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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Zur innern Kolonisation in Preußen

teilung häufig gleich gekündigt werden, die Errichtung der Wohn- und Wirt¬
schaftsgebäude für die Ansiedler, die Anlegung von Wegen und Gruben,
Durchlassen, Brunnen, Drainagen usw. erfordert bedeutende Geldaufwcndungcn,
für die ein Ersatz erst nach der Durchführung des Verfahrens gewährt wird.
Diese Summen vorzulegen ist der Verkäufer regelmäßig außer stände. Auch
die Generalkommission hat keine Mittel um der Hand, ihm diese bedeutenden
Betrüge rechtzeitig zu verschaffen; darin liegt der zweite Umstand, der immer
mehr Gutsbesitzer dazu treibt, ihren Besitz im ganzen an gewerbsmäßige Par-
zellanten loszuschlagen.

Die Frage, wie den hervorgehobnen Schwierigkeiten abgeholfen werden
könne, wird von zahlreichen Freunden der innern Kolonisation einfach dahin
beantwortet, daß der Staat eben solche Einrichtungen, wie sie für Westpreußen
und Posen durch die Ansiedlungskommission geschaffen worden sind, auch für
die übrigen östlichen Provinzen treffe" möge. Wenn auch gern zugegeben
werden kaun, daß eine solche Maßregel alle Bedenken gegen die Ausführung
der innern Kolonisation beseitigen könnte, so wird doch der Gedanke aus ent¬
scheidenden finanziellen Rücksichten zunächst nicht auf Verwirklichung rechnen
können. Das ist offenbar auch die Ansicht des Herrn Verfassers des Auf¬
satzes in Ur. 52 svergl. S. 618). Es bleibt also zu untersuche", ob nicht in
andrer Weise die bestehenden Mängel beseitigt werden können.

Nach dem gesagten ist es zunächst nötig, daß eine Stelle geschaffen wird,
die als Kolonisator auftritt, und in gleicher Werfe folgt daraus, daß diese
Stelle mit Geldmitteln ausgestattet sein muß. Der Herr Verfasser glaubt,
daß es zweckmäßig sei, wenn der Staat als höchsteigner Unternehmer und
Finanzmann eingreife, also eine eigne staatliche Ansiedlungsbcmk errichte. Diese
Staatsbank als Zwischenbehörde solle ans dem Reservefonds der Rentenbank
ausgestattet werden und fände ihre Anlehnung zur Ausnutzung von Zwischcn-
kredit und Nentenbriefcu an die schon bestehenden Geueralkommissiouen, die
dann vielleicht einer Umgestaltung entbehren könnten.

Daß das sogenannte Zwischenkreditgesetz zur Förderung der innern Kolo¬
nisation nicht wesentlich beitragen wird, nimmt der Verfasser des Aussatzes in
Ur. 52 von 1899 mit guten Gründen als zweifellos an. Es erfaßt weder
alle die Zwecke, die bei der innern Kolonisation erreicht werden müssen, noch
giebt es zur rechten Zeit dem Kolonisator die nötigen Mittel in die Hand;
das höchste, was es unter Umständen erreichen kann, ist eine gewisse Erleichte¬
rung, die es dem Kolonisator gewährt, indem es die Zeit, für die er sich von
andrer Seite Geld verschaffen muß, etwas abkürzt. Jedenfalls berührt es die
andre Hauptfrage, wer als Kolonisator auftreten soll, in keiner Weise. Es
überläßt die innere Kolonisation ebenso wie seither jedem beliebigen Guts¬
besitzer. Wie sehr dies aber verkehrt ist, ist oben gezeigt worden. Der Herr
Verfasser will nnn einer neuen Staatsbehörde die Rolle des Kolonisators
übertragen. Dagegen spricht aber einmal die allgemeine Abneigung, die gegen
eine Vermehrung von Staatsbehörden überhaupt besteht, und es spricht ferner


Zur innern Kolonisation in Preußen

teilung häufig gleich gekündigt werden, die Errichtung der Wohn- und Wirt¬
schaftsgebäude für die Ansiedler, die Anlegung von Wegen und Gruben,
Durchlassen, Brunnen, Drainagen usw. erfordert bedeutende Geldaufwcndungcn,
für die ein Ersatz erst nach der Durchführung des Verfahrens gewährt wird.
Diese Summen vorzulegen ist der Verkäufer regelmäßig außer stände. Auch
die Generalkommission hat keine Mittel um der Hand, ihm diese bedeutenden
Betrüge rechtzeitig zu verschaffen; darin liegt der zweite Umstand, der immer
mehr Gutsbesitzer dazu treibt, ihren Besitz im ganzen an gewerbsmäßige Par-
zellanten loszuschlagen.

Die Frage, wie den hervorgehobnen Schwierigkeiten abgeholfen werden
könne, wird von zahlreichen Freunden der innern Kolonisation einfach dahin
beantwortet, daß der Staat eben solche Einrichtungen, wie sie für Westpreußen
und Posen durch die Ansiedlungskommission geschaffen worden sind, auch für
die übrigen östlichen Provinzen treffe» möge. Wenn auch gern zugegeben
werden kaun, daß eine solche Maßregel alle Bedenken gegen die Ausführung
der innern Kolonisation beseitigen könnte, so wird doch der Gedanke aus ent¬
scheidenden finanziellen Rücksichten zunächst nicht auf Verwirklichung rechnen
können. Das ist offenbar auch die Ansicht des Herrn Verfassers des Auf¬
satzes in Ur. 52 svergl. S. 618). Es bleibt also zu untersuche», ob nicht in
andrer Weise die bestehenden Mängel beseitigt werden können.

Nach dem gesagten ist es zunächst nötig, daß eine Stelle geschaffen wird,
die als Kolonisator auftritt, und in gleicher Werfe folgt daraus, daß diese
Stelle mit Geldmitteln ausgestattet sein muß. Der Herr Verfasser glaubt,
daß es zweckmäßig sei, wenn der Staat als höchsteigner Unternehmer und
Finanzmann eingreife, also eine eigne staatliche Ansiedlungsbcmk errichte. Diese
Staatsbank als Zwischenbehörde solle ans dem Reservefonds der Rentenbank
ausgestattet werden und fände ihre Anlehnung zur Ausnutzung von Zwischcn-
kredit und Nentenbriefcu an die schon bestehenden Geueralkommissiouen, die
dann vielleicht einer Umgestaltung entbehren könnten.

Daß das sogenannte Zwischenkreditgesetz zur Förderung der innern Kolo¬
nisation nicht wesentlich beitragen wird, nimmt der Verfasser des Aussatzes in
Ur. 52 von 1899 mit guten Gründen als zweifellos an. Es erfaßt weder
alle die Zwecke, die bei der innern Kolonisation erreicht werden müssen, noch
giebt es zur rechten Zeit dem Kolonisator die nötigen Mittel in die Hand;
das höchste, was es unter Umständen erreichen kann, ist eine gewisse Erleichte¬
rung, die es dem Kolonisator gewährt, indem es die Zeit, für die er sich von
andrer Seite Geld verschaffen muß, etwas abkürzt. Jedenfalls berührt es die
andre Hauptfrage, wer als Kolonisator auftreten soll, in keiner Weise. Es
überläßt die innere Kolonisation ebenso wie seither jedem beliebigen Guts¬
besitzer. Wie sehr dies aber verkehrt ist, ist oben gezeigt worden. Der Herr
Verfasser will nnn einer neuen Staatsbehörde die Rolle des Kolonisators
übertragen. Dagegen spricht aber einmal die allgemeine Abneigung, die gegen
eine Vermehrung von Staatsbehörden überhaupt besteht, und es spricht ferner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/130>, abgerufen am 01.07.2024.