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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Erlebnisse eine^ achtjährigen Jungen

beträchtliches, und wenn die im rechten Winkel einbiegende Bahn ganz unter Eis
lag, kam mir die Sache nicht immer recht geheuer vor. Wer wenn Mademoiselle
Cavalet vorn war und, die gnloschenbewnffneten Beine wie einen riesigen Schiff-
schnabel gerade vor sich hingestreckt, kutschierte, fühlte mau sofort die sachverständige
Leitung. Das waren schöne begeisternde Augenblicke, namentlich wenn man den
zuhinterst sitzenden vierten während der Fahrt verlor und, selbst glücklich unten
angekommen, ihn sich oben ans der spiegelglatten abschüssigen Bahn ans allen Vieren
nach einer weniger gefährlichen Stelle hinüberarbeitcn sah.

Da Monsieur Beste das Schlittschnhfnhren, worin er Meister war, vorzog, so
wurde in der Regel abgewechselt: den einen Tag zog man mit den Schlittschuhen
aus, den andern mit den Schlitten. Auch Mademoiselle Cavalet fuhr Schlittschuh,
selbstverständlich ohne sich von dem Kragenmantel, den roten Sammetblumen und
den Galoschen auch nur für einen Augenblick zu trennen. Sie war auch hierbei
eine höchst pittoreske Erscheinung und sank, wenn mitunter die Schlittschuhe und
das Eis für ihre eqnilibristischen Fähigkeiten zu glatt gewesen waren, in ein blnn-
und schwarzkarriertes chaotisches Pclemele zusammen, aus dem immer zuerst die
galoschierteu Beine, dann, nach einem Weilchen, ein schwarzer Katzenmuff und endlich
-- ein Zeichen, das; das oberste wieder zu oberst war -- die kirschroten Sammet¬
blumen auftauchten. Wie sie es anfing, bei solchen Gelegenheiten nicht Hals und
Beine zu brechen, ist mir rätselhaft: sie müszte äußerst solid gezimmert sein.

Ich kann mich nicht erinnern, daß Monsieur Besse beim Schlittschuhlaufen zu
Falle gekommen wäre, denn auf dem Eise war er wirklich ein Virtuos. Ein Unfall
andrer Art, der ihn beim Schlittschnhfahren betraf, hatte nichts mit seiner Ge-
schicklichkeit zu thun und war vielmehr der Nachlässigkeit eines eidgenössischen
Webers oder, was mir wahrscheinlicher ist, dem Zahne der Zeit zuzuschreiben.
Kanermännchen ist, wie jedermann weiß, "wenn man" rasch eine Strecke fährt und
alsdann den genommnen Anlnnf dazu benutzt, sich in kauernder Stellung auf den
streng parallel gestellten Schlittschuhen ein möglichst langes Stück über die Eis¬
fläche hintreiben zu lassen. Auch darin war Monsieur Besse Meister- Eines Tags
-- ich hatte ihm mit Bewundrung zugesehen, wie er mit raschen kurzen Schritten
den gewaltigen Anlauf nahm -- hatte er doch nicht sich, sondern der Haltbarkeit
eines aus der Heimat mitgebrachten Beinkleids zu viel zugemutet. Die handbreiten
angenähten Stege am einen Ende, die Hosenträgerknöpfe am andern hatten wohl
stand gehalten, dagegen hatte es da, wo ein verzweifelter Widerstand am nötigsten
gewesen wäre, um einem solchen leider gefehlt. Wir hatten beide sofort die Schlitt¬
schuhe abschnallen und, in unsre Überzieher gehüllt, nach Hause eilen müssen. Ein
aufmerksamer Beobachter würde wenig Minuten nach unsrer Heimkehr gesehen haben,
wie Synatschke, eine zusammengerollte Zivilhose unter dem Arm, über den Markt
ging und in der Thür eines Hauses verschwand, über der in goldnen Lettern auf
schwarzem Grunde zu lese" war: A. Enoch, Militär- und Zivilschneider.

Es ist mir leid, daß ich mich nicht auch selbst dem Leser auf dein Eise pro¬
duzieren kaum Hoffnungslos ungeschickt, spinnenbeinig, infolge erlittner Schiffbrüche
an allen in Frage kommenden Scharnierstellen Schnee- und kotbedeckt, hochrot vor
Entzücken, vor Anstrengung nud Aufregung sprach- und atemlos, so schwankte, glitt,
stolperte und stiefelte ich, eine mit grauem Krimmerpelz besetzte polnische Mütze
von dunkelblauem Tuch auf dem Kopfe und tadellose Patentschlittschuhe, um die es
schade war, an den Füßen, auf dem Eise herum. Ich hatte erfrorne, fledermaus¬
artig abstehende Ohren und bei völliger Verachtung der zivilisatorischer Mission
des Schnupftuchs eine unerreichte Fertigkeit in reglemeutwidriger Behandlung der
den Nnsenkannlen unausgesetzt entströmenden krystallhellen Bäche. Mich ziehn, fahren
oder von zwei Schlittschnhfahrern als "geschlachtetes Kalb" tragen zu lassen war


Erlebnisse eine^ achtjährigen Jungen

beträchtliches, und wenn die im rechten Winkel einbiegende Bahn ganz unter Eis
lag, kam mir die Sache nicht immer recht geheuer vor. Wer wenn Mademoiselle
Cavalet vorn war und, die gnloschenbewnffneten Beine wie einen riesigen Schiff-
schnabel gerade vor sich hingestreckt, kutschierte, fühlte mau sofort die sachverständige
Leitung. Das waren schöne begeisternde Augenblicke, namentlich wenn man den
zuhinterst sitzenden vierten während der Fahrt verlor und, selbst glücklich unten
angekommen, ihn sich oben ans der spiegelglatten abschüssigen Bahn ans allen Vieren
nach einer weniger gefährlichen Stelle hinüberarbeitcn sah.

Da Monsieur Beste das Schlittschnhfnhren, worin er Meister war, vorzog, so
wurde in der Regel abgewechselt: den einen Tag zog man mit den Schlittschuhen
aus, den andern mit den Schlitten. Auch Mademoiselle Cavalet fuhr Schlittschuh,
selbstverständlich ohne sich von dem Kragenmantel, den roten Sammetblumen und
den Galoschen auch nur für einen Augenblick zu trennen. Sie war auch hierbei
eine höchst pittoreske Erscheinung und sank, wenn mitunter die Schlittschuhe und
das Eis für ihre eqnilibristischen Fähigkeiten zu glatt gewesen waren, in ein blnn-
und schwarzkarriertes chaotisches Pclemele zusammen, aus dem immer zuerst die
galoschierteu Beine, dann, nach einem Weilchen, ein schwarzer Katzenmuff und endlich
— ein Zeichen, das; das oberste wieder zu oberst war — die kirschroten Sammet¬
blumen auftauchten. Wie sie es anfing, bei solchen Gelegenheiten nicht Hals und
Beine zu brechen, ist mir rätselhaft: sie müszte äußerst solid gezimmert sein.

Ich kann mich nicht erinnern, daß Monsieur Besse beim Schlittschuhlaufen zu
Falle gekommen wäre, denn auf dem Eise war er wirklich ein Virtuos. Ein Unfall
andrer Art, der ihn beim Schlittschnhfahren betraf, hatte nichts mit seiner Ge-
schicklichkeit zu thun und war vielmehr der Nachlässigkeit eines eidgenössischen
Webers oder, was mir wahrscheinlicher ist, dem Zahne der Zeit zuzuschreiben.
Kanermännchen ist, wie jedermann weiß, „wenn man" rasch eine Strecke fährt und
alsdann den genommnen Anlnnf dazu benutzt, sich in kauernder Stellung auf den
streng parallel gestellten Schlittschuhen ein möglichst langes Stück über die Eis¬
fläche hintreiben zu lassen. Auch darin war Monsieur Besse Meister- Eines Tags
— ich hatte ihm mit Bewundrung zugesehen, wie er mit raschen kurzen Schritten
den gewaltigen Anlauf nahm — hatte er doch nicht sich, sondern der Haltbarkeit
eines aus der Heimat mitgebrachten Beinkleids zu viel zugemutet. Die handbreiten
angenähten Stege am einen Ende, die Hosenträgerknöpfe am andern hatten wohl
stand gehalten, dagegen hatte es da, wo ein verzweifelter Widerstand am nötigsten
gewesen wäre, um einem solchen leider gefehlt. Wir hatten beide sofort die Schlitt¬
schuhe abschnallen und, in unsre Überzieher gehüllt, nach Hause eilen müssen. Ein
aufmerksamer Beobachter würde wenig Minuten nach unsrer Heimkehr gesehen haben,
wie Synatschke, eine zusammengerollte Zivilhose unter dem Arm, über den Markt
ging und in der Thür eines Hauses verschwand, über der in goldnen Lettern auf
schwarzem Grunde zu lese» war: A. Enoch, Militär- und Zivilschneider.

Es ist mir leid, daß ich mich nicht auch selbst dem Leser auf dein Eise pro¬
duzieren kaum Hoffnungslos ungeschickt, spinnenbeinig, infolge erlittner Schiffbrüche
an allen in Frage kommenden Scharnierstellen Schnee- und kotbedeckt, hochrot vor
Entzücken, vor Anstrengung nud Aufregung sprach- und atemlos, so schwankte, glitt,
stolperte und stiefelte ich, eine mit grauem Krimmerpelz besetzte polnische Mütze
von dunkelblauem Tuch auf dem Kopfe und tadellose Patentschlittschuhe, um die es
schade war, an den Füßen, auf dem Eise herum. Ich hatte erfrorne, fledermaus¬
artig abstehende Ohren und bei völliger Verachtung der zivilisatorischer Mission
des Schnupftuchs eine unerreichte Fertigkeit in reglemeutwidriger Behandlung der
den Nnsenkannlen unausgesetzt entströmenden krystallhellen Bäche. Mich ziehn, fahren
oder von zwei Schlittschnhfahrern als „geschlachtetes Kalb" tragen zu lassen war


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[0342] Erlebnisse eine^ achtjährigen Jungen beträchtliches, und wenn die im rechten Winkel einbiegende Bahn ganz unter Eis lag, kam mir die Sache nicht immer recht geheuer vor. Wer wenn Mademoiselle Cavalet vorn war und, die gnloschenbewnffneten Beine wie einen riesigen Schiff- schnabel gerade vor sich hingestreckt, kutschierte, fühlte mau sofort die sachverständige Leitung. Das waren schöne begeisternde Augenblicke, namentlich wenn man den zuhinterst sitzenden vierten während der Fahrt verlor und, selbst glücklich unten angekommen, ihn sich oben ans der spiegelglatten abschüssigen Bahn ans allen Vieren nach einer weniger gefährlichen Stelle hinüberarbeitcn sah. Da Monsieur Beste das Schlittschnhfnhren, worin er Meister war, vorzog, so wurde in der Regel abgewechselt: den einen Tag zog man mit den Schlittschuhen aus, den andern mit den Schlitten. Auch Mademoiselle Cavalet fuhr Schlittschuh, selbstverständlich ohne sich von dem Kragenmantel, den roten Sammetblumen und den Galoschen auch nur für einen Augenblick zu trennen. Sie war auch hierbei eine höchst pittoreske Erscheinung und sank, wenn mitunter die Schlittschuhe und das Eis für ihre eqnilibristischen Fähigkeiten zu glatt gewesen waren, in ein blnn- und schwarzkarriertes chaotisches Pclemele zusammen, aus dem immer zuerst die galoschierteu Beine, dann, nach einem Weilchen, ein schwarzer Katzenmuff und endlich — ein Zeichen, das; das oberste wieder zu oberst war — die kirschroten Sammet¬ blumen auftauchten. Wie sie es anfing, bei solchen Gelegenheiten nicht Hals und Beine zu brechen, ist mir rätselhaft: sie müszte äußerst solid gezimmert sein. Ich kann mich nicht erinnern, daß Monsieur Besse beim Schlittschuhlaufen zu Falle gekommen wäre, denn auf dem Eise war er wirklich ein Virtuos. Ein Unfall andrer Art, der ihn beim Schlittschnhfahren betraf, hatte nichts mit seiner Ge- schicklichkeit zu thun und war vielmehr der Nachlässigkeit eines eidgenössischen Webers oder, was mir wahrscheinlicher ist, dem Zahne der Zeit zuzuschreiben. Kanermännchen ist, wie jedermann weiß, „wenn man" rasch eine Strecke fährt und alsdann den genommnen Anlnnf dazu benutzt, sich in kauernder Stellung auf den streng parallel gestellten Schlittschuhen ein möglichst langes Stück über die Eis¬ fläche hintreiben zu lassen. Auch darin war Monsieur Besse Meister- Eines Tags — ich hatte ihm mit Bewundrung zugesehen, wie er mit raschen kurzen Schritten den gewaltigen Anlauf nahm — hatte er doch nicht sich, sondern der Haltbarkeit eines aus der Heimat mitgebrachten Beinkleids zu viel zugemutet. Die handbreiten angenähten Stege am einen Ende, die Hosenträgerknöpfe am andern hatten wohl stand gehalten, dagegen hatte es da, wo ein verzweifelter Widerstand am nötigsten gewesen wäre, um einem solchen leider gefehlt. Wir hatten beide sofort die Schlitt¬ schuhe abschnallen und, in unsre Überzieher gehüllt, nach Hause eilen müssen. Ein aufmerksamer Beobachter würde wenig Minuten nach unsrer Heimkehr gesehen haben, wie Synatschke, eine zusammengerollte Zivilhose unter dem Arm, über den Markt ging und in der Thür eines Hauses verschwand, über der in goldnen Lettern auf schwarzem Grunde zu lese» war: A. Enoch, Militär- und Zivilschneider. Es ist mir leid, daß ich mich nicht auch selbst dem Leser auf dein Eise pro¬ duzieren kaum Hoffnungslos ungeschickt, spinnenbeinig, infolge erlittner Schiffbrüche an allen in Frage kommenden Scharnierstellen Schnee- und kotbedeckt, hochrot vor Entzücken, vor Anstrengung nud Aufregung sprach- und atemlos, so schwankte, glitt, stolperte und stiefelte ich, eine mit grauem Krimmerpelz besetzte polnische Mütze von dunkelblauem Tuch auf dem Kopfe und tadellose Patentschlittschuhe, um die es schade war, an den Füßen, auf dem Eise herum. Ich hatte erfrorne, fledermaus¬ artig abstehende Ohren und bei völliger Verachtung der zivilisatorischer Mission des Schnupftuchs eine unerreichte Fertigkeit in reglemeutwidriger Behandlung der den Nnsenkannlen unausgesetzt entströmenden krystallhellen Bäche. Mich ziehn, fahren oder von zwei Schlittschnhfahrern als „geschlachtetes Kalb" tragen zu lassen war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/342>, abgerufen am 02.10.2024.