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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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niam das nur mit Freuden begrüßen, und man muß nur beklagen, daß es
nicht schon längst in wirksamer Weise geschehn ist- Aber wenn etwa anch
dieser Verein seine Hoffnung auf sozialdemokratische Demonstrationen und
Obstrnttiouen setzte, so würde er dem "atioualökonomischen Liberalismus nur
z" einer neuen Schlappe und Blamage verhelfen, die Landwirte erst recht der
Reaktion in die Arme treiben und dem Grafen Bülow seine Aufgabe bis zur
Unmöglichkeit erschweren.

In den bisherigen Ausführungen ist das industrielle Schutzzölluertum nur
flüchtig gestreift worden- Seine Stellung zum Zolltarif, seine Gründe und
Absichten siud "och immer und Wohl nicht ohne Absicht in ein gewisses Dunkel
gehüllt- Ob mau sich im Neichsamt des Jnnern durch die Anhörung von so
und so viel Fabrikanten darüber klar geworden ist, ob lind wie durch eine all¬
gemeine Verschärfung des Zollschutzes der deutscheu Industrie selbst und unsrer
Volkswirtschaft genützt werden kann, wissen nur nicht, hoffen aber, daß Graf
Bülow gerade hierin klaren Wein von seinen Beratern verlangen wird, damit er
sich selbst ein Urteil bilden kann- Er, nicht Graf Posadowsty, würde der Nation
und den verbündeten Regierungen dafür verantwortlich sein, wenn sich schließlich
die emsigen und bisher so sehr ans Lob bedachten "Borarbeiten" dieser Be¬
hörde als Opus opsiÄwm erwiesen: als wertlos, wo es darauf ankommt, zum
Wohl des Ganzen und für eine längere Dauer grundsätzliche Entscheidungen
zu treffe"- Von dein Nachweis eines größer" Schutzbedürfnisses für unsre
Industrie im allgemeinen hat man bisher nichts gesehen, und die industrielle
Entmicklnng der letzten fünf Jahre zwingt doch geradezu, dieses Bedürfnis ohne
stritte" Beweis z" bestreikn. Daß der "Zentralverbnud deutscher Industrieller"
ohne Beweis behauptet, das Schutzbedürfnis sei vorhanden, darf dem Grafen
Bülow natürlich nicht genüge", ebenso wenig wie die Meinung der einzelne"
im Reichsamt des Innern gehörten Interessenten- Daß man in den Ver¬
handlungstarif höhere Zollsätze einfügt, um für ihre Herabsetzung Zugeständ¬
nisse vom Auslande einzutauschen, hat damit nichts zu thun und ist gewiß ganz
in der Ordnung. Auch die Besorgnis vor einer zukünftigen Überschwemmung
des deutschen Markes mit amerikanischen Jndustrieprodutten verdient Beachtung-
Bis jetzt kann aber im Ernst davon noch nicht geredet werden- Das Ver¬
langen der deutschen Großindustrie uach allgemeiner Zollerhöhung fordert des¬
halb geradezu den Verdacht eigensüchtiger Sonderinteressen heraus, die mau
geflissentlich bemänteln möchte- Die Rücksicht auf die Nertrngsverhandluugeu
widerspricht einer offnen Aufklärung über diese allgemeine Frage in keiner
Weise; es wäre zu wünsche", daß der "Handelsvertragsverein" vor allein ihr,
dem industriellen Schutzbedürfnis, seine Aufmerksamkeit zuwendete. Darin ist
er sachverständiger als in den landwirtschaftliche" Fragen, ans denen er bisher
hauptsächlich und ungeschickt herumgeritten ist.

Bisher sind die in, Jahre 1901 der Lösung harrende" Handels- und
zvllpolitischen Frage" vorwiegend in ihrem Verhältnis zu der innern wirt¬
schaftliche" und politischen Lage betrachtet worden. Wenn nun noch die Ver-


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niam das nur mit Freuden begrüßen, und man muß nur beklagen, daß es
nicht schon längst in wirksamer Weise geschehn ist- Aber wenn etwa anch
dieser Verein seine Hoffnung auf sozialdemokratische Demonstrationen und
Obstrnttiouen setzte, so würde er dem »atioualökonomischen Liberalismus nur
z» einer neuen Schlappe und Blamage verhelfen, die Landwirte erst recht der
Reaktion in die Arme treiben und dem Grafen Bülow seine Aufgabe bis zur
Unmöglichkeit erschweren.

In den bisherigen Ausführungen ist das industrielle Schutzzölluertum nur
flüchtig gestreift worden- Seine Stellung zum Zolltarif, seine Gründe und
Absichten siud »och immer und Wohl nicht ohne Absicht in ein gewisses Dunkel
gehüllt- Ob mau sich im Neichsamt des Jnnern durch die Anhörung von so
und so viel Fabrikanten darüber klar geworden ist, ob lind wie durch eine all¬
gemeine Verschärfung des Zollschutzes der deutscheu Industrie selbst und unsrer
Volkswirtschaft genützt werden kann, wissen nur nicht, hoffen aber, daß Graf
Bülow gerade hierin klaren Wein von seinen Beratern verlangen wird, damit er
sich selbst ein Urteil bilden kann- Er, nicht Graf Posadowsty, würde der Nation
und den verbündeten Regierungen dafür verantwortlich sein, wenn sich schließlich
die emsigen und bisher so sehr ans Lob bedachten „Borarbeiten" dieser Be¬
hörde als Opus opsiÄwm erwiesen: als wertlos, wo es darauf ankommt, zum
Wohl des Ganzen und für eine längere Dauer grundsätzliche Entscheidungen
zu treffe»- Von dein Nachweis eines größer» Schutzbedürfnisses für unsre
Industrie im allgemeinen hat man bisher nichts gesehen, und die industrielle
Entmicklnng der letzten fünf Jahre zwingt doch geradezu, dieses Bedürfnis ohne
stritte» Beweis z» bestreikn. Daß der „Zentralverbnud deutscher Industrieller"
ohne Beweis behauptet, das Schutzbedürfnis sei vorhanden, darf dem Grafen
Bülow natürlich nicht genüge», ebenso wenig wie die Meinung der einzelne»
im Reichsamt des Innern gehörten Interessenten- Daß man in den Ver¬
handlungstarif höhere Zollsätze einfügt, um für ihre Herabsetzung Zugeständ¬
nisse vom Auslande einzutauschen, hat damit nichts zu thun und ist gewiß ganz
in der Ordnung. Auch die Besorgnis vor einer zukünftigen Überschwemmung
des deutschen Markes mit amerikanischen Jndustrieprodutten verdient Beachtung-
Bis jetzt kann aber im Ernst davon noch nicht geredet werden- Das Ver¬
langen der deutschen Großindustrie uach allgemeiner Zollerhöhung fordert des¬
halb geradezu den Verdacht eigensüchtiger Sonderinteressen heraus, die mau
geflissentlich bemänteln möchte- Die Rücksicht auf die Nertrngsverhandluugeu
widerspricht einer offnen Aufklärung über diese allgemeine Frage in keiner
Weise; es wäre zu wünsche», daß der „Handelsvertragsverein" vor allein ihr,
dem industriellen Schutzbedürfnis, seine Aufmerksamkeit zuwendete. Darin ist
er sachverständiger als in den landwirtschaftliche» Fragen, ans denen er bisher
hauptsächlich und ungeschickt herumgeritten ist.

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zvllpolitischen Frage» vorwiegend in ihrem Verhältnis zu der innern wirt¬
schaftliche» und politischen Lage betrachtet worden. Wenn nun noch die Ver-


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[0214] Die haudolspolitik i>» Jahre ^ZVl niam das nur mit Freuden begrüßen, und man muß nur beklagen, daß es nicht schon längst in wirksamer Weise geschehn ist- Aber wenn etwa anch dieser Verein seine Hoffnung auf sozialdemokratische Demonstrationen und Obstrnttiouen setzte, so würde er dem »atioualökonomischen Liberalismus nur z» einer neuen Schlappe und Blamage verhelfen, die Landwirte erst recht der Reaktion in die Arme treiben und dem Grafen Bülow seine Aufgabe bis zur Unmöglichkeit erschweren. In den bisherigen Ausführungen ist das industrielle Schutzzölluertum nur flüchtig gestreift worden- Seine Stellung zum Zolltarif, seine Gründe und Absichten siud »och immer und Wohl nicht ohne Absicht in ein gewisses Dunkel gehüllt- Ob mau sich im Neichsamt des Jnnern durch die Anhörung von so und so viel Fabrikanten darüber klar geworden ist, ob lind wie durch eine all¬ gemeine Verschärfung des Zollschutzes der deutscheu Industrie selbst und unsrer Volkswirtschaft genützt werden kann, wissen nur nicht, hoffen aber, daß Graf Bülow gerade hierin klaren Wein von seinen Beratern verlangen wird, damit er sich selbst ein Urteil bilden kann- Er, nicht Graf Posadowsty, würde der Nation und den verbündeten Regierungen dafür verantwortlich sein, wenn sich schließlich die emsigen und bisher so sehr ans Lob bedachten „Borarbeiten" dieser Be¬ hörde als Opus opsiÄwm erwiesen: als wertlos, wo es darauf ankommt, zum Wohl des Ganzen und für eine längere Dauer grundsätzliche Entscheidungen zu treffe»- Von dein Nachweis eines größer» Schutzbedürfnisses für unsre Industrie im allgemeinen hat man bisher nichts gesehen, und die industrielle Entmicklnng der letzten fünf Jahre zwingt doch geradezu, dieses Bedürfnis ohne stritte» Beweis z» bestreikn. Daß der „Zentralverbnud deutscher Industrieller" ohne Beweis behauptet, das Schutzbedürfnis sei vorhanden, darf dem Grafen Bülow natürlich nicht genüge», ebenso wenig wie die Meinung der einzelne» im Reichsamt des Innern gehörten Interessenten- Daß man in den Ver¬ handlungstarif höhere Zollsätze einfügt, um für ihre Herabsetzung Zugeständ¬ nisse vom Auslande einzutauschen, hat damit nichts zu thun und ist gewiß ganz in der Ordnung. Auch die Besorgnis vor einer zukünftigen Überschwemmung des deutschen Markes mit amerikanischen Jndustrieprodutten verdient Beachtung- Bis jetzt kann aber im Ernst davon noch nicht geredet werden- Das Ver¬ langen der deutschen Großindustrie uach allgemeiner Zollerhöhung fordert des¬ halb geradezu den Verdacht eigensüchtiger Sonderinteressen heraus, die mau geflissentlich bemänteln möchte- Die Rücksicht auf die Nertrngsverhandluugeu widerspricht einer offnen Aufklärung über diese allgemeine Frage in keiner Weise; es wäre zu wünsche», daß der „Handelsvertragsverein" vor allein ihr, dem industriellen Schutzbedürfnis, seine Aufmerksamkeit zuwendete. Darin ist er sachverständiger als in den landwirtschaftliche» Fragen, ans denen er bisher hauptsächlich und ungeschickt herumgeritten ist. Bisher sind die in, Jahre 1901 der Lösung harrende» Handels- und zvllpolitischen Frage» vorwiegend in ihrem Verhältnis zu der innern wirt¬ schaftliche» und politischen Lage betrachtet worden. Wenn nun noch die Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/214>, abgerufen am 01.07.2024.