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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Lrlaß oder Stundung?

Honorare nur einer begrenzten Zahl von Studierenden gewährt werden kann.
Wie diese Zahl auszuwählen ist, würde Sache einer kleinen, aus Dozenten
zusammengesetzten Kommission sein.

Die zwei ersten Studiensemestcr würden den Honorarerlaß in der Regel
noch nicht erlangen können, da sich die Dozenten während dieser Zeit erst
Gewißheit verschaffen müssen, ob die Vorbedingungen, Vegabuug und Fleiß,
wirklich vorhanden find; Ausnahmen wären denkbar, wo es sich um hoch¬
begabte junge Leute handelte, die mit sehr empfehlenden Abiturientenzeugnis
ihr Studium beginnen. Auf diese Weise wäre es möglich, die Entstehung
eines Gelehrteuproletariats zu verhüten, das bei dem jetzigen Zudrange zur
Universität höchst nachteilig auf die Gesamtheit der gebildeten Kreise einzu¬
wirken beginnt.

Soweit meine Kenntnis reicht, hat sich diese Form des Honorarerlasses,
wo sie besteht, recht gut bewährt. Ich höre, daß auf bayrischen Universitäten
die Einrichtung besteht, das Honorar teilweise zu erlassen, und es wäre Wohl zu
erwägen, ob eine solche Einrichtung auch auf preußischen Hochschulen zweck¬
mäßig sei. Bei den höhern Gehalten, die im großen und ganzen an außer¬
preußischen Universitäten den Ordinarien und Extraordinarien gezahlt werden,
kann ein solcher Teilerlaß schon einer größern Zahl Studierender gewährt
werden, ohne allzu große Schädigung der Dozenteneinnahmen. Für die
Lehrer preußischer Hochschulen würde dieser Modus, immer vorausgesetzt, daß
er einer größern Zahl Studierender zu gute kommen sollte, immerhin eine
große Einbuße bedeuten. Unzweifelhaft aber bleibt es, daß das Verhältnis
zwischen Universitätslehrer und -Schüler während der Studienjahre und darüber
hinaus weit freier und befriedigender sein wird als bei der Stundung.

Bisher ist diese Frage fast nur in Universitütskreisen behandelt worden.
Es könnte allen denen, die jetzt und in Zukunft mit ihr zu thun haben, und
wohl auch den zuständigen Ministerien von Wert sein, wenn sich Männer, die
die Bedeutung dieser Frage an sich selbst erfahren haben, an der Diskussion
beteiligten. Bei der Fragstellung würde ganz besonders zu berücksichtigen sein,
ob für Wenigbemittelte die Schwierigkeiten, sich ohne Stundung durch die
Universitätsjahre durchzuschlagen, größer sind als die Unannehmlichkeiten, die
sich dnrch Abzahlung der durch Stundung entstandnen Schuldenlast in den
Anfangsjahren des spätern Berufslebens ergeben.

Aber auch die Universitätskollegen möchte ich auffordern, sich zu der Frage
zu äußern.*)





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*) Die Redaktion der Grenzboten ist bereit, solche Äußerungen ohne Nennung der Namen
aufzunehmen und zusammenzustellen.
Lrlaß oder Stundung?

Honorare nur einer begrenzten Zahl von Studierenden gewährt werden kann.
Wie diese Zahl auszuwählen ist, würde Sache einer kleinen, aus Dozenten
zusammengesetzten Kommission sein.

Die zwei ersten Studiensemestcr würden den Honorarerlaß in der Regel
noch nicht erlangen können, da sich die Dozenten während dieser Zeit erst
Gewißheit verschaffen müssen, ob die Vorbedingungen, Vegabuug und Fleiß,
wirklich vorhanden find; Ausnahmen wären denkbar, wo es sich um hoch¬
begabte junge Leute handelte, die mit sehr empfehlenden Abiturientenzeugnis
ihr Studium beginnen. Auf diese Weise wäre es möglich, die Entstehung
eines Gelehrteuproletariats zu verhüten, das bei dem jetzigen Zudrange zur
Universität höchst nachteilig auf die Gesamtheit der gebildeten Kreise einzu¬
wirken beginnt.

Soweit meine Kenntnis reicht, hat sich diese Form des Honorarerlasses,
wo sie besteht, recht gut bewährt. Ich höre, daß auf bayrischen Universitäten
die Einrichtung besteht, das Honorar teilweise zu erlassen, und es wäre Wohl zu
erwägen, ob eine solche Einrichtung auch auf preußischen Hochschulen zweck¬
mäßig sei. Bei den höhern Gehalten, die im großen und ganzen an außer¬
preußischen Universitäten den Ordinarien und Extraordinarien gezahlt werden,
kann ein solcher Teilerlaß schon einer größern Zahl Studierender gewährt
werden, ohne allzu große Schädigung der Dozenteneinnahmen. Für die
Lehrer preußischer Hochschulen würde dieser Modus, immer vorausgesetzt, daß
er einer größern Zahl Studierender zu gute kommen sollte, immerhin eine
große Einbuße bedeuten. Unzweifelhaft aber bleibt es, daß das Verhältnis
zwischen Universitätslehrer und -Schüler während der Studienjahre und darüber
hinaus weit freier und befriedigender sein wird als bei der Stundung.

Bisher ist diese Frage fast nur in Universitütskreisen behandelt worden.
Es könnte allen denen, die jetzt und in Zukunft mit ihr zu thun haben, und
wohl auch den zuständigen Ministerien von Wert sein, wenn sich Männer, die
die Bedeutung dieser Frage an sich selbst erfahren haben, an der Diskussion
beteiligten. Bei der Fragstellung würde ganz besonders zu berücksichtigen sein,
ob für Wenigbemittelte die Schwierigkeiten, sich ohne Stundung durch die
Universitätsjahre durchzuschlagen, größer sind als die Unannehmlichkeiten, die
sich dnrch Abzahlung der durch Stundung entstandnen Schuldenlast in den
Anfangsjahren des spätern Berufslebens ergeben.

Aber auch die Universitätskollegen möchte ich auffordern, sich zu der Frage
zu äußern.*)





«I

*) Die Redaktion der Grenzboten ist bereit, solche Äußerungen ohne Nennung der Namen
aufzunehmen und zusammenzustellen.
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[0508] Lrlaß oder Stundung? Honorare nur einer begrenzten Zahl von Studierenden gewährt werden kann. Wie diese Zahl auszuwählen ist, würde Sache einer kleinen, aus Dozenten zusammengesetzten Kommission sein. Die zwei ersten Studiensemestcr würden den Honorarerlaß in der Regel noch nicht erlangen können, da sich die Dozenten während dieser Zeit erst Gewißheit verschaffen müssen, ob die Vorbedingungen, Vegabuug und Fleiß, wirklich vorhanden find; Ausnahmen wären denkbar, wo es sich um hoch¬ begabte junge Leute handelte, die mit sehr empfehlenden Abiturientenzeugnis ihr Studium beginnen. Auf diese Weise wäre es möglich, die Entstehung eines Gelehrteuproletariats zu verhüten, das bei dem jetzigen Zudrange zur Universität höchst nachteilig auf die Gesamtheit der gebildeten Kreise einzu¬ wirken beginnt. Soweit meine Kenntnis reicht, hat sich diese Form des Honorarerlasses, wo sie besteht, recht gut bewährt. Ich höre, daß auf bayrischen Universitäten die Einrichtung besteht, das Honorar teilweise zu erlassen, und es wäre Wohl zu erwägen, ob eine solche Einrichtung auch auf preußischen Hochschulen zweck¬ mäßig sei. Bei den höhern Gehalten, die im großen und ganzen an außer¬ preußischen Universitäten den Ordinarien und Extraordinarien gezahlt werden, kann ein solcher Teilerlaß schon einer größern Zahl Studierender gewährt werden, ohne allzu große Schädigung der Dozenteneinnahmen. Für die Lehrer preußischer Hochschulen würde dieser Modus, immer vorausgesetzt, daß er einer größern Zahl Studierender zu gute kommen sollte, immerhin eine große Einbuße bedeuten. Unzweifelhaft aber bleibt es, daß das Verhältnis zwischen Universitätslehrer und -Schüler während der Studienjahre und darüber hinaus weit freier und befriedigender sein wird als bei der Stundung. Bisher ist diese Frage fast nur in Universitütskreisen behandelt worden. Es könnte allen denen, die jetzt und in Zukunft mit ihr zu thun haben, und wohl auch den zuständigen Ministerien von Wert sein, wenn sich Männer, die die Bedeutung dieser Frage an sich selbst erfahren haben, an der Diskussion beteiligten. Bei der Fragstellung würde ganz besonders zu berücksichtigen sein, ob für Wenigbemittelte die Schwierigkeiten, sich ohne Stundung durch die Universitätsjahre durchzuschlagen, größer sind als die Unannehmlichkeiten, die sich dnrch Abzahlung der durch Stundung entstandnen Schuldenlast in den Anfangsjahren des spätern Berufslebens ergeben. Aber auch die Universitätskollegen möchte ich auffordern, sich zu der Frage zu äußern.*) «I *) Die Redaktion der Grenzboten ist bereit, solche Äußerungen ohne Nennung der Namen aufzunehmen und zusammenzustellen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/508>, abgerufen am 29.06.2024.