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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Line Ergänzung zum allgemeinen Mahlrecht

1, Der Reichskanzler hat dafür zu sorgen, daß amtliche Darlegungen über
Politik allen im Deutschen Reich erscheinenden Zeitungen von Zeit zu Zeit,
mindestens jeden zweiten Monat, zugestellt werden,

2, Alle im Deutschen Reich erscheinenden Zeitungen sind verpflichtet, die
ihnen amtlich zugestellten Darlegungen über Politik an leitender Stelle mit
Bezeichnung ihres amtlichen Charakters zum Abdruck zu bringen, mindestens
am erste" Sonntag jedes zweiten Monats, höchstens viermal im Monat.

8. Die Darlegungen dürfen den Raum einer halben Seite der Zeitungen
nicht überschreiten. Sie sind nach Bedarf in drei oder vier Fassungen je nach
Größe und Leserkreis der Zeitungen herzustellen.

4. Die in nicht deutscher Sprache erscheinenden Zeitungen sind verpflichtet,
außer dem deutscheu Tert eine Übersetzung in ihrer Sprache zu geben, für deren
Richtigkeit sie verantwortlich sind.

5. Übertretungen werden mit Geldstrafe gebüßt, deren unterste Grenze der
drei hundertste Teil des nach dem Abonnementspreis und nach der Stärke der
Auflage ermittelten Einkommens eines Quartals der Zeitung, mindestens aber
2V Mark, deren oberste Grenze der zehnte Teil des Einkommens eines Quar
kath ist.

Entstellende Übersetzungen werden mit einer Geldstrafe von 10 Mark bis
zum zehnten Teil des Quartaleiukommens gebüßt. --

Natürlich kommt es auf die Fassung und die Bestimmungen im einzelnen
hier uicht an, das ist Frage der Praxis und der Zlveckmäßigkeit. Daß die
fremdsprachigen Zeitungen die Übersetzung beifügen, scheint mir notwendig;
ebenso würde ich es für richtig halte", wenn in diesen Zeitungen allen poli¬
tischen Artikeln die deutsche Übersetzung beigefügt werden müßte. Die Strafe
scheint mir erstens nur Geldstrafe sein zu dürfen, für die der Eigentümer der
Zeitung auszukommen hätte. Ich halte es für verfehlt, bei Preßvcrgehn -- wie
bei mehreren andern -- Gefängnisstrafe anzuwenden. Die Geldstrafen sind
wirksamer, und sie schaffen keine Märtyrer, wozu sich sonst ja sogar ganz harm¬
lose Sitzrednktenre leicht stempeln lassen. Zweitens müssen sich die Geldstrafen,
damit sie richtig wirken, nach dem Einkommen des Schuldigen richten, dürfe" also
nicht absolut bestimmt werden.

Ich glaube nicht, daß sich gegen ein derartiges Gesetz etwas einwenden
ließe. Es ist nach meiner Meinung wenigstens ein Unsinn, zu verlangen, daß
b>e Regierung die Parteien gewähren läßt in dem Sinne, daß sie nicht falsche
Ansichten berichtigt und ihre eignen An- und Absichten für jedermann darlegt.
Im Gegenteil ist das ihre Pflicht. Niemand wird dabei erwarten, daß sie
Geheimnisse ausplaudert oder sich voreilig bindet. An Stoff wird es nicht
fehlen; die Abfassung ist ja nicht leicht, aber dafür werden sich geeignete Kräfte
senden.

Die Parteien andrerseits können gegen den Vorschlag nicht auftreten. Sie
würden damit erklären, daß sie nicht wolle" oder Furcht davor haben, daß die
'"'Mennig direkt zu den Parteimitglieder" spricht. Wen" um" mich eben-
^r


enzboten ! 1901 W
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1, Der Reichskanzler hat dafür zu sorgen, daß amtliche Darlegungen über
Politik allen im Deutschen Reich erscheinenden Zeitungen von Zeit zu Zeit,
mindestens jeden zweiten Monat, zugestellt werden,

2, Alle im Deutschen Reich erscheinenden Zeitungen sind verpflichtet, die
ihnen amtlich zugestellten Darlegungen über Politik an leitender Stelle mit
Bezeichnung ihres amtlichen Charakters zum Abdruck zu bringen, mindestens
am erste» Sonntag jedes zweiten Monats, höchstens viermal im Monat.

8. Die Darlegungen dürfen den Raum einer halben Seite der Zeitungen
nicht überschreiten. Sie sind nach Bedarf in drei oder vier Fassungen je nach
Größe und Leserkreis der Zeitungen herzustellen.

4. Die in nicht deutscher Sprache erscheinenden Zeitungen sind verpflichtet,
außer dem deutscheu Tert eine Übersetzung in ihrer Sprache zu geben, für deren
Richtigkeit sie verantwortlich sind.

5. Übertretungen werden mit Geldstrafe gebüßt, deren unterste Grenze der
drei hundertste Teil des nach dem Abonnementspreis und nach der Stärke der
Auflage ermittelten Einkommens eines Quartals der Zeitung, mindestens aber
2V Mark, deren oberste Grenze der zehnte Teil des Einkommens eines Quar
kath ist.

Entstellende Übersetzungen werden mit einer Geldstrafe von 10 Mark bis
zum zehnten Teil des Quartaleiukommens gebüßt. —

Natürlich kommt es auf die Fassung und die Bestimmungen im einzelnen
hier uicht an, das ist Frage der Praxis und der Zlveckmäßigkeit. Daß die
fremdsprachigen Zeitungen die Übersetzung beifügen, scheint mir notwendig;
ebenso würde ich es für richtig halte», wenn in diesen Zeitungen allen poli¬
tischen Artikeln die deutsche Übersetzung beigefügt werden müßte. Die Strafe
scheint mir erstens nur Geldstrafe sein zu dürfen, für die der Eigentümer der
Zeitung auszukommen hätte. Ich halte es für verfehlt, bei Preßvcrgehn — wie
bei mehreren andern — Gefängnisstrafe anzuwenden. Die Geldstrafen sind
wirksamer, und sie schaffen keine Märtyrer, wozu sich sonst ja sogar ganz harm¬
lose Sitzrednktenre leicht stempeln lassen. Zweitens müssen sich die Geldstrafen,
damit sie richtig wirken, nach dem Einkommen des Schuldigen richten, dürfe» also
nicht absolut bestimmt werden.

Ich glaube nicht, daß sich gegen ein derartiges Gesetz etwas einwenden
ließe. Es ist nach meiner Meinung wenigstens ein Unsinn, zu verlangen, daß
b>e Regierung die Parteien gewähren läßt in dem Sinne, daß sie nicht falsche
Ansichten berichtigt und ihre eignen An- und Absichten für jedermann darlegt.
Im Gegenteil ist das ihre Pflicht. Niemand wird dabei erwarten, daß sie
Geheimnisse ausplaudert oder sich voreilig bindet. An Stoff wird es nicht
fehlen; die Abfassung ist ja nicht leicht, aber dafür werden sich geeignete Kräfte
senden.

Die Parteien andrerseits können gegen den Vorschlag nicht auftreten. Sie
würden damit erklären, daß sie nicht wolle» oder Furcht davor haben, daß die
'"'Mennig direkt zu den Parteimitglieder» spricht. Wen» um» mich eben-
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[0225] Line Ergänzung zum allgemeinen Mahlrecht 1, Der Reichskanzler hat dafür zu sorgen, daß amtliche Darlegungen über Politik allen im Deutschen Reich erscheinenden Zeitungen von Zeit zu Zeit, mindestens jeden zweiten Monat, zugestellt werden, 2, Alle im Deutschen Reich erscheinenden Zeitungen sind verpflichtet, die ihnen amtlich zugestellten Darlegungen über Politik an leitender Stelle mit Bezeichnung ihres amtlichen Charakters zum Abdruck zu bringen, mindestens am erste» Sonntag jedes zweiten Monats, höchstens viermal im Monat. 8. Die Darlegungen dürfen den Raum einer halben Seite der Zeitungen nicht überschreiten. Sie sind nach Bedarf in drei oder vier Fassungen je nach Größe und Leserkreis der Zeitungen herzustellen. 4. Die in nicht deutscher Sprache erscheinenden Zeitungen sind verpflichtet, außer dem deutscheu Tert eine Übersetzung in ihrer Sprache zu geben, für deren Richtigkeit sie verantwortlich sind. 5. Übertretungen werden mit Geldstrafe gebüßt, deren unterste Grenze der drei hundertste Teil des nach dem Abonnementspreis und nach der Stärke der Auflage ermittelten Einkommens eines Quartals der Zeitung, mindestens aber 2V Mark, deren oberste Grenze der zehnte Teil des Einkommens eines Quar kath ist. Entstellende Übersetzungen werden mit einer Geldstrafe von 10 Mark bis zum zehnten Teil des Quartaleiukommens gebüßt. — Natürlich kommt es auf die Fassung und die Bestimmungen im einzelnen hier uicht an, das ist Frage der Praxis und der Zlveckmäßigkeit. Daß die fremdsprachigen Zeitungen die Übersetzung beifügen, scheint mir notwendig; ebenso würde ich es für richtig halte», wenn in diesen Zeitungen allen poli¬ tischen Artikeln die deutsche Übersetzung beigefügt werden müßte. Die Strafe scheint mir erstens nur Geldstrafe sein zu dürfen, für die der Eigentümer der Zeitung auszukommen hätte. Ich halte es für verfehlt, bei Preßvcrgehn — wie bei mehreren andern — Gefängnisstrafe anzuwenden. Die Geldstrafen sind wirksamer, und sie schaffen keine Märtyrer, wozu sich sonst ja sogar ganz harm¬ lose Sitzrednktenre leicht stempeln lassen. Zweitens müssen sich die Geldstrafen, damit sie richtig wirken, nach dem Einkommen des Schuldigen richten, dürfe» also nicht absolut bestimmt werden. Ich glaube nicht, daß sich gegen ein derartiges Gesetz etwas einwenden ließe. Es ist nach meiner Meinung wenigstens ein Unsinn, zu verlangen, daß b>e Regierung die Parteien gewähren läßt in dem Sinne, daß sie nicht falsche Ansichten berichtigt und ihre eignen An- und Absichten für jedermann darlegt. Im Gegenteil ist das ihre Pflicht. Niemand wird dabei erwarten, daß sie Geheimnisse ausplaudert oder sich voreilig bindet. An Stoff wird es nicht fehlen; die Abfassung ist ja nicht leicht, aber dafür werden sich geeignete Kräfte senden. Die Parteien andrerseits können gegen den Vorschlag nicht auftreten. Sie würden damit erklären, daß sie nicht wolle» oder Furcht davor haben, daß die '"'Mennig direkt zu den Parteimitglieder» spricht. Wen» um» mich eben- ^r enzboten ! 1901 W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/225>, abgerufen am 29.06.2024.