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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Ponierende Wirksamkeit entfalten können, ohne sie war die Ottonische Renaissame
mit ihrer deutschen Sieschichtschreibnng und Dichtung in lateinischen Gewände,
ohne sie die glänzende Entfaltung der Kunst romanischen Stils seit dem elften
Jahrhundert, die uns vor allem in großartigen Kirchen noch bellte entgegen¬
tritt, unmöglich, lind weil Deutschland durch das Kaisertum in den .Kreis
der Mittelmeermächte eingetreten war, vermochte es an den Kreuzzügen, diesen
mächtigen Vorstoßen des christlichen Abendlands gegen das so lange siegreiche
mohammedanische Morgenland, einen so hervorragenden Anteil zu nehmen,
der die deutsche Ritterschaft bis nach Syrien und Kleinasien führte. In Ver¬
bindung damit brachten Heinrich VI, und Friedrich II, die mittelalterliche Welt-
Politik ans Ihren Höhepunkt, damals, als der Deutsche Ritterorden in Syrien
entstand und nnter seinen, großen Hochmeister Hermann von Salzn, dein Ver¬
trauten Friedrichs II,, in Syrien neben dem französischen Element mich dein
deutschen erobernd und herrschend Bahn brach, während der gewaltige Hohen-
staufe in denselben Jahren demselben Orden die Vollmacht zur Eroberung
Preußens uuter des Reichs schwarzem Adler gab, damals, als Friedrich II.
selbst sich die Königskrone von Jerusalem aufs Haupt setzte. Wahrhaftig, eine
weltumspannende Politik! lind eine Politik von dauernden Folgen, obwohl
das Kaisertum selbst, das sie leitete, bald danach der Selbstsucht der dentschen
Fürsten und der Todfeindschaft des Papsttums unterlag. Ohne die ungeheure
Erweiterung des Gesichtskreises, die sie herbeiführte, hätte die deutsche Ritter¬
schaft nicht die glänzende Bildung und Litteratur entfaltet, die die erste große
Blütezeit unsrer Dichtung hervorbrachte; und ohne die Weltpolitik hätte das
deutsche Bürgertum uicht seine" mächtigen Aufschwung 'genommen. Denn als
die Handelsherrschaft im Mittelmeer von Konstantinopel ans Venedig und
andre italienische Städte überging, da trat Deutschland, bisher von den großen
Welthandelsstraßen kaum berührt, in den Mittelpunkt des Welthandels; sein
aufstrebendes Bürgertum bemächtigte sich rasch der großen Straßen von Italien
her, und in reißend schneller Entwicklung vorwärtsstrebend verwandelte es die
Grundlagen der deutschen Kultur. Mit dem Verfall des Kaisertums und seiner
Weltpolitik ging auch die Größe der deutschen Ritterschaft samt ihrer feinen
Bildung zu Grunde; denn sie hatte jetzt keine großen Aufgaben mehr, sie ver¬
sank in ein kleinliches, zweckloses Treiben und wurde bald geradezu zum Land¬
schaden der Nation,

Als s^t dem fünfzehnten Jahrhundert die alten Welthandelsstraßcu von
^r Ausbreitung der türkischen Macht verlegt wurden, als die westeuropäischem
Länder in die Zentralstellnng einrückten, weil der Welthandel ozeanisch
'°urbe, und das zerrissene Deutschland sich unfähig erwies, einen Anteil
""ran zu gewinnen, da ging seine wirtschaftliche Blüte zugleich mit seiner
alten Zeutralstelluug zu Grunde, Erst im neunzehnten Jahrhundert errang
es wieder einen bescheidnen Anteil, aber erst als mit der Eröffnung des Snez-
lanals, mit der liberschiennng der Alpen und dem Ban der Orientbahnen das
Mittelmeer die alte Bedeutung wiedergewann, da rückte auch Deutschland


Grenzboien j l!>N! -M

Ponierende Wirksamkeit entfalten können, ohne sie war die Ottonische Renaissame
mit ihrer deutschen Sieschichtschreibnng und Dichtung in lateinischen Gewände,
ohne sie die glänzende Entfaltung der Kunst romanischen Stils seit dem elften
Jahrhundert, die uns vor allem in großartigen Kirchen noch bellte entgegen¬
tritt, unmöglich, lind weil Deutschland durch das Kaisertum in den .Kreis
der Mittelmeermächte eingetreten war, vermochte es an den Kreuzzügen, diesen
mächtigen Vorstoßen des christlichen Abendlands gegen das so lange siegreiche
mohammedanische Morgenland, einen so hervorragenden Anteil zu nehmen,
der die deutsche Ritterschaft bis nach Syrien und Kleinasien führte. In Ver¬
bindung damit brachten Heinrich VI, und Friedrich II, die mittelalterliche Welt-
Politik ans Ihren Höhepunkt, damals, als der Deutsche Ritterorden in Syrien
entstand und nnter seinen, großen Hochmeister Hermann von Salzn, dein Ver¬
trauten Friedrichs II,, in Syrien neben dem französischen Element mich dein
deutschen erobernd und herrschend Bahn brach, während der gewaltige Hohen-
staufe in denselben Jahren demselben Orden die Vollmacht zur Eroberung
Preußens uuter des Reichs schwarzem Adler gab, damals, als Friedrich II.
selbst sich die Königskrone von Jerusalem aufs Haupt setzte. Wahrhaftig, eine
weltumspannende Politik! lind eine Politik von dauernden Folgen, obwohl
das Kaisertum selbst, das sie leitete, bald danach der Selbstsucht der dentschen
Fürsten und der Todfeindschaft des Papsttums unterlag. Ohne die ungeheure
Erweiterung des Gesichtskreises, die sie herbeiführte, hätte die deutsche Ritter¬
schaft nicht die glänzende Bildung und Litteratur entfaltet, die die erste große
Blütezeit unsrer Dichtung hervorbrachte; und ohne die Weltpolitik hätte das
deutsche Bürgertum uicht seine» mächtigen Aufschwung 'genommen. Denn als
die Handelsherrschaft im Mittelmeer von Konstantinopel ans Venedig und
andre italienische Städte überging, da trat Deutschland, bisher von den großen
Welthandelsstraßen kaum berührt, in den Mittelpunkt des Welthandels; sein
aufstrebendes Bürgertum bemächtigte sich rasch der großen Straßen von Italien
her, und in reißend schneller Entwicklung vorwärtsstrebend verwandelte es die
Grundlagen der deutschen Kultur. Mit dem Verfall des Kaisertums und seiner
Weltpolitik ging auch die Größe der deutschen Ritterschaft samt ihrer feinen
Bildung zu Grunde; denn sie hatte jetzt keine großen Aufgaben mehr, sie ver¬
sank in ein kleinliches, zweckloses Treiben und wurde bald geradezu zum Land¬
schaden der Nation,

Als s^t dem fünfzehnten Jahrhundert die alten Welthandelsstraßcu von
^r Ausbreitung der türkischen Macht verlegt wurden, als die westeuropäischem
Länder in die Zentralstellnng einrückten, weil der Welthandel ozeanisch
'°urbe, und das zerrissene Deutschland sich unfähig erwies, einen Anteil
""ran zu gewinnen, da ging seine wirtschaftliche Blüte zugleich mit seiner
alten Zeutralstelluug zu Grunde, Erst im neunzehnten Jahrhundert errang
es wieder einen bescheidnen Anteil, aber erst als mit der Eröffnung des Snez-
lanals, mit der liberschiennng der Alpen und dem Ban der Orientbahnen das
Mittelmeer die alte Bedeutung wiedergewann, da rückte auch Deutschland


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[0313] Ponierende Wirksamkeit entfalten können, ohne sie war die Ottonische Renaissame mit ihrer deutschen Sieschichtschreibnng und Dichtung in lateinischen Gewände, ohne sie die glänzende Entfaltung der Kunst romanischen Stils seit dem elften Jahrhundert, die uns vor allem in großartigen Kirchen noch bellte entgegen¬ tritt, unmöglich, lind weil Deutschland durch das Kaisertum in den .Kreis der Mittelmeermächte eingetreten war, vermochte es an den Kreuzzügen, diesen mächtigen Vorstoßen des christlichen Abendlands gegen das so lange siegreiche mohammedanische Morgenland, einen so hervorragenden Anteil zu nehmen, der die deutsche Ritterschaft bis nach Syrien und Kleinasien führte. In Ver¬ bindung damit brachten Heinrich VI, und Friedrich II, die mittelalterliche Welt- Politik ans Ihren Höhepunkt, damals, als der Deutsche Ritterorden in Syrien entstand und nnter seinen, großen Hochmeister Hermann von Salzn, dein Ver¬ trauten Friedrichs II,, in Syrien neben dem französischen Element mich dein deutschen erobernd und herrschend Bahn brach, während der gewaltige Hohen- staufe in denselben Jahren demselben Orden die Vollmacht zur Eroberung Preußens uuter des Reichs schwarzem Adler gab, damals, als Friedrich II. selbst sich die Königskrone von Jerusalem aufs Haupt setzte. Wahrhaftig, eine weltumspannende Politik! lind eine Politik von dauernden Folgen, obwohl das Kaisertum selbst, das sie leitete, bald danach der Selbstsucht der dentschen Fürsten und der Todfeindschaft des Papsttums unterlag. Ohne die ungeheure Erweiterung des Gesichtskreises, die sie herbeiführte, hätte die deutsche Ritter¬ schaft nicht die glänzende Bildung und Litteratur entfaltet, die die erste große Blütezeit unsrer Dichtung hervorbrachte; und ohne die Weltpolitik hätte das deutsche Bürgertum uicht seine» mächtigen Aufschwung 'genommen. Denn als die Handelsherrschaft im Mittelmeer von Konstantinopel ans Venedig und andre italienische Städte überging, da trat Deutschland, bisher von den großen Welthandelsstraßen kaum berührt, in den Mittelpunkt des Welthandels; sein aufstrebendes Bürgertum bemächtigte sich rasch der großen Straßen von Italien her, und in reißend schneller Entwicklung vorwärtsstrebend verwandelte es die Grundlagen der deutschen Kultur. Mit dem Verfall des Kaisertums und seiner Weltpolitik ging auch die Größe der deutschen Ritterschaft samt ihrer feinen Bildung zu Grunde; denn sie hatte jetzt keine großen Aufgaben mehr, sie ver¬ sank in ein kleinliches, zweckloses Treiben und wurde bald geradezu zum Land¬ schaden der Nation, Als s^t dem fünfzehnten Jahrhundert die alten Welthandelsstraßcu von ^r Ausbreitung der türkischen Macht verlegt wurden, als die westeuropäischem Länder in die Zentralstellnng einrückten, weil der Welthandel ozeanisch '°urbe, und das zerrissene Deutschland sich unfähig erwies, einen Anteil ""ran zu gewinnen, da ging seine wirtschaftliche Blüte zugleich mit seiner alten Zeutralstelluug zu Grunde, Erst im neunzehnten Jahrhundert errang es wieder einen bescheidnen Anteil, aber erst als mit der Eröffnung des Snez- lanals, mit der liberschiennng der Alpen und dem Ban der Orientbahnen das Mittelmeer die alte Bedeutung wiedergewann, da rückte auch Deutschland Grenzboien j l!>N! -M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/313>, abgerufen am 03.07.2024.