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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Etwas von Venvaltuug und Polizei im spätrömischen Reich

lischen Wirkungen der Tragödie, die er besser verstanden hat als Lessing, be¬
sungen:


Doch wenn die Kunst
Mit pnestcrlicher Hand nun Lust und Trauer
In ihre reinen Sphären hebt und mächtig
Ans Herz anklingend mit verwandtem Ton
In fremder Schickung auch die eigne zeigt:
Da jauchzt befreit empor die trnnkne Seele,
Da löst wohlthätig sich der starre Bann
Des Schmerzes und entladet sich in Thränen,
Und menschlich euch im Menschlichen erkennend
Erheitert und erhoben kehrt ihr heim,

Auf den Ödivus des Sophokles werden diese Worte nicht ohne weiteres
angewandt werden tonnen, aber mit einer gewissen Einschränkung doch -- viel
eher wenigstens als auf manche Shakespearische Tragödie, wie Hamlet oder
König Lear, von denen wirklich das Wort gilt, das der Dichter dem geblen¬
deten Gloster in den Mund legt:


tuo8 to WAutou doz?", ÄI'S Vo to tlo Ava";
'Illöz? lent n" lor tlikir sxni't.

F. A.


Etwas von Verwaltung und Polizei im spätrömischen
Reich

in Schluß des Aufsatzes über Antiochia in Ur. 5 haben wir gesagt,
dein glänzenden Bilde, das Libanius von seiner Vaterstadt entworfen
habe, fehlten nicht die tiefen Schatten. Da die Übel, die er in
andern Reden beklagt, nichts eigentümlich Antiochenisches waren,
sondern der mangelhaften innern Politik des Römerreichs entsprangen,
und da das, was der große Rhetor darüber sagt, einen interessanten
Beitrag zur Kenntnis der kaiserlichen Staatsverwaltung liefert, so wollen wir das
hauptsächlichste davon mitteilen.

Libanius hatte seine Mitbürger gelobt, daß sie ruhig und ordentlich lebten
und nicht zu Aufständen geneigt seien wie die Römer und Alexandriner. So arg
wie die Alexandriner, besonders in den arianischen Streitigkeiten, scheinen es ja
die Antiochener auch wirklich nicht getrieben zu haben, aber kleinere Krawatte waren
nichts seltnes. Kaiser Julian erwähnt einen im Misopogon. Der Apostat hatte
sich bei seinem Aufenthalt in der syrischen Hauptstadt, wo er den Perserkrieg vor¬
bereitete, den Christen dnrch sein Heidentum, den Geschäftsleuten durch seine Preis-
iaxeu, dem ganzen Volke durch seiue Sittenstrenge, namentlich dnrch die Beschrän¬
kung der Theateraufführungen und des ausgelassenen öffentlichen Festtreibens verhaßt,
durch seinen Eifer im Opfern und durch sein veruachlässigtes Äußere: sein unge¬
pflegtes Haupt- und Barthaar, lächerlich gemacht; man verbreitete Schmähschriften
auf ihn und saug Spottlieder. Er aber veröffentlichte eine sarkastische Anklage-


Etwas von Venvaltuug und Polizei im spätrömischen Reich

lischen Wirkungen der Tragödie, die er besser verstanden hat als Lessing, be¬
sungen:


Doch wenn die Kunst
Mit pnestcrlicher Hand nun Lust und Trauer
In ihre reinen Sphären hebt und mächtig
Ans Herz anklingend mit verwandtem Ton
In fremder Schickung auch die eigne zeigt:
Da jauchzt befreit empor die trnnkne Seele,
Da löst wohlthätig sich der starre Bann
Des Schmerzes und entladet sich in Thränen,
Und menschlich euch im Menschlichen erkennend
Erheitert und erhoben kehrt ihr heim,

Auf den Ödivus des Sophokles werden diese Worte nicht ohne weiteres
angewandt werden tonnen, aber mit einer gewissen Einschränkung doch — viel
eher wenigstens als auf manche Shakespearische Tragödie, wie Hamlet oder
König Lear, von denen wirklich das Wort gilt, das der Dichter dem geblen¬
deten Gloster in den Mund legt:


tuo8 to WAutou doz?«, ÄI'S Vo to tlo Ava»;
'Illöz? lent n» lor tlikir sxni't.

F. A.


Etwas von Verwaltung und Polizei im spätrömischen
Reich

in Schluß des Aufsatzes über Antiochia in Ur. 5 haben wir gesagt,
dein glänzenden Bilde, das Libanius von seiner Vaterstadt entworfen
habe, fehlten nicht die tiefen Schatten. Da die Übel, die er in
andern Reden beklagt, nichts eigentümlich Antiochenisches waren,
sondern der mangelhaften innern Politik des Römerreichs entsprangen,
und da das, was der große Rhetor darüber sagt, einen interessanten
Beitrag zur Kenntnis der kaiserlichen Staatsverwaltung liefert, so wollen wir das
hauptsächlichste davon mitteilen.

Libanius hatte seine Mitbürger gelobt, daß sie ruhig und ordentlich lebten
und nicht zu Aufständen geneigt seien wie die Römer und Alexandriner. So arg
wie die Alexandriner, besonders in den arianischen Streitigkeiten, scheinen es ja
die Antiochener auch wirklich nicht getrieben zu haben, aber kleinere Krawatte waren
nichts seltnes. Kaiser Julian erwähnt einen im Misopogon. Der Apostat hatte
sich bei seinem Aufenthalt in der syrischen Hauptstadt, wo er den Perserkrieg vor¬
bereitete, den Christen dnrch sein Heidentum, den Geschäftsleuten durch seine Preis-
iaxeu, dem ganzen Volke durch seiue Sittenstrenge, namentlich dnrch die Beschrän¬
kung der Theateraufführungen und des ausgelassenen öffentlichen Festtreibens verhaßt,
durch seinen Eifer im Opfern und durch sein veruachlässigtes Äußere: sein unge¬
pflegtes Haupt- und Barthaar, lächerlich gemacht; man verbreitete Schmähschriften
auf ihn und saug Spottlieder. Er aber veröffentlichte eine sarkastische Anklage-


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[0480] Etwas von Venvaltuug und Polizei im spätrömischen Reich lischen Wirkungen der Tragödie, die er besser verstanden hat als Lessing, be¬ sungen: Doch wenn die Kunst Mit pnestcrlicher Hand nun Lust und Trauer In ihre reinen Sphären hebt und mächtig Ans Herz anklingend mit verwandtem Ton In fremder Schickung auch die eigne zeigt: Da jauchzt befreit empor die trnnkne Seele, Da löst wohlthätig sich der starre Bann Des Schmerzes und entladet sich in Thränen, Und menschlich euch im Menschlichen erkennend Erheitert und erhoben kehrt ihr heim, Auf den Ödivus des Sophokles werden diese Worte nicht ohne weiteres angewandt werden tonnen, aber mit einer gewissen Einschränkung doch — viel eher wenigstens als auf manche Shakespearische Tragödie, wie Hamlet oder König Lear, von denen wirklich das Wort gilt, das der Dichter dem geblen¬ deten Gloster in den Mund legt: tuo8 to WAutou doz?«, ÄI'S Vo to tlo Ava»; 'Illöz? lent n» lor tlikir sxni't. F. A. Etwas von Verwaltung und Polizei im spätrömischen Reich in Schluß des Aufsatzes über Antiochia in Ur. 5 haben wir gesagt, dein glänzenden Bilde, das Libanius von seiner Vaterstadt entworfen habe, fehlten nicht die tiefen Schatten. Da die Übel, die er in andern Reden beklagt, nichts eigentümlich Antiochenisches waren, sondern der mangelhaften innern Politik des Römerreichs entsprangen, und da das, was der große Rhetor darüber sagt, einen interessanten Beitrag zur Kenntnis der kaiserlichen Staatsverwaltung liefert, so wollen wir das hauptsächlichste davon mitteilen. Libanius hatte seine Mitbürger gelobt, daß sie ruhig und ordentlich lebten und nicht zu Aufständen geneigt seien wie die Römer und Alexandriner. So arg wie die Alexandriner, besonders in den arianischen Streitigkeiten, scheinen es ja die Antiochener auch wirklich nicht getrieben zu haben, aber kleinere Krawatte waren nichts seltnes. Kaiser Julian erwähnt einen im Misopogon. Der Apostat hatte sich bei seinem Aufenthalt in der syrischen Hauptstadt, wo er den Perserkrieg vor¬ bereitete, den Christen dnrch sein Heidentum, den Geschäftsleuten durch seine Preis- iaxeu, dem ganzen Volke durch seiue Sittenstrenge, namentlich dnrch die Beschrän¬ kung der Theateraufführungen und des ausgelassenen öffentlichen Festtreibens verhaßt, durch seinen Eifer im Opfern und durch sein veruachlässigtes Äußere: sein unge¬ pflegtes Haupt- und Barthaar, lächerlich gemacht; man verbreitete Schmähschriften auf ihn und saug Spottlieder. Er aber veröffentlichte eine sarkastische Anklage-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/480>, abgerufen am 21.06.2024.