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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Franzosen, Niederländer, Deutsche ihre Waren aus, hier wurden die Zahluugs-
Verbindlichkeiten abgewickelt. Als die Champagne in Abhängigkeit von dein
Franzosenkönig Philipp dem Schönen geriet, brachte dieser durch seine gewalt¬
thätigen Eingriffe die Messen herunter. Er erhöhte die Meßabgaben, hob den
Meßzwang auf, mißhandelte italienische Kaufleute und ruinierte die Wollen¬
industrie der Champagner durch Steuer"; auch hier nämlich war die Handcls-
größe von der Eigenproduktion ausgegangen. Ans Kosten der Champagner
hob sich der französische Kanfmannstand, blühten die Messen zu Genf und
Lyon auf. Der Weltverkehr aber zog sich nach den Niederlanden hin, und
Brügge wurde die erste Handelsstadt nach modernem Zuschnitt: eine Stadt,
wo alle 365 Tage im Jahre Messe war, ein beständiger Warenumschlag statt¬
fand, und wo auch die erste Weltbörse entstand; nach nur kurzer Blüte wurde
Brügge vou Antwerpen abgelöst. Zugleich kamen nördlich und südlich der
Alpen andre Meßplätze empor: in Deutschland besonders Frankfurt, das sich
bis heute behauptet hat, in Italien u. n. Cream und Aroma. Während sich
in Frankreich und den Niederlanden allmählich eine bewußt und planmäßig
geleitete Handelspolitik zeigte, konnte in dem mehr und mehr der Territorial¬
wirtschaft verfallenden Deutschland davon keine Rede sein. Kaiser Sigmund
hat versucht, den Handel Venedigs zu vernichten und einen unmittelbaren
Verkehr mit dem Orient ans dem Wege über Ungarn herzustellen, es ist ihm
aber nicht gelungen. Im übrigen that, von den Raubrittern und räuberischen
Fürsten zu schweigen, jede Stadt ihr bestes, die Konkurrentinnen dnrch Zölle,
durch Erwerb von Stapelrechten und andern Privilegien z" schädigen. Die
Zahl der Rheinzölle belief sich auf etwa sechzig, und ein Engländer, der im
Gefolge des Königs Richard (von Cornwallis) nach Deutschland kam, konnte
sich nicht genug über diese kuriosu, Isawuivoruiri insani-z, wundern. Aller
Erfolg hing ausschließlich von der persönlichen Tüchtigkeit der Kaufleute ab
und von der Schlauheit, mit der die vou den Obrigkeiten aufgetürmten Hinder¬
nisse durchbrochen oder umgangen wurden. Gegen Unfreundlichkeiten des Aus¬
landes half man sich teils durch Repressalien, teils dadurch, dnß man sich am
fremden Ort einen dortigen Bürger zum Jo8p0", et'tensor und >äöx bestellte;
so ist das Konsulatwescn entstanden; zuerst in Genua werden Konsuln der
Deutschen erwähnt.

Die persönliche Begleitung der Wcirenzüge, das dafür nötige Aufgebot
von Menschen und die bei dem Mangel an Transportmistalten unentbehrlichen
Kvmmanditen und Faktoreien brachten die Handeltreibenden der verschiednen
Länder einander ganz anders nahe als heute, wo der größte Teil der Geschäfte
durch bloße Korrespondenz erledigt wird, und der Kaufmann sich um den Trans¬
port gar nicht zu kümmern braucht. Wie häusig damals Italiener nach
Deutschland und den Niederlanden gekommen sind, und wie viele sich hier
dauernd niedergelassen haben, bezeugen die bei uus häufigen italienischen
Familiennamen. Interessant ist es, die Niederlassungen von Deutschen in
Italien zu verfolgen, über die Schulte Nachrichten gesammelt hat. Im Ge


Franzosen, Niederländer, Deutsche ihre Waren aus, hier wurden die Zahluugs-
Verbindlichkeiten abgewickelt. Als die Champagne in Abhängigkeit von dein
Franzosenkönig Philipp dem Schönen geriet, brachte dieser durch seine gewalt¬
thätigen Eingriffe die Messen herunter. Er erhöhte die Meßabgaben, hob den
Meßzwang auf, mißhandelte italienische Kaufleute und ruinierte die Wollen¬
industrie der Champagner durch Steuer«; auch hier nämlich war die Handcls-
größe von der Eigenproduktion ausgegangen. Ans Kosten der Champagner
hob sich der französische Kanfmannstand, blühten die Messen zu Genf und
Lyon auf. Der Weltverkehr aber zog sich nach den Niederlanden hin, und
Brügge wurde die erste Handelsstadt nach modernem Zuschnitt: eine Stadt,
wo alle 365 Tage im Jahre Messe war, ein beständiger Warenumschlag statt¬
fand, und wo auch die erste Weltbörse entstand; nach nur kurzer Blüte wurde
Brügge vou Antwerpen abgelöst. Zugleich kamen nördlich und südlich der
Alpen andre Meßplätze empor: in Deutschland besonders Frankfurt, das sich
bis heute behauptet hat, in Italien u. n. Cream und Aroma. Während sich
in Frankreich und den Niederlanden allmählich eine bewußt und planmäßig
geleitete Handelspolitik zeigte, konnte in dem mehr und mehr der Territorial¬
wirtschaft verfallenden Deutschland davon keine Rede sein. Kaiser Sigmund
hat versucht, den Handel Venedigs zu vernichten und einen unmittelbaren
Verkehr mit dem Orient ans dem Wege über Ungarn herzustellen, es ist ihm
aber nicht gelungen. Im übrigen that, von den Raubrittern und räuberischen
Fürsten zu schweigen, jede Stadt ihr bestes, die Konkurrentinnen dnrch Zölle,
durch Erwerb von Stapelrechten und andern Privilegien z» schädigen. Die
Zahl der Rheinzölle belief sich auf etwa sechzig, und ein Engländer, der im
Gefolge des Königs Richard (von Cornwallis) nach Deutschland kam, konnte
sich nicht genug über diese kuriosu, Isawuivoruiri insani-z, wundern. Aller
Erfolg hing ausschließlich von der persönlichen Tüchtigkeit der Kaufleute ab
und von der Schlauheit, mit der die vou den Obrigkeiten aufgetürmten Hinder¬
nisse durchbrochen oder umgangen wurden. Gegen Unfreundlichkeiten des Aus¬
landes half man sich teils durch Repressalien, teils dadurch, dnß man sich am
fremden Ort einen dortigen Bürger zum Jo8p0», et'tensor und >äöx bestellte;
so ist das Konsulatwescn entstanden; zuerst in Genua werden Konsuln der
Deutschen erwähnt.

Die persönliche Begleitung der Wcirenzüge, das dafür nötige Aufgebot
von Menschen und die bei dem Mangel an Transportmistalten unentbehrlichen
Kvmmanditen und Faktoreien brachten die Handeltreibenden der verschiednen
Länder einander ganz anders nahe als heute, wo der größte Teil der Geschäfte
durch bloße Korrespondenz erledigt wird, und der Kaufmann sich um den Trans¬
port gar nicht zu kümmern braucht. Wie häusig damals Italiener nach
Deutschland und den Niederlanden gekommen sind, und wie viele sich hier
dauernd niedergelassen haben, bezeugen die bei uus häufigen italienischen
Familiennamen. Interessant ist es, die Niederlassungen von Deutschen in
Italien zu verfolgen, über die Schulte Nachrichten gesammelt hat. Im Ge


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[0117] Franzosen, Niederländer, Deutsche ihre Waren aus, hier wurden die Zahluugs- Verbindlichkeiten abgewickelt. Als die Champagne in Abhängigkeit von dein Franzosenkönig Philipp dem Schönen geriet, brachte dieser durch seine gewalt¬ thätigen Eingriffe die Messen herunter. Er erhöhte die Meßabgaben, hob den Meßzwang auf, mißhandelte italienische Kaufleute und ruinierte die Wollen¬ industrie der Champagner durch Steuer«; auch hier nämlich war die Handcls- größe von der Eigenproduktion ausgegangen. Ans Kosten der Champagner hob sich der französische Kanfmannstand, blühten die Messen zu Genf und Lyon auf. Der Weltverkehr aber zog sich nach den Niederlanden hin, und Brügge wurde die erste Handelsstadt nach modernem Zuschnitt: eine Stadt, wo alle 365 Tage im Jahre Messe war, ein beständiger Warenumschlag statt¬ fand, und wo auch die erste Weltbörse entstand; nach nur kurzer Blüte wurde Brügge vou Antwerpen abgelöst. Zugleich kamen nördlich und südlich der Alpen andre Meßplätze empor: in Deutschland besonders Frankfurt, das sich bis heute behauptet hat, in Italien u. n. Cream und Aroma. Während sich in Frankreich und den Niederlanden allmählich eine bewußt und planmäßig geleitete Handelspolitik zeigte, konnte in dem mehr und mehr der Territorial¬ wirtschaft verfallenden Deutschland davon keine Rede sein. Kaiser Sigmund hat versucht, den Handel Venedigs zu vernichten und einen unmittelbaren Verkehr mit dem Orient ans dem Wege über Ungarn herzustellen, es ist ihm aber nicht gelungen. Im übrigen that, von den Raubrittern und räuberischen Fürsten zu schweigen, jede Stadt ihr bestes, die Konkurrentinnen dnrch Zölle, durch Erwerb von Stapelrechten und andern Privilegien z» schädigen. Die Zahl der Rheinzölle belief sich auf etwa sechzig, und ein Engländer, der im Gefolge des Königs Richard (von Cornwallis) nach Deutschland kam, konnte sich nicht genug über diese kuriosu, Isawuivoruiri insani-z, wundern. Aller Erfolg hing ausschließlich von der persönlichen Tüchtigkeit der Kaufleute ab und von der Schlauheit, mit der die vou den Obrigkeiten aufgetürmten Hinder¬ nisse durchbrochen oder umgangen wurden. Gegen Unfreundlichkeiten des Aus¬ landes half man sich teils durch Repressalien, teils dadurch, dnß man sich am fremden Ort einen dortigen Bürger zum Jo8p0», et'tensor und >äöx bestellte; so ist das Konsulatwescn entstanden; zuerst in Genua werden Konsuln der Deutschen erwähnt. Die persönliche Begleitung der Wcirenzüge, das dafür nötige Aufgebot von Menschen und die bei dem Mangel an Transportmistalten unentbehrlichen Kvmmanditen und Faktoreien brachten die Handeltreibenden der verschiednen Länder einander ganz anders nahe als heute, wo der größte Teil der Geschäfte durch bloße Korrespondenz erledigt wird, und der Kaufmann sich um den Trans¬ port gar nicht zu kümmern braucht. Wie häusig damals Italiener nach Deutschland und den Niederlanden gekommen sind, und wie viele sich hier dauernd niedergelassen haben, bezeugen die bei uus häufigen italienischen Familiennamen. Interessant ist es, die Niederlassungen von Deutschen in Italien zu verfolgen, über die Schulte Nachrichten gesammelt hat. Im Ge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/117>, abgerufen am 24.07.2024.