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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Die Handelspolitik im Jahre l.9^

darüber, daß Dietzel für seine der agrarischen Allffassung antagonistische der
industriestantlichen Entlvicklung sympathische Ansicht ans die beiden großen
"Gesetze" der Nationalökonomie von, (relativ) "abnehmenden Ertrage" der
Bodenprvduktion mit vermehrter Kapital- und Arbeitsvcrweuduug und vom
(relativ) "zunehmenden Ertrage" der industriellen Produktion zurückkomme; er habe
das selbst schon früher hervorgehoben, Aber mit keinem Wort berücksichtigt er
die von Conrad mit vollem Recht in den Vordergrund geschobne Thatsache
die doch auch Thiel, wie wir sahen, anerkennt --, daß der Hauptfehler heute
in den unnatürlich hohen Bodenpreisen, diesen zum guten Teil rein "fiktiven"
Werten, liegt, die durch die weitere Erhöhung des Agrarschutzes noch gesteigert
werden müssen. Gerade in der Differenz zwischen Güterpreisen und Ertrags¬
wert und in der nationalökonomischen Absicht, sie dnrch dauernde Getreidezölle
zu beseitigen, dokumentiert sich die Nichtachtung des Gesetzes vom "abnehmenden
Ertrage" in der Landwirtschaft, Solange dieser natiolmlökonowische Unsinn,
diese nationalökonomische Kapitalvergeuduug aufrecht erhalte" wird, wird die
deutsche Landwirtschaft unfähig bleiben, den sozial und politisch wünschens¬
werten Teil der Bevölkerung angemessen zu ernähre" und das Deutsche Reich
für seine weltpolitische Mission stärker zu machen, ja hinreichend stark zu er¬
halten, denn wir brauchen mehr Menschen und mehr Geld,

Ein starkes Deutsches Reich als Vormacht des Freihandels in der Welt
haben wir gewünscht. Wir werden bei der Besprechung unsrer handelspoli¬
tischen Stellung zum Auslande auf diese weltpolitische Mission noch zurück¬
kommen müssen. Sowohl die Theorie von den drei ^ oder vier, oder gar
fünf - Weltreichen, die seit fünfzehn Jahren und länger eine bescheidne Rolle
gespielt hat, neuerdings aber zu einer auch für unsre praktische Handels¬
und Zollpolitik bestimmenden Doktrin aufgebauscht werden zu sollen scheint, wie
auch das damit zusammenhängende Wiederauftauchen des Verlangens nach
einem mitteleuropäischen Zollbündnis wird dazu Gelegenheit geben. Mag diese
Theorie ganz oder halb oder gar nicht berechtigt sein, und mag dieses Ver¬
langen heute am Platze sein oder nicht, jedenfalls scheint uns, obgleich Malthus
"Recht hat," die weltpolitische Kraft, die das Deutsche Reich braucht, um seine
^cisswn im nationalen Interesse zu erfülle", vor allem auf der starke" Volks-
^ahi "ud Volksvermehrung zu beruhen, aber auch auf dem Vorhandensein und
dem rasche,, Wachstum des deutschen "mobilen" Kapitals, Deshalb vermögen
wir uns zur Zeit für die Lähmung des Auslandsgeschäfts und der Export-
'"dttstrie und für eine durch Zölle versuchte Rückwärtsbewegung auf den Agrar-
ftaat hin ganz "ut gar nicht zu erwärmen.

(Schluß folgt)




Die Handelspolitik im Jahre l.9^

darüber, daß Dietzel für seine der agrarischen Allffassung antagonistische der
industriestantlichen Entlvicklung sympathische Ansicht ans die beiden großen
„Gesetze" der Nationalökonomie von, (relativ) „abnehmenden Ertrage" der
Bodenprvduktion mit vermehrter Kapital- und Arbeitsvcrweuduug und vom
(relativ) „zunehmenden Ertrage" der industriellen Produktion zurückkomme; er habe
das selbst schon früher hervorgehoben, Aber mit keinem Wort berücksichtigt er
die von Conrad mit vollem Recht in den Vordergrund geschobne Thatsache
die doch auch Thiel, wie wir sahen, anerkennt —, daß der Hauptfehler heute
in den unnatürlich hohen Bodenpreisen, diesen zum guten Teil rein „fiktiven"
Werten, liegt, die durch die weitere Erhöhung des Agrarschutzes noch gesteigert
werden müssen. Gerade in der Differenz zwischen Güterpreisen und Ertrags¬
wert und in der nationalökonomischen Absicht, sie dnrch dauernde Getreidezölle
zu beseitigen, dokumentiert sich die Nichtachtung des Gesetzes vom „abnehmenden
Ertrage" in der Landwirtschaft, Solange dieser natiolmlökonowische Unsinn,
diese nationalökonomische Kapitalvergeuduug aufrecht erhalte» wird, wird die
deutsche Landwirtschaft unfähig bleiben, den sozial und politisch wünschens¬
werten Teil der Bevölkerung angemessen zu ernähre» und das Deutsche Reich
für seine weltpolitische Mission stärker zu machen, ja hinreichend stark zu er¬
halten, denn wir brauchen mehr Menschen und mehr Geld,

Ein starkes Deutsches Reich als Vormacht des Freihandels in der Welt
haben wir gewünscht. Wir werden bei der Besprechung unsrer handelspoli¬
tischen Stellung zum Auslande auf diese weltpolitische Mission noch zurück¬
kommen müssen. Sowohl die Theorie von den drei ^ oder vier, oder gar
fünf - Weltreichen, die seit fünfzehn Jahren und länger eine bescheidne Rolle
gespielt hat, neuerdings aber zu einer auch für unsre praktische Handels¬
und Zollpolitik bestimmenden Doktrin aufgebauscht werden zu sollen scheint, wie
auch das damit zusammenhängende Wiederauftauchen des Verlangens nach
einem mitteleuropäischen Zollbündnis wird dazu Gelegenheit geben. Mag diese
Theorie ganz oder halb oder gar nicht berechtigt sein, und mag dieses Ver¬
langen heute am Platze sein oder nicht, jedenfalls scheint uns, obgleich Malthus
"Recht hat," die weltpolitische Kraft, die das Deutsche Reich braucht, um seine
^cisswn im nationalen Interesse zu erfülle», vor allem auf der starke» Volks-
^ahi »ud Volksvermehrung zu beruhen, aber auch auf dem Vorhandensein und
dem rasche,, Wachstum des deutschen „mobilen" Kapitals, Deshalb vermögen
wir uns zur Zeit für die Lähmung des Auslandsgeschäfts und der Export-
'"dttstrie und für eine durch Zölle versuchte Rückwärtsbewegung auf den Agrar-
ftaat hin ganz „ut gar nicht zu erwärmen.

(Schluß folgt)




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[0219] Die Handelspolitik im Jahre l.9^ darüber, daß Dietzel für seine der agrarischen Allffassung antagonistische der industriestantlichen Entlvicklung sympathische Ansicht ans die beiden großen „Gesetze" der Nationalökonomie von, (relativ) „abnehmenden Ertrage" der Bodenprvduktion mit vermehrter Kapital- und Arbeitsvcrweuduug und vom (relativ) „zunehmenden Ertrage" der industriellen Produktion zurückkomme; er habe das selbst schon früher hervorgehoben, Aber mit keinem Wort berücksichtigt er die von Conrad mit vollem Recht in den Vordergrund geschobne Thatsache die doch auch Thiel, wie wir sahen, anerkennt —, daß der Hauptfehler heute in den unnatürlich hohen Bodenpreisen, diesen zum guten Teil rein „fiktiven" Werten, liegt, die durch die weitere Erhöhung des Agrarschutzes noch gesteigert werden müssen. Gerade in der Differenz zwischen Güterpreisen und Ertrags¬ wert und in der nationalökonomischen Absicht, sie dnrch dauernde Getreidezölle zu beseitigen, dokumentiert sich die Nichtachtung des Gesetzes vom „abnehmenden Ertrage" in der Landwirtschaft, Solange dieser natiolmlökonowische Unsinn, diese nationalökonomische Kapitalvergeuduug aufrecht erhalte» wird, wird die deutsche Landwirtschaft unfähig bleiben, den sozial und politisch wünschens¬ werten Teil der Bevölkerung angemessen zu ernähre» und das Deutsche Reich für seine weltpolitische Mission stärker zu machen, ja hinreichend stark zu er¬ halten, denn wir brauchen mehr Menschen und mehr Geld, Ein starkes Deutsches Reich als Vormacht des Freihandels in der Welt haben wir gewünscht. Wir werden bei der Besprechung unsrer handelspoli¬ tischen Stellung zum Auslande auf diese weltpolitische Mission noch zurück¬ kommen müssen. Sowohl die Theorie von den drei ^ oder vier, oder gar fünf - Weltreichen, die seit fünfzehn Jahren und länger eine bescheidne Rolle gespielt hat, neuerdings aber zu einer auch für unsre praktische Handels¬ und Zollpolitik bestimmenden Doktrin aufgebauscht werden zu sollen scheint, wie auch das damit zusammenhängende Wiederauftauchen des Verlangens nach einem mitteleuropäischen Zollbündnis wird dazu Gelegenheit geben. Mag diese Theorie ganz oder halb oder gar nicht berechtigt sein, und mag dieses Ver¬ langen heute am Platze sein oder nicht, jedenfalls scheint uns, obgleich Malthus "Recht hat," die weltpolitische Kraft, die das Deutsche Reich braucht, um seine ^cisswn im nationalen Interesse zu erfülle», vor allem auf der starke» Volks- ^ahi »ud Volksvermehrung zu beruhen, aber auch auf dem Vorhandensein und dem rasche,, Wachstum des deutschen „mobilen" Kapitals, Deshalb vermögen wir uns zur Zeit für die Lähmung des Auslandsgeschäfts und der Export- '"dttstrie und für eine durch Zölle versuchte Rückwärtsbewegung auf den Agrar- ftaat hin ganz „ut gar nicht zu erwärmen. (Schluß folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/219>, abgerufen am 01.07.2024.