seiten! Goethe und Napoleon, mit
einem Anhang: Weimar und Napoleon, von Andreas Fischer (Frauenfeld, Huber),
die sich durch einen klaren und kühlen politischen Blick auszeichnet und in Schilderung
und Sprache durch ein gewisses r>.ä Iwmwom, was wir jn in den Büchern seiner
Landsleute manchmal finden. Dahin gehört z. B. „das mit den Kanonen," was
Goethe auf seiner Kampagne in Frankreich 1792 den preußischen Artillerieoffizieren
auseinandersetzte, was aber doch der gelbe kleine Artillerist in Toulon besser ver¬
stand, oder die Schlittenfahrt des Kaisers zwanzig Jahre später aus Rußland durch
Sachsen, mit dem Gruß aus dem Schlitten um den weimarischen Minister.

Der Kaiser machte mehr Umstände mit dem kleinen Herzogtum, als es dessen
politische Bedeutung rechtfertigte, er wollte also die Musen von Weimar ehren.
Das fand man dort auch beinahe selbstverständlich, sogar in den, amtlichen Schrift¬
wechsel wird bisweilen ausdrücklich die deutsche Litteratur hervorgehoben, und der
Verfasser giebt darüber in seinem Anhange noch neues archivarisches Material aus
Paris. Seine Hauptaufgabe aber ist, uns zu erklären, warum Napoleon so auf
Goethe wirkte, und daß dieser Wirkung das damalige politische Deutschland nichts
entgegenzusetzen hatte. Sollte Goethe den Zusammenbrach des Reichs bedauern
oder, als das ihm immer unsympathische Preußen gefallen war, vor Kaiser Franz
Respekt haben? Für ihn gab es nur eine deutsche Kultur und die Deutschen als
Individuen, und die nichtpolitische Kultur konnte bei den napoleonischen Neu¬
bildungen ebenso gut gedeihen; daß sich aber eine deutsche Nation in absehbaren
Zeiten bilden werde, glaubte er nicht. „Die Einheit Deutschlands kam damals
nicht in Frage; wer wünschte sie, und wer glaubte überhaupt daran?" Wenn wir
heute vou undeutscher Gesinnung in der damaligen Zeit reden, so vergessen wir
nur zu leicht, daß der Patriotismus, aus dem später die Befreiungskriege erwuchsen,
zunächst nur eine» ganz kleinen Herd hatte, der in dem niedergeworfnen Preuße»
stand, und daß mindestens seit dem Dreißigjährigen Kriege sich ein deutscher Staat
dem andern nicht näher fühlte als einem andern europäischen gegenüber, mit dein
^' jeden Augenblick in Allianz treten konnte. Wir haben doch noch in den aller¬
letzten Zeiten des ehemaligen Königreichs Hannover erlebt, daß der leitende Minister
(Borries) den ungefügen Ständen mit der Aussicht auf eine Intervention Napo¬
leons III, aufwartete. Goethe sah den Rheinbund als etwas zweckmäßiges an.
Wir feiern Andreas Hofers Gedächtnis und singen auch wohl noch Zu Mantua in
Banden, sind aber doch wohl kaum in Zweifel, daß für Deutschland nichts verloren
gewesen wäre, wenn Tirol heute zu Bayern gehörte. Fischers Buch mit seinem


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[0643] Maßgebliches und Unmaßgebliches Lernens, Kämpfe, Frömmigkeit — dus sind die Überschriften der vier letzten Kapitel. Der Mensch Goethe also in seinem Tagewerk und seinen Freundschaften, von denen er mit gesundem Egoismus dabei Hilfe und Förderung verlangte. Die feinste geistige Kultur und eine Anspruchslosigkeit in äußern Dingen, die uns heute nach hundert Jahren sagenhaft vorkommt. Napoleon, der nach der Schlacht bei Jena Sachsen-Weimar gute Bedingungen gewährt hatte, verhandelte mit Goethe, den er ans seinen Werken kannte, in Erfurt von Mensch zu Mensch, er ließ ihn „gleichsam gelten," und dieser bekam nun von dem Manne, dessen Thaten er jahrelang bald mit großen Erwartungen und dann wieder mit kühler Zurückhaltung verfolgt hatte, einen so starken persönlichen Ein¬ druck, daß sein Glaube an den Stern des Imperators dessen Laufbahn noch über¬ dauerte. Da dies oft genug beklagt worden ist, und über den schlechten Patrioten Goethe kaum noch eine unverbrauchte Wendung zu finden sein wird, so ist eine rein historische Darstellung aller dieser Vorgänge mit dem Bestreben, bei der Beurteilung die Maßstäbe der Zeit anzuwenden, eine angenehme Abwechslung. Diese wird uns von einem jungen schweizerischen Gelehrten geboten in einer schon in zweiter Auf¬ lage erschienenen Abhandlung von 200 Seiten! Goethe und Napoleon, mit einem Anhang: Weimar und Napoleon, von Andreas Fischer (Frauenfeld, Huber), die sich durch einen klaren und kühlen politischen Blick auszeichnet und in Schilderung und Sprache durch ein gewisses r>.ä Iwmwom, was wir jn in den Büchern seiner Landsleute manchmal finden. Dahin gehört z. B. „das mit den Kanonen," was Goethe auf seiner Kampagne in Frankreich 1792 den preußischen Artillerieoffizieren auseinandersetzte, was aber doch der gelbe kleine Artillerist in Toulon besser ver¬ stand, oder die Schlittenfahrt des Kaisers zwanzig Jahre später aus Rußland durch Sachsen, mit dem Gruß aus dem Schlitten um den weimarischen Minister. Der Kaiser machte mehr Umstände mit dem kleinen Herzogtum, als es dessen politische Bedeutung rechtfertigte, er wollte also die Musen von Weimar ehren. Das fand man dort auch beinahe selbstverständlich, sogar in den, amtlichen Schrift¬ wechsel wird bisweilen ausdrücklich die deutsche Litteratur hervorgehoben, und der Verfasser giebt darüber in seinem Anhange noch neues archivarisches Material aus Paris. Seine Hauptaufgabe aber ist, uns zu erklären, warum Napoleon so auf Goethe wirkte, und daß dieser Wirkung das damalige politische Deutschland nichts entgegenzusetzen hatte. Sollte Goethe den Zusammenbrach des Reichs bedauern oder, als das ihm immer unsympathische Preußen gefallen war, vor Kaiser Franz Respekt haben? Für ihn gab es nur eine deutsche Kultur und die Deutschen als Individuen, und die nichtpolitische Kultur konnte bei den napoleonischen Neu¬ bildungen ebenso gut gedeihen; daß sich aber eine deutsche Nation in absehbaren Zeiten bilden werde, glaubte er nicht. „Die Einheit Deutschlands kam damals nicht in Frage; wer wünschte sie, und wer glaubte überhaupt daran?" Wenn wir heute vou undeutscher Gesinnung in der damaligen Zeit reden, so vergessen wir nur zu leicht, daß der Patriotismus, aus dem später die Befreiungskriege erwuchsen, zunächst nur eine» ganz kleinen Herd hatte, der in dem niedergeworfnen Preuße» stand, und daß mindestens seit dem Dreißigjährigen Kriege sich ein deutscher Staat dem andern nicht näher fühlte als einem andern europäischen gegenüber, mit dein ^' jeden Augenblick in Allianz treten konnte. Wir haben doch noch in den aller¬ letzten Zeiten des ehemaligen Königreichs Hannover erlebt, daß der leitende Minister (Borries) den ungefügen Ständen mit der Aussicht auf eine Intervention Napo¬ leons III, aufwartete. Goethe sah den Rheinbund als etwas zweckmäßiges an. Wir feiern Andreas Hofers Gedächtnis und singen auch wohl noch Zu Mantua in Banden, sind aber doch wohl kaum in Zweifel, daß für Deutschland nichts verloren gewesen wäre, wenn Tirol heute zu Bayern gehörte. Fischers Buch mit seinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/643>, abgerufen am 21.06.2024.