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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Die Siegesallee in Berlin und ihr bildnerischer Schmuck

unverkennbare Ähnlichkeit mit dem König Ludwig II. von Bayern, der in seiner
Jugend bekanntlich von bezaubernder Schönheit war. In der That mag der
Künstler daran gedacht haben, dem ritterlichen Vorfahren die Züge des schönen,
durch seine deutsche Haltung und sein tragisches Geschick dem deutscheu Volte sym-
pathisch gewordnen königlichen Nachkommen zu verleihen. Das alles im Verein
mit dem außerordentlich sein gehnltnen, ritterlichen Kostüm, das die schöne Figur
in voller Freiheit hervortreten läßt, verleiht der Schöpfung des Grafen Görtz eine
große Anziehungskraft und hebt sie durch gelungne Individualisierung über das
Niveau konventioneller und vorwiegend dekorativer Mittelmäßigkeit weit hinaus.
Die Büsten des dem Wittelsbacher treu ergebneu Hasso von Wedel, genannt der Note,
und des tapfern bayrischen Ritters und nachmaligen Landeshauptmanns der Mark,
Friedrich von Löcher, verdienen, ohne gerade zu den hervorragendsten zu zählen,
gleichfalls Anerkennung.

Der letzte Markgraf aus dem Geschlechte der Wittelsbacher war Ludwigs
jüngerer Bruder Otto der Faule. Er war der Schwiegersohn Kaiser Karls IV.,
des schlauen und energischen Lützelburgers. Otto entsagte nach den Kämpfen mit
seinem kaiserlichen Schwiegervater im Jahre 1373 seinen Ansprüchen auf die Mark
gegen eine Geldabfindnng. Schon das ist bezeichnend für seine ganze Persönlich¬
keit. Jedenfalls gilt er als der unpopulärste der Wittelsbacher und bietet geschicht¬
lich wenig Interesse. Ihn in Marmor darzustellen, erschien als eine der undank¬
barsten künstlerischen Aufgaben. Aber um die historische plastische Kunst ist es ein
eignes Ding. Der wirkliche künstlerische Genius feiert bei der Lösung der nach
demi Maße verstandesmäßiger Reflexion undankbarsten Aufgaben oft seine größte"
Triumphe. Professor Brütt, ein Schleswig-holsteinischer Bildhauer, hat, künstlerisch
angesehen, mit der Statue Ottos des Faulen die meisten, wenn nicht alle der an
dem bildnerischen Schmucke der Siegesallee beteiligten Meister geschlagen. Sein
Otto der Faule kauu als ein Meisterwerk ersten Rangs bezeichnet werden. Auch
Waldemar der Große von Reinhold Begas reicht an diese Leistung Brudes nicht
heran. Auf der gegenüberliegenden Seite lassen sich wohl nur der junge
Friedrich der Große von Uphucs und Schapers Großer Kurfürst mit ihm in
Parallele stellen. Und doch trifft diese Parallele nicht vollständig zu. Immer
wieder drängen sich die Leute vor dieser merkwürdigen Figur zusammen. Immer
wieder hört man hier die Stimmen rückhaltloser Bewundrung. Und je länger
man diese Gestalt, die dem Beinamen Ottos so typischen Ausdruck giebt, aus¬
sieht, desto wunderbarer erscheint ihre lebensvolle Wahrheit. Man empfindet sie
als ein Stück inspirierter Kunst. Die ziemlich lange, schmale Gestalt ist ritterlich
gepanzert. Über dem Panzer trägt sie ein leichtes Untergewand, von dem man
jedoch nur einen schön gesäumten Ausschnitt über den Knieen sieht. Darüber liegt
am Halse anfangend ein malerisches, um die Hüfte vom doppelten Schwertgurt uur
lose zusnmmeugehaltues Obergewand, hinten bis fast an die Knöchel reichend, vorn
durch den Gurt ein wenig aufgerafft, sodaß der erwähnte Ausschnitt des feinen
Unterkleides sichtbar wird. Um Hals und Wangen legt sich schmiegsam der seine
Kettenpanzer, auf dein Haupte sitzt der schmucklose Eifenhein, sodaß das müde
und indolent blickende Gesicht von der Nasenwurzel bis zum Kinn frei bleibt. Die
linke Hand legt sich in schlaffer Lässigkeit über den Schwertgriff, die rechte stützt
sich bequem auf die Hüfte. Die ganze Gestalt von oben bis unten trägt bis in
die Gelenke hinein das Gepräge der Müdigkeit und Gleichgiltigkeit. Und doch
zeigt sie dabei den vornehmen Herrn. So ungefähr muß der Fürst ausgesehen
haben, den Volk und Nachwelt den Faulen nannte. Die Figur ist ganz individuell.
Vergeblich wird man in der Kunstgeschichte nach einer Analogie suchen. Nirgends
konventionelle Mache, keine Spur einer gesuchten Pose, alles unmittelbare, psycho¬
logisch wahre Natur, ein rechtes und wahres Kunstwerk. Anfangs hieß es, die
Bayern in Berlin ärgerte" sich über diese Gestalt. Sie haben keinen Grund dazu.


Die Siegesallee in Berlin und ihr bildnerischer Schmuck

unverkennbare Ähnlichkeit mit dem König Ludwig II. von Bayern, der in seiner
Jugend bekanntlich von bezaubernder Schönheit war. In der That mag der
Künstler daran gedacht haben, dem ritterlichen Vorfahren die Züge des schönen,
durch seine deutsche Haltung und sein tragisches Geschick dem deutscheu Volte sym-
pathisch gewordnen königlichen Nachkommen zu verleihen. Das alles im Verein
mit dem außerordentlich sein gehnltnen, ritterlichen Kostüm, das die schöne Figur
in voller Freiheit hervortreten läßt, verleiht der Schöpfung des Grafen Görtz eine
große Anziehungskraft und hebt sie durch gelungne Individualisierung über das
Niveau konventioneller und vorwiegend dekorativer Mittelmäßigkeit weit hinaus.
Die Büsten des dem Wittelsbacher treu ergebneu Hasso von Wedel, genannt der Note,
und des tapfern bayrischen Ritters und nachmaligen Landeshauptmanns der Mark,
Friedrich von Löcher, verdienen, ohne gerade zu den hervorragendsten zu zählen,
gleichfalls Anerkennung.

Der letzte Markgraf aus dem Geschlechte der Wittelsbacher war Ludwigs
jüngerer Bruder Otto der Faule. Er war der Schwiegersohn Kaiser Karls IV.,
des schlauen und energischen Lützelburgers. Otto entsagte nach den Kämpfen mit
seinem kaiserlichen Schwiegervater im Jahre 1373 seinen Ansprüchen auf die Mark
gegen eine Geldabfindnng. Schon das ist bezeichnend für seine ganze Persönlich¬
keit. Jedenfalls gilt er als der unpopulärste der Wittelsbacher und bietet geschicht¬
lich wenig Interesse. Ihn in Marmor darzustellen, erschien als eine der undank¬
barsten künstlerischen Aufgaben. Aber um die historische plastische Kunst ist es ein
eignes Ding. Der wirkliche künstlerische Genius feiert bei der Lösung der nach
demi Maße verstandesmäßiger Reflexion undankbarsten Aufgaben oft seine größte»
Triumphe. Professor Brütt, ein Schleswig-holsteinischer Bildhauer, hat, künstlerisch
angesehen, mit der Statue Ottos des Faulen die meisten, wenn nicht alle der an
dem bildnerischen Schmucke der Siegesallee beteiligten Meister geschlagen. Sein
Otto der Faule kauu als ein Meisterwerk ersten Rangs bezeichnet werden. Auch
Waldemar der Große von Reinhold Begas reicht an diese Leistung Brudes nicht
heran. Auf der gegenüberliegenden Seite lassen sich wohl nur der junge
Friedrich der Große von Uphucs und Schapers Großer Kurfürst mit ihm in
Parallele stellen. Und doch trifft diese Parallele nicht vollständig zu. Immer
wieder drängen sich die Leute vor dieser merkwürdigen Figur zusammen. Immer
wieder hört man hier die Stimmen rückhaltloser Bewundrung. Und je länger
man diese Gestalt, die dem Beinamen Ottos so typischen Ausdruck giebt, aus¬
sieht, desto wunderbarer erscheint ihre lebensvolle Wahrheit. Man empfindet sie
als ein Stück inspirierter Kunst. Die ziemlich lange, schmale Gestalt ist ritterlich
gepanzert. Über dem Panzer trägt sie ein leichtes Untergewand, von dem man
jedoch nur einen schön gesäumten Ausschnitt über den Knieen sieht. Darüber liegt
am Halse anfangend ein malerisches, um die Hüfte vom doppelten Schwertgurt uur
lose zusnmmeugehaltues Obergewand, hinten bis fast an die Knöchel reichend, vorn
durch den Gurt ein wenig aufgerafft, sodaß der erwähnte Ausschnitt des feinen
Unterkleides sichtbar wird. Um Hals und Wangen legt sich schmiegsam der seine
Kettenpanzer, auf dein Haupte sitzt der schmucklose Eifenhein, sodaß das müde
und indolent blickende Gesicht von der Nasenwurzel bis zum Kinn frei bleibt. Die
linke Hand legt sich in schlaffer Lässigkeit über den Schwertgriff, die rechte stützt
sich bequem auf die Hüfte. Die ganze Gestalt von oben bis unten trägt bis in
die Gelenke hinein das Gepräge der Müdigkeit und Gleichgiltigkeit. Und doch
zeigt sie dabei den vornehmen Herrn. So ungefähr muß der Fürst ausgesehen
haben, den Volk und Nachwelt den Faulen nannte. Die Figur ist ganz individuell.
Vergeblich wird man in der Kunstgeschichte nach einer Analogie suchen. Nirgends
konventionelle Mache, keine Spur einer gesuchten Pose, alles unmittelbare, psycho¬
logisch wahre Natur, ein rechtes und wahres Kunstwerk. Anfangs hieß es, die
Bayern in Berlin ärgerte» sich über diese Gestalt. Sie haben keinen Grund dazu.


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[0394] Die Siegesallee in Berlin und ihr bildnerischer Schmuck unverkennbare Ähnlichkeit mit dem König Ludwig II. von Bayern, der in seiner Jugend bekanntlich von bezaubernder Schönheit war. In der That mag der Künstler daran gedacht haben, dem ritterlichen Vorfahren die Züge des schönen, durch seine deutsche Haltung und sein tragisches Geschick dem deutscheu Volte sym- pathisch gewordnen königlichen Nachkommen zu verleihen. Das alles im Verein mit dem außerordentlich sein gehnltnen, ritterlichen Kostüm, das die schöne Figur in voller Freiheit hervortreten läßt, verleiht der Schöpfung des Grafen Görtz eine große Anziehungskraft und hebt sie durch gelungne Individualisierung über das Niveau konventioneller und vorwiegend dekorativer Mittelmäßigkeit weit hinaus. Die Büsten des dem Wittelsbacher treu ergebneu Hasso von Wedel, genannt der Note, und des tapfern bayrischen Ritters und nachmaligen Landeshauptmanns der Mark, Friedrich von Löcher, verdienen, ohne gerade zu den hervorragendsten zu zählen, gleichfalls Anerkennung. Der letzte Markgraf aus dem Geschlechte der Wittelsbacher war Ludwigs jüngerer Bruder Otto der Faule. Er war der Schwiegersohn Kaiser Karls IV., des schlauen und energischen Lützelburgers. Otto entsagte nach den Kämpfen mit seinem kaiserlichen Schwiegervater im Jahre 1373 seinen Ansprüchen auf die Mark gegen eine Geldabfindnng. Schon das ist bezeichnend für seine ganze Persönlich¬ keit. Jedenfalls gilt er als der unpopulärste der Wittelsbacher und bietet geschicht¬ lich wenig Interesse. Ihn in Marmor darzustellen, erschien als eine der undank¬ barsten künstlerischen Aufgaben. Aber um die historische plastische Kunst ist es ein eignes Ding. Der wirkliche künstlerische Genius feiert bei der Lösung der nach demi Maße verstandesmäßiger Reflexion undankbarsten Aufgaben oft seine größte» Triumphe. Professor Brütt, ein Schleswig-holsteinischer Bildhauer, hat, künstlerisch angesehen, mit der Statue Ottos des Faulen die meisten, wenn nicht alle der an dem bildnerischen Schmucke der Siegesallee beteiligten Meister geschlagen. Sein Otto der Faule kauu als ein Meisterwerk ersten Rangs bezeichnet werden. Auch Waldemar der Große von Reinhold Begas reicht an diese Leistung Brudes nicht heran. Auf der gegenüberliegenden Seite lassen sich wohl nur der junge Friedrich der Große von Uphucs und Schapers Großer Kurfürst mit ihm in Parallele stellen. Und doch trifft diese Parallele nicht vollständig zu. Immer wieder drängen sich die Leute vor dieser merkwürdigen Figur zusammen. Immer wieder hört man hier die Stimmen rückhaltloser Bewundrung. Und je länger man diese Gestalt, die dem Beinamen Ottos so typischen Ausdruck giebt, aus¬ sieht, desto wunderbarer erscheint ihre lebensvolle Wahrheit. Man empfindet sie als ein Stück inspirierter Kunst. Die ziemlich lange, schmale Gestalt ist ritterlich gepanzert. Über dem Panzer trägt sie ein leichtes Untergewand, von dem man jedoch nur einen schön gesäumten Ausschnitt über den Knieen sieht. Darüber liegt am Halse anfangend ein malerisches, um die Hüfte vom doppelten Schwertgurt uur lose zusnmmeugehaltues Obergewand, hinten bis fast an die Knöchel reichend, vorn durch den Gurt ein wenig aufgerafft, sodaß der erwähnte Ausschnitt des feinen Unterkleides sichtbar wird. Um Hals und Wangen legt sich schmiegsam der seine Kettenpanzer, auf dein Haupte sitzt der schmucklose Eifenhein, sodaß das müde und indolent blickende Gesicht von der Nasenwurzel bis zum Kinn frei bleibt. Die linke Hand legt sich in schlaffer Lässigkeit über den Schwertgriff, die rechte stützt sich bequem auf die Hüfte. Die ganze Gestalt von oben bis unten trägt bis in die Gelenke hinein das Gepräge der Müdigkeit und Gleichgiltigkeit. Und doch zeigt sie dabei den vornehmen Herrn. So ungefähr muß der Fürst ausgesehen haben, den Volk und Nachwelt den Faulen nannte. Die Figur ist ganz individuell. Vergeblich wird man in der Kunstgeschichte nach einer Analogie suchen. Nirgends konventionelle Mache, keine Spur einer gesuchten Pose, alles unmittelbare, psycho¬ logisch wahre Natur, ein rechtes und wahres Kunstwerk. Anfangs hieß es, die Bayern in Berlin ärgerte» sich über diese Gestalt. Sie haben keinen Grund dazu.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/394>, abgerufen am 23.07.2024.