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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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weder von der Antike noch von der Renaissance mehr etwas wissen, sie will etwas
ganz Neues schaffen, Sie hat bisher zwar in der Architektur nur groteske Ge¬
schmacklosigkeiten in die Welt gesetzt und in der Malerei die widerwärtigsten Gegen¬
stände naturgetreu dargestellt, aber es wenigstens in der Dekoration und im Kunst¬
gewerbe zu einer Art von neuem Stil gebracht, der einerseits freilich an den
Japanismus anklingt, andrerseits auf der Verwendung naturalistischer oder stilisierter
Pflanzen- und Tierfvrmen beruht, schließlich aber doch auf eine Barbarisierung der Kunst
hinausläuft und sich vermutlich viel rascher ausleben wird als die verschmähte und
gescholtne Renaissance. Deal es liegt etwas unnatürlich Gewaltsames in dieser
ganzen Richtung; sie ist schließlich doch nur aus dem Überdruß an allem Über¬
lieferten und aus dem krampfhaften Bestreben, etwas Neues, noch nicht Dagewesenes
zu erfinden, entsprungen, also ein bewußtes und gewolltes Produkt. Nach der histo¬
rischen Erfahrung aber hat sich ein neuer Stil immer nur allmählich und naiv ans
dem frühern heraus gebildet und wesentliche Elemente mit herübergenommen. Die
römische Kunst ist eine Weiterbildung der griechischen, die romanische und die
byzantinische eine Barbarisierung der römischen; die gotische Architektur nimmt, ob¬
wohl sie ein neues kvustruktives Prinzip, den Spitzbogen, anwendet, doch namentlich
im Ornament romanische Motive auf, nud die Renaissance mit ihren Ausläufern
lenkt wieder, ohne die gotischen Elemente ganz aufzugeben, zur römischen Kunst,
der Klassizismus zur griechischen zurück; alle diese Richtungen immer natürlich gemäß
den Bedürfnissen der Zeiten und der Völker.

Auch die "Moderne" beruft sich gern auf die Notwendigkeit, die nationale und
die moderne Eigentümlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Daß sich die Nationalität auch
in der Kunst ausprägt und ausprägen muß, wer wollte das leugnen? Aber die euro¬
päischen Kulturvölker stehn doch nicht zu einander wie Weiße und Nothäute, sie be¬
wegen sich auf einem gemeinsamen Kulturboden, sind teilweise sogar blutsverwandt
und bilden trotz aller nationalen Unterschiede und Feindseligkeiten eine große Kultur-
einheit. Auch ihre Kunstwerke tragen also zwar einen verschiednen nationalen Stempel,
sind aber doch nicht nur dem eignen, sondern auch jedem andern Volke oder wenig¬
stens dessen gebildeter Schicht verständlich, abgesehen noch davon, daß eine ganze
Reihe von Empfindungen, und zwar gerade die wichtigsten und stärksten, dem ganzen
Menschengeschlecht gemeinsam sind, und daher Kunstwerke, auch Dichtungen, in denen
doch die nationale Eigentümlichkeit am reinsten zum Ausdruck kommt, wie etwa
Homers Epen, Shakespeares größte Dramen, Goethes Werther und Faust zur Welt¬
litteratur gehören. Vollends die Musik ist eine internationale Empfindungssprache.
Es ist also klar, daß die Nationalität allein noch nicht genügt, einen neuen Stil
in der Kunst zu begründe". Diese Formen sind zum allergrößten Teile wirklich
international; die romanische, die gotische, die Renaissancekunst haben zu denselben
Zeiten mit gewissen Abweichungen bei allen Völkern des germanisch-romanischen
Kulturkreises geherrscht; nicht nach den Nationen haben sich diese Kunstrichtungen
unterschieden, sondern nach den Zeiten. Auch die Ansicht, daß jede Zeit in neuen
Formen ihren künstlerischen Ausdruck finden müsse, ist keineswegs ohne weiteres
richtig. Wie die Wellenbewegung, so hat die Kunstbewegung ihre Höhen und Tiefen,
und es ist nicht möglich, aus der Tiefe ohne weiteres, durch bloßes Wollen einzelner
in die Höhe zu kommen; ja manche Höhe ist für die spätere Zeit überhaupt un¬
erreichbar. Solche Höhen sind die Kunst der Hellenen und die Kunst der italie¬
nischen Renaissance. Und in solchen Zeiten sind auch Formen gestaltet worden,
die^ für alle Zeiten feststehn und nicht willkürlich durch neue ersetzt werden können,
auch schlechterdings nicht ersetzt zu werden brauchen, weil sie ein für allemal dem
Bedürfnis am besten und schönsten genügen; man denke in der bildenden Kunst
z- B. an die Formen des Bogens, des Gewölbes, der Kuppel, der Säule, des Pfeilers,


Grenzboten IV 1900 6S
Bücher über den klassischen Süden

weder von der Antike noch von der Renaissance mehr etwas wissen, sie will etwas
ganz Neues schaffen, Sie hat bisher zwar in der Architektur nur groteske Ge¬
schmacklosigkeiten in die Welt gesetzt und in der Malerei die widerwärtigsten Gegen¬
stände naturgetreu dargestellt, aber es wenigstens in der Dekoration und im Kunst¬
gewerbe zu einer Art von neuem Stil gebracht, der einerseits freilich an den
Japanismus anklingt, andrerseits auf der Verwendung naturalistischer oder stilisierter
Pflanzen- und Tierfvrmen beruht, schließlich aber doch auf eine Barbarisierung der Kunst
hinausläuft und sich vermutlich viel rascher ausleben wird als die verschmähte und
gescholtne Renaissance. Deal es liegt etwas unnatürlich Gewaltsames in dieser
ganzen Richtung; sie ist schließlich doch nur aus dem Überdruß an allem Über¬
lieferten und aus dem krampfhaften Bestreben, etwas Neues, noch nicht Dagewesenes
zu erfinden, entsprungen, also ein bewußtes und gewolltes Produkt. Nach der histo¬
rischen Erfahrung aber hat sich ein neuer Stil immer nur allmählich und naiv ans
dem frühern heraus gebildet und wesentliche Elemente mit herübergenommen. Die
römische Kunst ist eine Weiterbildung der griechischen, die romanische und die
byzantinische eine Barbarisierung der römischen; die gotische Architektur nimmt, ob¬
wohl sie ein neues kvustruktives Prinzip, den Spitzbogen, anwendet, doch namentlich
im Ornament romanische Motive auf, nud die Renaissance mit ihren Ausläufern
lenkt wieder, ohne die gotischen Elemente ganz aufzugeben, zur römischen Kunst,
der Klassizismus zur griechischen zurück; alle diese Richtungen immer natürlich gemäß
den Bedürfnissen der Zeiten und der Völker.

Auch die „Moderne" beruft sich gern auf die Notwendigkeit, die nationale und
die moderne Eigentümlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Daß sich die Nationalität auch
in der Kunst ausprägt und ausprägen muß, wer wollte das leugnen? Aber die euro¬
päischen Kulturvölker stehn doch nicht zu einander wie Weiße und Nothäute, sie be¬
wegen sich auf einem gemeinsamen Kulturboden, sind teilweise sogar blutsverwandt
und bilden trotz aller nationalen Unterschiede und Feindseligkeiten eine große Kultur-
einheit. Auch ihre Kunstwerke tragen also zwar einen verschiednen nationalen Stempel,
sind aber doch nicht nur dem eignen, sondern auch jedem andern Volke oder wenig¬
stens dessen gebildeter Schicht verständlich, abgesehen noch davon, daß eine ganze
Reihe von Empfindungen, und zwar gerade die wichtigsten und stärksten, dem ganzen
Menschengeschlecht gemeinsam sind, und daher Kunstwerke, auch Dichtungen, in denen
doch die nationale Eigentümlichkeit am reinsten zum Ausdruck kommt, wie etwa
Homers Epen, Shakespeares größte Dramen, Goethes Werther und Faust zur Welt¬
litteratur gehören. Vollends die Musik ist eine internationale Empfindungssprache.
Es ist also klar, daß die Nationalität allein noch nicht genügt, einen neuen Stil
in der Kunst zu begründe«. Diese Formen sind zum allergrößten Teile wirklich
international; die romanische, die gotische, die Renaissancekunst haben zu denselben
Zeiten mit gewissen Abweichungen bei allen Völkern des germanisch-romanischen
Kulturkreises geherrscht; nicht nach den Nationen haben sich diese Kunstrichtungen
unterschieden, sondern nach den Zeiten. Auch die Ansicht, daß jede Zeit in neuen
Formen ihren künstlerischen Ausdruck finden müsse, ist keineswegs ohne weiteres
richtig. Wie die Wellenbewegung, so hat die Kunstbewegung ihre Höhen und Tiefen,
und es ist nicht möglich, aus der Tiefe ohne weiteres, durch bloßes Wollen einzelner
in die Höhe zu kommen; ja manche Höhe ist für die spätere Zeit überhaupt un¬
erreichbar. Solche Höhen sind die Kunst der Hellenen und die Kunst der italie¬
nischen Renaissance. Und in solchen Zeiten sind auch Formen gestaltet worden,
die^ für alle Zeiten feststehn und nicht willkürlich durch neue ersetzt werden können,
auch schlechterdings nicht ersetzt zu werden brauchen, weil sie ein für allemal dem
Bedürfnis am besten und schönsten genügen; man denke in der bildenden Kunst
z- B. an die Formen des Bogens, des Gewölbes, der Kuppel, der Säule, des Pfeilers,


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[0563] Bücher über den klassischen Süden weder von der Antike noch von der Renaissance mehr etwas wissen, sie will etwas ganz Neues schaffen, Sie hat bisher zwar in der Architektur nur groteske Ge¬ schmacklosigkeiten in die Welt gesetzt und in der Malerei die widerwärtigsten Gegen¬ stände naturgetreu dargestellt, aber es wenigstens in der Dekoration und im Kunst¬ gewerbe zu einer Art von neuem Stil gebracht, der einerseits freilich an den Japanismus anklingt, andrerseits auf der Verwendung naturalistischer oder stilisierter Pflanzen- und Tierfvrmen beruht, schließlich aber doch auf eine Barbarisierung der Kunst hinausläuft und sich vermutlich viel rascher ausleben wird als die verschmähte und gescholtne Renaissance. Deal es liegt etwas unnatürlich Gewaltsames in dieser ganzen Richtung; sie ist schließlich doch nur aus dem Überdruß an allem Über¬ lieferten und aus dem krampfhaften Bestreben, etwas Neues, noch nicht Dagewesenes zu erfinden, entsprungen, also ein bewußtes und gewolltes Produkt. Nach der histo¬ rischen Erfahrung aber hat sich ein neuer Stil immer nur allmählich und naiv ans dem frühern heraus gebildet und wesentliche Elemente mit herübergenommen. Die römische Kunst ist eine Weiterbildung der griechischen, die romanische und die byzantinische eine Barbarisierung der römischen; die gotische Architektur nimmt, ob¬ wohl sie ein neues kvustruktives Prinzip, den Spitzbogen, anwendet, doch namentlich im Ornament romanische Motive auf, nud die Renaissance mit ihren Ausläufern lenkt wieder, ohne die gotischen Elemente ganz aufzugeben, zur römischen Kunst, der Klassizismus zur griechischen zurück; alle diese Richtungen immer natürlich gemäß den Bedürfnissen der Zeiten und der Völker. Auch die „Moderne" beruft sich gern auf die Notwendigkeit, die nationale und die moderne Eigentümlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Daß sich die Nationalität auch in der Kunst ausprägt und ausprägen muß, wer wollte das leugnen? Aber die euro¬ päischen Kulturvölker stehn doch nicht zu einander wie Weiße und Nothäute, sie be¬ wegen sich auf einem gemeinsamen Kulturboden, sind teilweise sogar blutsverwandt und bilden trotz aller nationalen Unterschiede und Feindseligkeiten eine große Kultur- einheit. Auch ihre Kunstwerke tragen also zwar einen verschiednen nationalen Stempel, sind aber doch nicht nur dem eignen, sondern auch jedem andern Volke oder wenig¬ stens dessen gebildeter Schicht verständlich, abgesehen noch davon, daß eine ganze Reihe von Empfindungen, und zwar gerade die wichtigsten und stärksten, dem ganzen Menschengeschlecht gemeinsam sind, und daher Kunstwerke, auch Dichtungen, in denen doch die nationale Eigentümlichkeit am reinsten zum Ausdruck kommt, wie etwa Homers Epen, Shakespeares größte Dramen, Goethes Werther und Faust zur Welt¬ litteratur gehören. Vollends die Musik ist eine internationale Empfindungssprache. Es ist also klar, daß die Nationalität allein noch nicht genügt, einen neuen Stil in der Kunst zu begründe«. Diese Formen sind zum allergrößten Teile wirklich international; die romanische, die gotische, die Renaissancekunst haben zu denselben Zeiten mit gewissen Abweichungen bei allen Völkern des germanisch-romanischen Kulturkreises geherrscht; nicht nach den Nationen haben sich diese Kunstrichtungen unterschieden, sondern nach den Zeiten. Auch die Ansicht, daß jede Zeit in neuen Formen ihren künstlerischen Ausdruck finden müsse, ist keineswegs ohne weiteres richtig. Wie die Wellenbewegung, so hat die Kunstbewegung ihre Höhen und Tiefen, und es ist nicht möglich, aus der Tiefe ohne weiteres, durch bloßes Wollen einzelner in die Höhe zu kommen; ja manche Höhe ist für die spätere Zeit überhaupt un¬ erreichbar. Solche Höhen sind die Kunst der Hellenen und die Kunst der italie¬ nischen Renaissance. Und in solchen Zeiten sind auch Formen gestaltet worden, die^ für alle Zeiten feststehn und nicht willkürlich durch neue ersetzt werden können, auch schlechterdings nicht ersetzt zu werden brauchen, weil sie ein für allemal dem Bedürfnis am besten und schönsten genügen; man denke in der bildenden Kunst z- B. an die Formen des Bogens, des Gewölbes, der Kuppel, der Säule, des Pfeilers, Grenzboten IV 1900 6S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/563>, abgerufen am 28.06.2024.