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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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haben, ohne daß das unsern Kredit und unsre Finanzverhältnisse irgendwie
schädlich berührt hätte, so können Sie unmöglich in einer allmählichen Auf¬
bringung eines Kapitals in der bezeichneten Höhe eine Gefahr für unseru Staat
erblicken; das kann, wie Sie mir zugeben werden, kein verständiger Mensch
thun, der von unsern Verhältnissen einigermaßen Kenntnis hat." Dabei muß
wohl beachtet werden, daß von einer Verzinsung bei einen: Teile der zu
Gunsten und auf Drängen gerade der ostelbischen Landwirtschaft gebauten
Sekundärbahnen uicht die Rede ist, ja kaum die Betriebs- und Unterhaltungs¬
kosten herauskommen. Die Frage kann im Ernst gar nicht mehr aufgeworfen
werden.

Um so ernster ist die Frage der Rentabilität des Rhein-Elbekanals zu
nehmen und auch von der Staatsregierung lind ihren Sachverständigen ge¬
nommen worden. Grundsätzlich muß bei der Anlage von künstlichen Wasser¬
straßen auf Staatskosten außer der Deckung der Betriebs- und Unterhaltungs¬
kosten auf angemessene Verzinsung und Abschreibung der Anlagekosten durch
Gebühren und durch Garantieleistung der Interessenten Bedacht genommen
werden. Diese Fiskalität ist einfach ein Gebot der Gerechtigkeit, denn mag
auch das, was man Gesamtinteresse nennt, nach menschlicher Voraussicht dabei
noch so groß sein, so sind doch an diesem sogenannten Gesamtinteresse die ein¬
zelnen Staatssteuertrüger in der Regel sehr ungleichmäßig beteiligt. Die be¬
kannten "Verschiebungen" infolge der Umgestaltung wichtiger Verkehrswege,
natürlich auch der Wasserwege, werden immer einzelne Kreise benachteiligen,
wenn sie auch viel weitern Kreisen und damit dem Ganzen Vorteil bringen.
Glaubt der Staat solche Verkehrswege nicht dem privaten Unternehmungsgeist
und dem privaten Risiko überlassen zu dürfen, worin er ja zunächst Recht hat,
so muß er sich um so ängstlicher davor hüten, in Liebhabereien zu verfallen
und den liberalen Geschenkgeber zu spielen. Er soll deshalb womöglich überall
auf seine Kosten zu kommen suchen. Aber nur nicht kleinlich, nur nicht von
heut zu morgen und erst recht nicht ohne all und jedes Risiko. Er kann und
soll unter Umstünden Risiken eingehn, vor denen sich Privatunternehmungen
scheuen. Wer das nicht will, der raubt der Verstaatlichung der Verkehrsmittel
den besten Teil ihrer Berechtigung. Danach muß auch bei dem Rhein-Elbe¬
kanal verfahren werden und ist von der Staatsregierung in der Vorlage im
vollsten Maße verfahren worden. Soweit wir zu erkennen vermögen, sogar
noch weit vollkommner als bei dem Großschiffahrtswege Berlin-Stettin und der
Wasserstraße zwischen Oder und Weichsel; von den drei Vorflutregulierungen
gar nicht zu reden.

Die Betriebs- und Unterhaltungskosten sind, wie schon angegeben worden
ist, bis zur veranschlagten Gesamthöhe von jährlich 2169100 Mark -- ab¬
gesehen von 36000 Mark, die infolge der Ergünzungsbauten im Dortmund-
Emskanäl mehr als bisher erwartet werden -- ganz von den Interessenten
aus eignen Mitteln zu decken, soweit die Kanaleinnahmen dazu nicht ausreichen
sollten. Der Anschlag ist von den kundigsten Sachverständigen des Staats und


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haben, ohne daß das unsern Kredit und unsre Finanzverhältnisse irgendwie
schädlich berührt hätte, so können Sie unmöglich in einer allmählichen Auf¬
bringung eines Kapitals in der bezeichneten Höhe eine Gefahr für unseru Staat
erblicken; das kann, wie Sie mir zugeben werden, kein verständiger Mensch
thun, der von unsern Verhältnissen einigermaßen Kenntnis hat." Dabei muß
wohl beachtet werden, daß von einer Verzinsung bei einen: Teile der zu
Gunsten und auf Drängen gerade der ostelbischen Landwirtschaft gebauten
Sekundärbahnen uicht die Rede ist, ja kaum die Betriebs- und Unterhaltungs¬
kosten herauskommen. Die Frage kann im Ernst gar nicht mehr aufgeworfen
werden.

Um so ernster ist die Frage der Rentabilität des Rhein-Elbekanals zu
nehmen und auch von der Staatsregierung lind ihren Sachverständigen ge¬
nommen worden. Grundsätzlich muß bei der Anlage von künstlichen Wasser¬
straßen auf Staatskosten außer der Deckung der Betriebs- und Unterhaltungs¬
kosten auf angemessene Verzinsung und Abschreibung der Anlagekosten durch
Gebühren und durch Garantieleistung der Interessenten Bedacht genommen
werden. Diese Fiskalität ist einfach ein Gebot der Gerechtigkeit, denn mag
auch das, was man Gesamtinteresse nennt, nach menschlicher Voraussicht dabei
noch so groß sein, so sind doch an diesem sogenannten Gesamtinteresse die ein¬
zelnen Staatssteuertrüger in der Regel sehr ungleichmäßig beteiligt. Die be¬
kannten „Verschiebungen" infolge der Umgestaltung wichtiger Verkehrswege,
natürlich auch der Wasserwege, werden immer einzelne Kreise benachteiligen,
wenn sie auch viel weitern Kreisen und damit dem Ganzen Vorteil bringen.
Glaubt der Staat solche Verkehrswege nicht dem privaten Unternehmungsgeist
und dem privaten Risiko überlassen zu dürfen, worin er ja zunächst Recht hat,
so muß er sich um so ängstlicher davor hüten, in Liebhabereien zu verfallen
und den liberalen Geschenkgeber zu spielen. Er soll deshalb womöglich überall
auf seine Kosten zu kommen suchen. Aber nur nicht kleinlich, nur nicht von
heut zu morgen und erst recht nicht ohne all und jedes Risiko. Er kann und
soll unter Umstünden Risiken eingehn, vor denen sich Privatunternehmungen
scheuen. Wer das nicht will, der raubt der Verstaatlichung der Verkehrsmittel
den besten Teil ihrer Berechtigung. Danach muß auch bei dem Rhein-Elbe¬
kanal verfahren werden und ist von der Staatsregierung in der Vorlage im
vollsten Maße verfahren worden. Soweit wir zu erkennen vermögen, sogar
noch weit vollkommner als bei dem Großschiffahrtswege Berlin-Stettin und der
Wasserstraße zwischen Oder und Weichsel; von den drei Vorflutregulierungen
gar nicht zu reden.

Die Betriebs- und Unterhaltungskosten sind, wie schon angegeben worden
ist, bis zur veranschlagten Gesamthöhe von jährlich 2169100 Mark — ab¬
gesehen von 36000 Mark, die infolge der Ergünzungsbauten im Dortmund-
Emskanäl mehr als bisher erwartet werden — ganz von den Interessenten
aus eignen Mitteln zu decken, soweit die Kanaleinnahmen dazu nicht ausreichen
sollten. Der Anschlag ist von den kundigsten Sachverständigen des Staats und


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[0362] Zur neuen Kanalvorlagc haben, ohne daß das unsern Kredit und unsre Finanzverhältnisse irgendwie schädlich berührt hätte, so können Sie unmöglich in einer allmählichen Auf¬ bringung eines Kapitals in der bezeichneten Höhe eine Gefahr für unseru Staat erblicken; das kann, wie Sie mir zugeben werden, kein verständiger Mensch thun, der von unsern Verhältnissen einigermaßen Kenntnis hat." Dabei muß wohl beachtet werden, daß von einer Verzinsung bei einen: Teile der zu Gunsten und auf Drängen gerade der ostelbischen Landwirtschaft gebauten Sekundärbahnen uicht die Rede ist, ja kaum die Betriebs- und Unterhaltungs¬ kosten herauskommen. Die Frage kann im Ernst gar nicht mehr aufgeworfen werden. Um so ernster ist die Frage der Rentabilität des Rhein-Elbekanals zu nehmen und auch von der Staatsregierung lind ihren Sachverständigen ge¬ nommen worden. Grundsätzlich muß bei der Anlage von künstlichen Wasser¬ straßen auf Staatskosten außer der Deckung der Betriebs- und Unterhaltungs¬ kosten auf angemessene Verzinsung und Abschreibung der Anlagekosten durch Gebühren und durch Garantieleistung der Interessenten Bedacht genommen werden. Diese Fiskalität ist einfach ein Gebot der Gerechtigkeit, denn mag auch das, was man Gesamtinteresse nennt, nach menschlicher Voraussicht dabei noch so groß sein, so sind doch an diesem sogenannten Gesamtinteresse die ein¬ zelnen Staatssteuertrüger in der Regel sehr ungleichmäßig beteiligt. Die be¬ kannten „Verschiebungen" infolge der Umgestaltung wichtiger Verkehrswege, natürlich auch der Wasserwege, werden immer einzelne Kreise benachteiligen, wenn sie auch viel weitern Kreisen und damit dem Ganzen Vorteil bringen. Glaubt der Staat solche Verkehrswege nicht dem privaten Unternehmungsgeist und dem privaten Risiko überlassen zu dürfen, worin er ja zunächst Recht hat, so muß er sich um so ängstlicher davor hüten, in Liebhabereien zu verfallen und den liberalen Geschenkgeber zu spielen. Er soll deshalb womöglich überall auf seine Kosten zu kommen suchen. Aber nur nicht kleinlich, nur nicht von heut zu morgen und erst recht nicht ohne all und jedes Risiko. Er kann und soll unter Umstünden Risiken eingehn, vor denen sich Privatunternehmungen scheuen. Wer das nicht will, der raubt der Verstaatlichung der Verkehrsmittel den besten Teil ihrer Berechtigung. Danach muß auch bei dem Rhein-Elbe¬ kanal verfahren werden und ist von der Staatsregierung in der Vorlage im vollsten Maße verfahren worden. Soweit wir zu erkennen vermögen, sogar noch weit vollkommner als bei dem Großschiffahrtswege Berlin-Stettin und der Wasserstraße zwischen Oder und Weichsel; von den drei Vorflutregulierungen gar nicht zu reden. Die Betriebs- und Unterhaltungskosten sind, wie schon angegeben worden ist, bis zur veranschlagten Gesamthöhe von jährlich 2169100 Mark — ab¬ gesehen von 36000 Mark, die infolge der Ergünzungsbauten im Dortmund- Emskanäl mehr als bisher erwartet werden — ganz von den Interessenten aus eignen Mitteln zu decken, soweit die Kanaleinnahmen dazu nicht ausreichen sollten. Der Anschlag ist von den kundigsten Sachverständigen des Staats und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/362>, abgerufen am 23.07.2024.