Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Dreimal gefunden

Draußen und drinnen sah es einsam aus, und es war uicht gerade Wohl¬
habenheit zu bemerken, aber das ging ja Asmund nichts an. Wenn er nur sein
Geld für die Fische bekam, so konnte der Besitzer seinetwegen gern Hof und Felder
vernachlässigen, so viel es ihm beliebte.

Während dieser Betrachtung hatte der Kaufmann die Stube verlassen, um
seineu häuslichen Angelegenheiten nachzugehn, und kam davon mit einem feuerroten
Gesicht wieder herein.

Ich habe ein ausgezeichnetes Frauenzimmer zur Bedienung, sagte er. Aber
sie will der Herr im Hanse sein. Fast noch nie habe ich ein so schönes Mädchen
hier herum gesehen, und wäre es uicht der Leute wegen, machte ich sie wahrhaftig
zu meiner Frau.

Was hindert Sie dem? dcirau?

Ach, sie ist sehr merkwürdig! Schon als kleines Kind hat sie ihre Eltern
verloren, sodaß sie sich durchbetteln mußte, aber durch ist sie gekommen. Zuletzt
war sie in Trondhjem, um die bessere Haushaltung zu lernen, und danach kam sie
hierher. In der Zwischenzeit ist sie auch auf Fische gerudert, wie es heißt, und
da ich ein wohlkonditionierter Mann bin, so werden Sie begreifen, daß ich mich
besinnen muß.

Asmund saß ganz starr und stumm mit der erloschnen Pfeife im Munde da.
Sie war es. Es konnte ja niemand anders sein!

Will sie denn auch Sie haben? fragte er mit heiserer Stimme.

Ach du lieber Gott! -- Wenn ich nur wollte, dann wäre die Sache bald in
Ordnung. Da ist sie! sagte er dann, als sich rasche Schritte auf dem Söllergang
hören ließen. Nun müssen Sie sie genau betrachten -- und er sprang auf, um
die Thür zu öffnen.

Und herein trat Ragna, ein mit Flaschen und Gläsern gefülltes Brett in der
Hund. Groß und schlank, rot und weiß, die dicken Zöpfe in einem Kranz über
den Nacken aufgesteckt, trat sie in einem hellen Sommerkleid so sicher und leicht
auf, als ob sie ihr Leben laug in Reichtum und in gebildeter Umgebung zu¬
gebracht hätte.

Asmund schwindelte der Kopf, er schloß die Augen.

Nein, nun müssen Sie bet Gott die Augen ausmachen! rief der Kaufmann
lachend. Nun, was sagen Sie dazu? fragte er und strich dem Mädchen mit dem
Rücken seiner Hand über die Wange.

Es wurde aber gar nichts gesagt, denn in demselben Augenblick schleuderte
Nagna heftig seine Hand weg und verlies; rasch das Zimmer. Aber von der
Thür ans warf sie Asmund, der noch immer ganz verwirrt dreinschaute, einen fast
drohenden Blick zu.

Ja, so ist sie, sagte der Kaufmann und lachte. Es ist uicht das erste mal, daß
ich was auf die Finger bekomme.

Sobald als möglich brach Asmund auf und wanderte mit schwere" Schritten
zu seinem Schiff zurück. Hier ließ er deu Schiffsjungen in seine Koje kriechen; er
selbst setzte sich, den Rücken dem Laude zugewandt, aufs Verdeck und schaute mutlos
auf das Meer hinaus.

(Fortsetzung folgt)




Dreimal gefunden

Draußen und drinnen sah es einsam aus, und es war uicht gerade Wohl¬
habenheit zu bemerken, aber das ging ja Asmund nichts an. Wenn er nur sein
Geld für die Fische bekam, so konnte der Besitzer seinetwegen gern Hof und Felder
vernachlässigen, so viel es ihm beliebte.

Während dieser Betrachtung hatte der Kaufmann die Stube verlassen, um
seineu häuslichen Angelegenheiten nachzugehn, und kam davon mit einem feuerroten
Gesicht wieder herein.

Ich habe ein ausgezeichnetes Frauenzimmer zur Bedienung, sagte er. Aber
sie will der Herr im Hanse sein. Fast noch nie habe ich ein so schönes Mädchen
hier herum gesehen, und wäre es uicht der Leute wegen, machte ich sie wahrhaftig
zu meiner Frau.

Was hindert Sie dem? dcirau?

Ach, sie ist sehr merkwürdig! Schon als kleines Kind hat sie ihre Eltern
verloren, sodaß sie sich durchbetteln mußte, aber durch ist sie gekommen. Zuletzt
war sie in Trondhjem, um die bessere Haushaltung zu lernen, und danach kam sie
hierher. In der Zwischenzeit ist sie auch auf Fische gerudert, wie es heißt, und
da ich ein wohlkonditionierter Mann bin, so werden Sie begreifen, daß ich mich
besinnen muß.

Asmund saß ganz starr und stumm mit der erloschnen Pfeife im Munde da.
Sie war es. Es konnte ja niemand anders sein!

Will sie denn auch Sie haben? fragte er mit heiserer Stimme.

Ach du lieber Gott! — Wenn ich nur wollte, dann wäre die Sache bald in
Ordnung. Da ist sie! sagte er dann, als sich rasche Schritte auf dem Söllergang
hören ließen. Nun müssen Sie sie genau betrachten — und er sprang auf, um
die Thür zu öffnen.

Und herein trat Ragna, ein mit Flaschen und Gläsern gefülltes Brett in der
Hund. Groß und schlank, rot und weiß, die dicken Zöpfe in einem Kranz über
den Nacken aufgesteckt, trat sie in einem hellen Sommerkleid so sicher und leicht
auf, als ob sie ihr Leben laug in Reichtum und in gebildeter Umgebung zu¬
gebracht hätte.

Asmund schwindelte der Kopf, er schloß die Augen.

Nein, nun müssen Sie bet Gott die Augen ausmachen! rief der Kaufmann
lachend. Nun, was sagen Sie dazu? fragte er und strich dem Mädchen mit dem
Rücken seiner Hand über die Wange.

Es wurde aber gar nichts gesagt, denn in demselben Augenblick schleuderte
Nagna heftig seine Hand weg und verlies; rasch das Zimmer. Aber von der
Thür ans warf sie Asmund, der noch immer ganz verwirrt dreinschaute, einen fast
drohenden Blick zu.

Ja, so ist sie, sagte der Kaufmann und lachte. Es ist uicht das erste mal, daß
ich was auf die Finger bekomme.

Sobald als möglich brach Asmund auf und wanderte mit schwere» Schritten
zu seinem Schiff zurück. Hier ließ er deu Schiffsjungen in seine Koje kriechen; er
selbst setzte sich, den Rücken dem Laude zugewandt, aufs Verdeck und schaute mutlos
auf das Meer hinaus.

(Fortsetzung folgt)




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291135"/>
          <fw type="header" place="top"> Dreimal gefunden</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_211"> Draußen und drinnen sah es einsam aus, und es war uicht gerade Wohl¬<lb/>
habenheit zu bemerken, aber das ging ja Asmund nichts an. Wenn er nur sein<lb/>
Geld für die Fische bekam, so konnte der Besitzer seinetwegen gern Hof und Felder<lb/>
vernachlässigen, so viel es ihm beliebte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_212"> Während dieser Betrachtung hatte der Kaufmann die Stube verlassen, um<lb/>
seineu häuslichen Angelegenheiten nachzugehn, und kam davon mit einem feuerroten<lb/>
Gesicht wieder herein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_213"> Ich habe ein ausgezeichnetes Frauenzimmer zur Bedienung, sagte er. Aber<lb/>
sie will der Herr im Hanse sein. Fast noch nie habe ich ein so schönes Mädchen<lb/>
hier herum gesehen, und wäre es uicht der Leute wegen, machte ich sie wahrhaftig<lb/>
zu meiner Frau.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_214"> Was hindert Sie dem? dcirau?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_215"> Ach, sie ist sehr merkwürdig! Schon als kleines Kind hat sie ihre Eltern<lb/>
verloren, sodaß sie sich durchbetteln mußte, aber durch ist sie gekommen. Zuletzt<lb/>
war sie in Trondhjem, um die bessere Haushaltung zu lernen, und danach kam sie<lb/>
hierher. In der Zwischenzeit ist sie auch auf Fische gerudert, wie es heißt, und<lb/>
da ich ein wohlkonditionierter Mann bin, so werden Sie begreifen, daß ich mich<lb/>
besinnen muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_216"> Asmund saß ganz starr und stumm mit der erloschnen Pfeife im Munde da.<lb/>
Sie war es.  Es konnte ja niemand anders sein!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_217"> Will sie denn auch Sie haben? fragte er mit heiserer Stimme.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_218"> Ach du lieber Gott! &#x2014; Wenn ich nur wollte, dann wäre die Sache bald in<lb/>
Ordnung. Da ist sie! sagte er dann, als sich rasche Schritte auf dem Söllergang<lb/>
hören ließen. Nun müssen Sie sie genau betrachten &#x2014; und er sprang auf, um<lb/>
die Thür zu öffnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_219"> Und herein trat Ragna, ein mit Flaschen und Gläsern gefülltes Brett in der<lb/>
Hund. Groß und schlank, rot und weiß, die dicken Zöpfe in einem Kranz über<lb/>
den Nacken aufgesteckt, trat sie in einem hellen Sommerkleid so sicher und leicht<lb/>
auf, als ob sie ihr Leben laug in Reichtum und in gebildeter Umgebung zu¬<lb/>
gebracht hätte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_220"> Asmund schwindelte der Kopf, er schloß die Augen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_221"> Nein, nun müssen Sie bet Gott die Augen ausmachen! rief der Kaufmann<lb/>
lachend. Nun, was sagen Sie dazu? fragte er und strich dem Mädchen mit dem<lb/>
Rücken seiner Hand über die Wange.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_222"> Es wurde aber gar nichts gesagt, denn in demselben Augenblick schleuderte<lb/>
Nagna heftig seine Hand weg und verlies; rasch das Zimmer. Aber von der<lb/>
Thür ans warf sie Asmund, der noch immer ganz verwirrt dreinschaute, einen fast<lb/>
drohenden Blick zu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_223"> Ja, so ist sie, sagte der Kaufmann und lachte. Es ist uicht das erste mal, daß<lb/>
ich was auf die Finger bekomme.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_224"> Sobald als möglich brach Asmund auf und wanderte mit schwere» Schritten<lb/>
zu seinem Schiff zurück. Hier ließ er deu Schiffsjungen in seine Koje kriechen; er<lb/>
selbst setzte sich, den Rücken dem Laude zugewandt, aufs Verdeck und schaute mutlos<lb/>
auf das Meer hinaus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_225"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] Dreimal gefunden Draußen und drinnen sah es einsam aus, und es war uicht gerade Wohl¬ habenheit zu bemerken, aber das ging ja Asmund nichts an. Wenn er nur sein Geld für die Fische bekam, so konnte der Besitzer seinetwegen gern Hof und Felder vernachlässigen, so viel es ihm beliebte. Während dieser Betrachtung hatte der Kaufmann die Stube verlassen, um seineu häuslichen Angelegenheiten nachzugehn, und kam davon mit einem feuerroten Gesicht wieder herein. Ich habe ein ausgezeichnetes Frauenzimmer zur Bedienung, sagte er. Aber sie will der Herr im Hanse sein. Fast noch nie habe ich ein so schönes Mädchen hier herum gesehen, und wäre es uicht der Leute wegen, machte ich sie wahrhaftig zu meiner Frau. Was hindert Sie dem? dcirau? Ach, sie ist sehr merkwürdig! Schon als kleines Kind hat sie ihre Eltern verloren, sodaß sie sich durchbetteln mußte, aber durch ist sie gekommen. Zuletzt war sie in Trondhjem, um die bessere Haushaltung zu lernen, und danach kam sie hierher. In der Zwischenzeit ist sie auch auf Fische gerudert, wie es heißt, und da ich ein wohlkonditionierter Mann bin, so werden Sie begreifen, daß ich mich besinnen muß. Asmund saß ganz starr und stumm mit der erloschnen Pfeife im Munde da. Sie war es. Es konnte ja niemand anders sein! Will sie denn auch Sie haben? fragte er mit heiserer Stimme. Ach du lieber Gott! — Wenn ich nur wollte, dann wäre die Sache bald in Ordnung. Da ist sie! sagte er dann, als sich rasche Schritte auf dem Söllergang hören ließen. Nun müssen Sie sie genau betrachten — und er sprang auf, um die Thür zu öffnen. Und herein trat Ragna, ein mit Flaschen und Gläsern gefülltes Brett in der Hund. Groß und schlank, rot und weiß, die dicken Zöpfe in einem Kranz über den Nacken aufgesteckt, trat sie in einem hellen Sommerkleid so sicher und leicht auf, als ob sie ihr Leben laug in Reichtum und in gebildeter Umgebung zu¬ gebracht hätte. Asmund schwindelte der Kopf, er schloß die Augen. Nein, nun müssen Sie bet Gott die Augen ausmachen! rief der Kaufmann lachend. Nun, was sagen Sie dazu? fragte er und strich dem Mädchen mit dem Rücken seiner Hand über die Wange. Es wurde aber gar nichts gesagt, denn in demselben Augenblick schleuderte Nagna heftig seine Hand weg und verlies; rasch das Zimmer. Aber von der Thür ans warf sie Asmund, der noch immer ganz verwirrt dreinschaute, einen fast drohenden Blick zu. Ja, so ist sie, sagte der Kaufmann und lachte. Es ist uicht das erste mal, daß ich was auf die Finger bekomme. Sobald als möglich brach Asmund auf und wanderte mit schwere» Schritten zu seinem Schiff zurück. Hier ließ er deu Schiffsjungen in seine Koje kriechen; er selbst setzte sich, den Rücken dem Laude zugewandt, aufs Verdeck und schaute mutlos auf das Meer hinaus. (Fortsetzung folgt)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/58>, abgerufen am 26.06.2024.