Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.Herbsttage in der Lisel mattesten Gelb bis zum satten Blau wechselte, und zwar schien der schlechteste Der Gemündener Verschönernngsverein hat übrigens sein mögliches gethan, In keiner Gegend unsers deutschen Vaterlands spielt die Post als Per- Es begann schon stark zu dämmern, als sich die gelbe Kutsche, die in Herbsttage in der Lisel mattesten Gelb bis zum satten Blau wechselte, und zwar schien der schlechteste Der Gemündener Verschönernngsverein hat übrigens sein mögliches gethan, In keiner Gegend unsers deutschen Vaterlands spielt die Post als Per- Es begann schon stark zu dämmern, als sich die gelbe Kutsche, die in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0138" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/234018"/> <fw type="header" place="top"> Herbsttage in der Lisel</fw><lb/> <p xml:id="ID_482" prev="#ID_481"> mattesten Gelb bis zum satten Blau wechselte, und zwar schien der schlechteste<lb/> Boden gelbe, der mittelgute getigerte, der beste einfarbig saminctblaue oder<lb/> dunkelviolette mit kleinem gelben Stern hervorzubringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_483"> Der Gemündener Verschönernngsverein hat übrigens sein mögliches gethan,<lb/> den Fremden den Besuch des Urftthals und seiner Uferberge bequem zu machen.<lb/> Überall ist für treffliche Wege, schöne Aussichtspunkte und Wegweiser ans das<lb/> beste gesorgt. Eine Klippe mit besonders schöner Fernsicht ist „Spionskop"<lb/> getauft worden, was beweist, daß man den Verzweiflungskampf des armen<lb/> Hirtenvolks in Südafrika auch hier zu Lande mit reger Teilnahme verfolgt<lb/> hat. Freunden deutscher Waldromantik kann der Kermeterforst nicht genug<lb/> empfohlen werden. Man dürfte ihn wochenlang durchwandern, und würde<lb/> dennoch immer neue Punkte von hohem landschaftlichen Neiz entdecken. Ein<lb/> guter Weg, der die vier Förstereien Wolfgarten I, Wolfgnrten II, Mariawald<lb/> und Paulushof miteinander verbindet, zieht sich über den Kamm des etwa<lb/> 500 Meter hohen Bergrückens dahin. Nach beiden Seiten zweigen sich Wald¬<lb/> pfade ab, die fast überall bis zu den Abhängen des Gebirges hinanführcn und<lb/> die herrlichste Aussicht in die Thäler der Urft lind Nur bieten. Gemünd<lb/> läßt als Ausgangspunkt solcher Wandrungen nichts zu wünschen übrig; es ist<lb/> ein Städtchen von holländischer Sauberkeit, was vielleicht in der Abstammung<lb/> eines Teils der Bevölkerung von holländischen Emigranten seine Ursache haben<lb/> mag. Urft und Olef, die mehrfach überbrückt die Stadt durchzieh» und sich<lb/> in deren Mitte vereinigen, beleben das Architekturbild auf das angenehmste<lb/> und erhöhen den freundlichen Eindruck, den die schmucken Häuser und der<lb/> schöne, mit Bäumen bestandne Marktplatz auf den Besucher machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_484"> In keiner Gegend unsers deutschen Vaterlands spielt die Post als Per-<lb/> svnenbefördcruugsmittel wohl noch eine so bedeutende Rolle wie in der Eifel.<lb/> Der Tourist, der für die Romantik der schwerfälligen gelben Kutsche Ver¬<lb/> ständnis hat, hat hier täglich Gelegenheit, sich den Neisefreuden unsrer Gro߬<lb/> väter hinzugeben und den Komfort der alten guten Zeit am eignen Leibe zu<lb/> erproben. Mir war ganz feierlich zu Mute, als ich am Abend des 13. Sep¬<lb/> tembers sieben Uhr und zwanzig Minuten den schon am Vormittag bestellte»<lb/> und bezahlten Platz auf dem Kutschbocke des ehrwürdigen Vehikels einnahm, um<lb/> von Gemünd nach Montjoie zu fahren. Während der Schwager noch das<lb/> Gepäck verstände, den Briefbcutel im Kasten nnter seinem Sitze verschloß und<lb/> vom Gemiindener Postmeister mit allerlei mündlichen Weisungen und Be¬<lb/> stellungen an die Posthnltereien unterwegs ausgerüstet wurde, hatte ich Muße,<lb/> mir alles zu vergegenwärtigen, was ich je an ernsten und heitern Postgeschichten<lb/> aus älterer und neuerer Zeit gelesen und gehört hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_485" next="#ID_486"> Es begann schon stark zu dämmern, als sich die gelbe Kutsche, die in<lb/> ihren: nach morschem Leder, Lampeuvl und nassem Stroh duftenden Innern<lb/> noch zwei Passagiere barg, in Bewegung setzte. Eine volle Stunde lang gings<lb/> in gemächlichen Schritte bergan, bis wir kurz vor Hcrhahn die Höhe ^d«r<lb/> Wasserscheide zwischen Nur und Olef erreichten. Inzwischen war es völlig</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0138]
Herbsttage in der Lisel
mattesten Gelb bis zum satten Blau wechselte, und zwar schien der schlechteste
Boden gelbe, der mittelgute getigerte, der beste einfarbig saminctblaue oder
dunkelviolette mit kleinem gelben Stern hervorzubringen.
Der Gemündener Verschönernngsverein hat übrigens sein mögliches gethan,
den Fremden den Besuch des Urftthals und seiner Uferberge bequem zu machen.
Überall ist für treffliche Wege, schöne Aussichtspunkte und Wegweiser ans das
beste gesorgt. Eine Klippe mit besonders schöner Fernsicht ist „Spionskop"
getauft worden, was beweist, daß man den Verzweiflungskampf des armen
Hirtenvolks in Südafrika auch hier zu Lande mit reger Teilnahme verfolgt
hat. Freunden deutscher Waldromantik kann der Kermeterforst nicht genug
empfohlen werden. Man dürfte ihn wochenlang durchwandern, und würde
dennoch immer neue Punkte von hohem landschaftlichen Neiz entdecken. Ein
guter Weg, der die vier Förstereien Wolfgarten I, Wolfgnrten II, Mariawald
und Paulushof miteinander verbindet, zieht sich über den Kamm des etwa
500 Meter hohen Bergrückens dahin. Nach beiden Seiten zweigen sich Wald¬
pfade ab, die fast überall bis zu den Abhängen des Gebirges hinanführcn und
die herrlichste Aussicht in die Thäler der Urft lind Nur bieten. Gemünd
läßt als Ausgangspunkt solcher Wandrungen nichts zu wünschen übrig; es ist
ein Städtchen von holländischer Sauberkeit, was vielleicht in der Abstammung
eines Teils der Bevölkerung von holländischen Emigranten seine Ursache haben
mag. Urft und Olef, die mehrfach überbrückt die Stadt durchzieh» und sich
in deren Mitte vereinigen, beleben das Architekturbild auf das angenehmste
und erhöhen den freundlichen Eindruck, den die schmucken Häuser und der
schöne, mit Bäumen bestandne Marktplatz auf den Besucher machen.
In keiner Gegend unsers deutschen Vaterlands spielt die Post als Per-
svnenbefördcruugsmittel wohl noch eine so bedeutende Rolle wie in der Eifel.
Der Tourist, der für die Romantik der schwerfälligen gelben Kutsche Ver¬
ständnis hat, hat hier täglich Gelegenheit, sich den Neisefreuden unsrer Gro߬
väter hinzugeben und den Komfort der alten guten Zeit am eignen Leibe zu
erproben. Mir war ganz feierlich zu Mute, als ich am Abend des 13. Sep¬
tembers sieben Uhr und zwanzig Minuten den schon am Vormittag bestellte»
und bezahlten Platz auf dem Kutschbocke des ehrwürdigen Vehikels einnahm, um
von Gemünd nach Montjoie zu fahren. Während der Schwager noch das
Gepäck verstände, den Briefbcutel im Kasten nnter seinem Sitze verschloß und
vom Gemiindener Postmeister mit allerlei mündlichen Weisungen und Be¬
stellungen an die Posthnltereien unterwegs ausgerüstet wurde, hatte ich Muße,
mir alles zu vergegenwärtigen, was ich je an ernsten und heitern Postgeschichten
aus älterer und neuerer Zeit gelesen und gehört hatte.
Es begann schon stark zu dämmern, als sich die gelbe Kutsche, die in
ihren: nach morschem Leder, Lampeuvl und nassem Stroh duftenden Innern
noch zwei Passagiere barg, in Bewegung setzte. Eine volle Stunde lang gings
in gemächlichen Schritte bergan, bis wir kurz vor Hcrhahn die Höhe ^d«r
Wasserscheide zwischen Nur und Olef erreichten. Inzwischen war es völlig
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