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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

daß Tolstoi zur Verurteilung der europäischen Zivilisation gelangte. In einem
schweren Irrtum ist er aber, wenn er glaubt, die Rückkehr der Reichen und Ge¬
bildeten zur Natur, wie er sie versteht, zum bedürfnislosen Leben des russischen
Bauern, werde die sozialen Übel lindern. Wenn er meint, der russische Bauer sei
darum elend, weil ihn die Reichen beraubten, so hat er ja Recht; aber in Nord¬
amerika giebt es eine weit größere Zahl von Reichen als in Rußland, und ihre
Reichtümer übersteigen bei weitem die der russischen Fürsten, trotzdem aber giebt
es dort auch einen zahlreichen Mittelstand, der in Rußland ganz fehlt, und die
amerikanischen Arbeiter beziehn einen vier- bis zehnmal so hohen Reallohn als die
russischen. Elend giebt es seit fünfzig Jahren auch in den Vereinigten Staaten,
aber nicht infolge der Zivilisation, sondern infolge der stärkern Menschenanhäufung,
und nicht entfernt in dem Maße und Grade wie in Rußland. Tolstoi hat auch
Recht, wenn er die russischen WolMMgkeitsveranstaltnngen verspottet; die kommen
ihm vor, wie wenn der Säugling die Amme ernähren wolle, lebten doch die Reichen
bloß von der Arbeit der Armen. Wo, wie in Rußland, die Reichen und die Be¬
amten nichts sind als teils unnütze teils schädliche Schmarotzer, da trifft das
Gleichnis zu. Aber wo, wie in den meisten Ländern Westeuropas und in Nord¬
amerika, die Reichen und die Beamten, zu einem großen Teil wenigstens, durch
nützliche Thätigkeit die Handarbeit des Bauern und des Lohnarbeiters produktiver
machen, da fallen Säugling und Säugamme in eins zusammen, d. h. jeder lebt
von der Nationalproduktivn, zu der er selbst seinen Teil beiträgt, wobei es ja
immerhin, da diese Welt nun einmal unvollkommen ist, vorkommen mag, daß sein
Anteil am Nationalprodnkt, den er als Einkommen bezieht, größer oder kleiner ist
als der Teil, den er dazu beiträgt. Und wenn bei uns auch der Anteil der
Ärmsten in bescheidnen Maße wächst und jedenfalls größer ausfällt als der des
russischen Muschik, so haben wir das eben der durch die geistige Arbeit der höhern
und der Mittelstände gesteigerten Zivilisation zu verdauten. Ja, ohne diese würden
wir auch keinen Tolstoi haben, denn in der Natur, die er preist, wachsen die feinen
Gedanken und Empfindungen nicht, die er hegt; er gesteht selbst zu, daß der
russische Bauer, wenn auch besser als der russische Hofmann, doch weit entfernt ist
von der Überwindung des Tierischen und von dem Leben in Gott, die das wahre
Christentum fordert; die feinsten Blüten des geistigen, auch des religiösen Lebens
wachsen nur an dem Baume höherer Kultur, der in dem Streben nach materiellem
Wohlstand wurzelt. Auch Tolstois Anarchismus kann nicht in Verwundrung setzen.
Vor der Einführung der allgemeinen Dienstpflicht kannte der Muschik keinen Staat
und lebte thatsächlich aiiarchisch; die einzigen gesellschaftlichen Bänder, die ihn
fesselten, waren die Familie, eine halb kommunistisch organisierte Gemeinde und die
dem Gutsherrn schuldige Fron, die unter Umständen wenig drückend sein mochte.
Die einzigen Gestalten, in denen die Muschiks seitdem den Staat haben kennen
lernen, sind die Rekrutenausheber und die Steuerausprügler, und diese erscheinen
ihnen als Verkörperungen des bösen Geistes. So hat sich bei edeln und^ gefühl¬
vollen Menschen, wie Tolstoi und der Fürst Krapotkin welche sind, die Meinung
gebildet, alle gesellschaftlichen Übel gingen aus dem Staate hervor, und soweit es
auf diesen ankomme, könnten gute Menschen nirgend anderswo mehr vorkommen
als im Zuchthause und in Sibirien. (Tolstois heftigste Anklageschrift gegen den
Staat: "Patriotismus und Regierung" ist kürzlich deutsch bei Eugen Diederichs in
Leipzig erschienen.)

Trotz dieser in der russischen Nationalität wurzelnden Einseitigkeit und seiner
großen Irrtümer bleibt aber Tolstoi ein Wohlthäter der Menschheit und ein
Prophet, der nicht bloß zu deu Russen gesandt ist. Die Bergpredigt ist nicht, wie
Tolstoi glaubt, das ganze Christentum, aber sie ist ein wesentlicher Bestandteil des


Maßgebliches und Unmaßgebliches

daß Tolstoi zur Verurteilung der europäischen Zivilisation gelangte. In einem
schweren Irrtum ist er aber, wenn er glaubt, die Rückkehr der Reichen und Ge¬
bildeten zur Natur, wie er sie versteht, zum bedürfnislosen Leben des russischen
Bauern, werde die sozialen Übel lindern. Wenn er meint, der russische Bauer sei
darum elend, weil ihn die Reichen beraubten, so hat er ja Recht; aber in Nord¬
amerika giebt es eine weit größere Zahl von Reichen als in Rußland, und ihre
Reichtümer übersteigen bei weitem die der russischen Fürsten, trotzdem aber giebt
es dort auch einen zahlreichen Mittelstand, der in Rußland ganz fehlt, und die
amerikanischen Arbeiter beziehn einen vier- bis zehnmal so hohen Reallohn als die
russischen. Elend giebt es seit fünfzig Jahren auch in den Vereinigten Staaten,
aber nicht infolge der Zivilisation, sondern infolge der stärkern Menschenanhäufung,
und nicht entfernt in dem Maße und Grade wie in Rußland. Tolstoi hat auch
Recht, wenn er die russischen WolMMgkeitsveranstaltnngen verspottet; die kommen
ihm vor, wie wenn der Säugling die Amme ernähren wolle, lebten doch die Reichen
bloß von der Arbeit der Armen. Wo, wie in Rußland, die Reichen und die Be¬
amten nichts sind als teils unnütze teils schädliche Schmarotzer, da trifft das
Gleichnis zu. Aber wo, wie in den meisten Ländern Westeuropas und in Nord¬
amerika, die Reichen und die Beamten, zu einem großen Teil wenigstens, durch
nützliche Thätigkeit die Handarbeit des Bauern und des Lohnarbeiters produktiver
machen, da fallen Säugling und Säugamme in eins zusammen, d. h. jeder lebt
von der Nationalproduktivn, zu der er selbst seinen Teil beiträgt, wobei es ja
immerhin, da diese Welt nun einmal unvollkommen ist, vorkommen mag, daß sein
Anteil am Nationalprodnkt, den er als Einkommen bezieht, größer oder kleiner ist
als der Teil, den er dazu beiträgt. Und wenn bei uns auch der Anteil der
Ärmsten in bescheidnen Maße wächst und jedenfalls größer ausfällt als der des
russischen Muschik, so haben wir das eben der durch die geistige Arbeit der höhern
und der Mittelstände gesteigerten Zivilisation zu verdauten. Ja, ohne diese würden
wir auch keinen Tolstoi haben, denn in der Natur, die er preist, wachsen die feinen
Gedanken und Empfindungen nicht, die er hegt; er gesteht selbst zu, daß der
russische Bauer, wenn auch besser als der russische Hofmann, doch weit entfernt ist
von der Überwindung des Tierischen und von dem Leben in Gott, die das wahre
Christentum fordert; die feinsten Blüten des geistigen, auch des religiösen Lebens
wachsen nur an dem Baume höherer Kultur, der in dem Streben nach materiellem
Wohlstand wurzelt. Auch Tolstois Anarchismus kann nicht in Verwundrung setzen.
Vor der Einführung der allgemeinen Dienstpflicht kannte der Muschik keinen Staat
und lebte thatsächlich aiiarchisch; die einzigen gesellschaftlichen Bänder, die ihn
fesselten, waren die Familie, eine halb kommunistisch organisierte Gemeinde und die
dem Gutsherrn schuldige Fron, die unter Umständen wenig drückend sein mochte.
Die einzigen Gestalten, in denen die Muschiks seitdem den Staat haben kennen
lernen, sind die Rekrutenausheber und die Steuerausprügler, und diese erscheinen
ihnen als Verkörperungen des bösen Geistes. So hat sich bei edeln und^ gefühl¬
vollen Menschen, wie Tolstoi und der Fürst Krapotkin welche sind, die Meinung
gebildet, alle gesellschaftlichen Übel gingen aus dem Staate hervor, und soweit es
auf diesen ankomme, könnten gute Menschen nirgend anderswo mehr vorkommen
als im Zuchthause und in Sibirien. (Tolstois heftigste Anklageschrift gegen den
Staat: „Patriotismus und Regierung" ist kürzlich deutsch bei Eugen Diederichs in
Leipzig erschienen.)

Trotz dieser in der russischen Nationalität wurzelnden Einseitigkeit und seiner
großen Irrtümer bleibt aber Tolstoi ein Wohlthäter der Menschheit und ein
Prophet, der nicht bloß zu deu Russen gesandt ist. Die Bergpredigt ist nicht, wie
Tolstoi glaubt, das ganze Christentum, aber sie ist ein wesentlicher Bestandteil des


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[0107] Maßgebliches und Unmaßgebliches daß Tolstoi zur Verurteilung der europäischen Zivilisation gelangte. In einem schweren Irrtum ist er aber, wenn er glaubt, die Rückkehr der Reichen und Ge¬ bildeten zur Natur, wie er sie versteht, zum bedürfnislosen Leben des russischen Bauern, werde die sozialen Übel lindern. Wenn er meint, der russische Bauer sei darum elend, weil ihn die Reichen beraubten, so hat er ja Recht; aber in Nord¬ amerika giebt es eine weit größere Zahl von Reichen als in Rußland, und ihre Reichtümer übersteigen bei weitem die der russischen Fürsten, trotzdem aber giebt es dort auch einen zahlreichen Mittelstand, der in Rußland ganz fehlt, und die amerikanischen Arbeiter beziehn einen vier- bis zehnmal so hohen Reallohn als die russischen. Elend giebt es seit fünfzig Jahren auch in den Vereinigten Staaten, aber nicht infolge der Zivilisation, sondern infolge der stärkern Menschenanhäufung, und nicht entfernt in dem Maße und Grade wie in Rußland. Tolstoi hat auch Recht, wenn er die russischen WolMMgkeitsveranstaltnngen verspottet; die kommen ihm vor, wie wenn der Säugling die Amme ernähren wolle, lebten doch die Reichen bloß von der Arbeit der Armen. Wo, wie in Rußland, die Reichen und die Be¬ amten nichts sind als teils unnütze teils schädliche Schmarotzer, da trifft das Gleichnis zu. Aber wo, wie in den meisten Ländern Westeuropas und in Nord¬ amerika, die Reichen und die Beamten, zu einem großen Teil wenigstens, durch nützliche Thätigkeit die Handarbeit des Bauern und des Lohnarbeiters produktiver machen, da fallen Säugling und Säugamme in eins zusammen, d. h. jeder lebt von der Nationalproduktivn, zu der er selbst seinen Teil beiträgt, wobei es ja immerhin, da diese Welt nun einmal unvollkommen ist, vorkommen mag, daß sein Anteil am Nationalprodnkt, den er als Einkommen bezieht, größer oder kleiner ist als der Teil, den er dazu beiträgt. Und wenn bei uns auch der Anteil der Ärmsten in bescheidnen Maße wächst und jedenfalls größer ausfällt als der des russischen Muschik, so haben wir das eben der durch die geistige Arbeit der höhern und der Mittelstände gesteigerten Zivilisation zu verdauten. Ja, ohne diese würden wir auch keinen Tolstoi haben, denn in der Natur, die er preist, wachsen die feinen Gedanken und Empfindungen nicht, die er hegt; er gesteht selbst zu, daß der russische Bauer, wenn auch besser als der russische Hofmann, doch weit entfernt ist von der Überwindung des Tierischen und von dem Leben in Gott, die das wahre Christentum fordert; die feinsten Blüten des geistigen, auch des religiösen Lebens wachsen nur an dem Baume höherer Kultur, der in dem Streben nach materiellem Wohlstand wurzelt. Auch Tolstois Anarchismus kann nicht in Verwundrung setzen. Vor der Einführung der allgemeinen Dienstpflicht kannte der Muschik keinen Staat und lebte thatsächlich aiiarchisch; die einzigen gesellschaftlichen Bänder, die ihn fesselten, waren die Familie, eine halb kommunistisch organisierte Gemeinde und die dem Gutsherrn schuldige Fron, die unter Umständen wenig drückend sein mochte. Die einzigen Gestalten, in denen die Muschiks seitdem den Staat haben kennen lernen, sind die Rekrutenausheber und die Steuerausprügler, und diese erscheinen ihnen als Verkörperungen des bösen Geistes. So hat sich bei edeln und^ gefühl¬ vollen Menschen, wie Tolstoi und der Fürst Krapotkin welche sind, die Meinung gebildet, alle gesellschaftlichen Übel gingen aus dem Staate hervor, und soweit es auf diesen ankomme, könnten gute Menschen nirgend anderswo mehr vorkommen als im Zuchthause und in Sibirien. (Tolstois heftigste Anklageschrift gegen den Staat: „Patriotismus und Regierung" ist kürzlich deutsch bei Eugen Diederichs in Leipzig erschienen.) Trotz dieser in der russischen Nationalität wurzelnden Einseitigkeit und seiner großen Irrtümer bleibt aber Tolstoi ein Wohlthäter der Menschheit und ein Prophet, der nicht bloß zu deu Russen gesandt ist. Die Bergpredigt ist nicht, wie Tolstoi glaubt, das ganze Christentum, aber sie ist ein wesentlicher Bestandteil des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/107>, abgerufen am 29.06.2024.