Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe

mir zu bemerken erlauben, daß infolge davon die dritten und vierten Offiziere
der großen Linien mit ihren Besoldungen sehr knapp auskommen, und daß
viele, die ihre Uniformen beim Eintritt nicht bar bezahlen konnten, jahrelang
nicht damit zurecht zu kommen pflegen.

Über die Besoldungsverhältnisse der Kapitäne bin ich wenig unterrichtet.
Die Lloydkapitäne wie die der Hamburg-Amerikalinic sollen mit jährlich
4500 Mark anfangen, zu denen noch nach oben und nach unten begrenAe
Tantiemen kommen. Auf Dampfern in kleiner Fahrt, wie auf der Neptun¬
linie, sollen sich die Besoldungen zwischen 2700 und 3600 Mark bewegen.
Den Leser dürfte es interessiere,:, wenn ich hinzufüge, daß unsre Hauptwett¬
bewerber, die Engländer, rund 25 Prozent Heuer mehr für ihre Bemannung
zahlen als wir (vergl. Hansa 1896, S. 270).

Auf den Segelschiffen ist der Obersteuermann der Laduugsoffizier, er
nimmt die Ladung in Empfang, untersucht, soweit es möglich ist, Fässer, Kisten
und Emballage, ob alles gut und unversehrt ist, richtet den Raum ein, indem
er für Garnier sorgt, läßt die Stauung durch den Untersteuermann nach seiner
Anordnung überwachen und stellt schließlich dem Ablader den Empfnngschein
aus, uach dem der Kapitän dann das Konnossement unterzeichnet. Beim Löschen
haftet er dem Kapitän, Reeber und Empfänger für Fehlendes. Wenn sich Be¬
schädigungen der Ladung finden, hat er die amtlichen Besichtiger heranzurufen,
die feststellen, ob die Beschädigung durch höhere Gewalt oder durch Nachlässig¬
keit der Schiffsbesatzuug entstanden ist. Das Reichsgericht hat entschieden, daß
der Ob ersten ermann nur dann für Manko der Ladung haftbar ist, wenn er beim
Laden und Löschen uicht anderweitig dienstlich in Anspruch genommen war
und nur einen Arbeitergang zu beaufsichtigen hatte. Sobald er also mehrere
Luken und mehrere Arbcitergünge zu beaufsichtigen hat, ist er juristisch frei
von seiner Haftpflicht. Aber was hilft ihm das! Will er für Manko nicht
zahlen, so wird er entlassen, und was ihm ins Zeugnis geschrieben wird, weiß
jeder Berufsgenosse.

Auf den Dampfern der größten deutschen Linien ist meistens der zweite
Offizier der Ladungsoffizier. Da vielfach in zwei bis vier Luken geladen oder
aus ihnen gelöscht wird, vielfach noch dazu auf beiden Seiten, so hat er
nicht selten acht bis zehn Arbeitergünge zu beaufsichtigen. Auf den Kolossal¬
dampfern der Gegenwart, die bis zu 12000 bis 15000 Tons Ladung mit¬
nehmen, steigt die Anzahl der Kolonnen noch höher; man bekommt Dampfer
zu sehen, die dreißig Ladebäume und Krame führen, von denen die einen die
Ladung beim Laden auf das Deck, die andern in den Raum schaffen. Beim
Löschen ist es natürlich umgekehrt. Uuter diesen Umständen kann der zweite
Offizier natürlich unmöglich weder die Einnahme, noch die Löschung oder
Stauung der Ladung im einzelnen überwachen. Es werden ihm dann die
jüngern Offiziere, Bootsleute, Steuerer usw. zur Aushilfe beigegeben, aber
er ist verantwortlich für das, was sie thun. Schnelligkeit der Expedition ist
die Signatur der Gegenwart, deshalb wird das Laden und Löschen Tag und


Grenzboten IV 1900 47
Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe

mir zu bemerken erlauben, daß infolge davon die dritten und vierten Offiziere
der großen Linien mit ihren Besoldungen sehr knapp auskommen, und daß
viele, die ihre Uniformen beim Eintritt nicht bar bezahlen konnten, jahrelang
nicht damit zurecht zu kommen pflegen.

Über die Besoldungsverhältnisse der Kapitäne bin ich wenig unterrichtet.
Die Lloydkapitäne wie die der Hamburg-Amerikalinic sollen mit jährlich
4500 Mark anfangen, zu denen noch nach oben und nach unten begrenAe
Tantiemen kommen. Auf Dampfern in kleiner Fahrt, wie auf der Neptun¬
linie, sollen sich die Besoldungen zwischen 2700 und 3600 Mark bewegen.
Den Leser dürfte es interessiere,:, wenn ich hinzufüge, daß unsre Hauptwett¬
bewerber, die Engländer, rund 25 Prozent Heuer mehr für ihre Bemannung
zahlen als wir (vergl. Hansa 1896, S. 270).

Auf den Segelschiffen ist der Obersteuermann der Laduugsoffizier, er
nimmt die Ladung in Empfang, untersucht, soweit es möglich ist, Fässer, Kisten
und Emballage, ob alles gut und unversehrt ist, richtet den Raum ein, indem
er für Garnier sorgt, läßt die Stauung durch den Untersteuermann nach seiner
Anordnung überwachen und stellt schließlich dem Ablader den Empfnngschein
aus, uach dem der Kapitän dann das Konnossement unterzeichnet. Beim Löschen
haftet er dem Kapitän, Reeber und Empfänger für Fehlendes. Wenn sich Be¬
schädigungen der Ladung finden, hat er die amtlichen Besichtiger heranzurufen,
die feststellen, ob die Beschädigung durch höhere Gewalt oder durch Nachlässig¬
keit der Schiffsbesatzuug entstanden ist. Das Reichsgericht hat entschieden, daß
der Ob ersten ermann nur dann für Manko der Ladung haftbar ist, wenn er beim
Laden und Löschen uicht anderweitig dienstlich in Anspruch genommen war
und nur einen Arbeitergang zu beaufsichtigen hatte. Sobald er also mehrere
Luken und mehrere Arbcitergünge zu beaufsichtigen hat, ist er juristisch frei
von seiner Haftpflicht. Aber was hilft ihm das! Will er für Manko nicht
zahlen, so wird er entlassen, und was ihm ins Zeugnis geschrieben wird, weiß
jeder Berufsgenosse.

Auf den Dampfern der größten deutschen Linien ist meistens der zweite
Offizier der Ladungsoffizier. Da vielfach in zwei bis vier Luken geladen oder
aus ihnen gelöscht wird, vielfach noch dazu auf beiden Seiten, so hat er
nicht selten acht bis zehn Arbeitergünge zu beaufsichtigen. Auf den Kolossal¬
dampfern der Gegenwart, die bis zu 12000 bis 15000 Tons Ladung mit¬
nehmen, steigt die Anzahl der Kolonnen noch höher; man bekommt Dampfer
zu sehen, die dreißig Ladebäume und Krame führen, von denen die einen die
Ladung beim Laden auf das Deck, die andern in den Raum schaffen. Beim
Löschen ist es natürlich umgekehrt. Uuter diesen Umständen kann der zweite
Offizier natürlich unmöglich weder die Einnahme, noch die Löschung oder
Stauung der Ladung im einzelnen überwachen. Es werden ihm dann die
jüngern Offiziere, Bootsleute, Steuerer usw. zur Aushilfe beigegeben, aber
er ist verantwortlich für das, was sie thun. Schnelligkeit der Expedition ist
die Signatur der Gegenwart, deshalb wird das Laden und Löschen Tag und


Grenzboten IV 1900 47
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0407" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291484"/>
          <fw type="header" place="top"> Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1300" prev="#ID_1299"> mir zu bemerken erlauben, daß infolge davon die dritten und vierten Offiziere<lb/>
der großen Linien mit ihren Besoldungen sehr knapp auskommen, und daß<lb/>
viele, die ihre Uniformen beim Eintritt nicht bar bezahlen konnten, jahrelang<lb/>
nicht damit zurecht zu kommen pflegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1301"> Über die Besoldungsverhältnisse der Kapitäne bin ich wenig unterrichtet.<lb/>
Die Lloydkapitäne wie die der Hamburg-Amerikalinic sollen mit jährlich<lb/>
4500 Mark anfangen, zu denen noch nach oben und nach unten begrenAe<lb/>
Tantiemen kommen. Auf Dampfern in kleiner Fahrt, wie auf der Neptun¬<lb/>
linie, sollen sich die Besoldungen zwischen 2700 und 3600 Mark bewegen.<lb/>
Den Leser dürfte es interessiere,:, wenn ich hinzufüge, daß unsre Hauptwett¬<lb/>
bewerber, die Engländer, rund 25 Prozent Heuer mehr für ihre Bemannung<lb/>
zahlen als wir (vergl. Hansa 1896, S. 270).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1302"> Auf den Segelschiffen ist der Obersteuermann der Laduugsoffizier, er<lb/>
nimmt die Ladung in Empfang, untersucht, soweit es möglich ist, Fässer, Kisten<lb/>
und Emballage, ob alles gut und unversehrt ist, richtet den Raum ein, indem<lb/>
er für Garnier sorgt, läßt die Stauung durch den Untersteuermann nach seiner<lb/>
Anordnung überwachen und stellt schließlich dem Ablader den Empfnngschein<lb/>
aus, uach dem der Kapitän dann das Konnossement unterzeichnet. Beim Löschen<lb/>
haftet er dem Kapitän, Reeber und Empfänger für Fehlendes. Wenn sich Be¬<lb/>
schädigungen der Ladung finden, hat er die amtlichen Besichtiger heranzurufen,<lb/>
die feststellen, ob die Beschädigung durch höhere Gewalt oder durch Nachlässig¬<lb/>
keit der Schiffsbesatzuug entstanden ist. Das Reichsgericht hat entschieden, daß<lb/>
der Ob ersten ermann nur dann für Manko der Ladung haftbar ist, wenn er beim<lb/>
Laden und Löschen uicht anderweitig dienstlich in Anspruch genommen war<lb/>
und nur einen Arbeitergang zu beaufsichtigen hatte. Sobald er also mehrere<lb/>
Luken und mehrere Arbcitergünge zu beaufsichtigen hat, ist er juristisch frei<lb/>
von seiner Haftpflicht. Aber was hilft ihm das! Will er für Manko nicht<lb/>
zahlen, so wird er entlassen, und was ihm ins Zeugnis geschrieben wird, weiß<lb/>
jeder Berufsgenosse.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1303" next="#ID_1304"> Auf den Dampfern der größten deutschen Linien ist meistens der zweite<lb/>
Offizier der Ladungsoffizier. Da vielfach in zwei bis vier Luken geladen oder<lb/>
aus ihnen gelöscht wird, vielfach noch dazu auf beiden Seiten, so hat er<lb/>
nicht selten acht bis zehn Arbeitergünge zu beaufsichtigen. Auf den Kolossal¬<lb/>
dampfern der Gegenwart, die bis zu 12000 bis 15000 Tons Ladung mit¬<lb/>
nehmen, steigt die Anzahl der Kolonnen noch höher; man bekommt Dampfer<lb/>
zu sehen, die dreißig Ladebäume und Krame führen, von denen die einen die<lb/>
Ladung beim Laden auf das Deck, die andern in den Raum schaffen. Beim<lb/>
Löschen ist es natürlich umgekehrt. Uuter diesen Umständen kann der zweite<lb/>
Offizier natürlich unmöglich weder die Einnahme, noch die Löschung oder<lb/>
Stauung der Ladung im einzelnen überwachen. Es werden ihm dann die<lb/>
jüngern Offiziere, Bootsleute, Steuerer usw. zur Aushilfe beigegeben, aber<lb/>
er ist verantwortlich für das, was sie thun. Schnelligkeit der Expedition ist<lb/>
die Signatur der Gegenwart, deshalb wird das Laden und Löschen Tag und</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1900 47</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0407] Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe mir zu bemerken erlauben, daß infolge davon die dritten und vierten Offiziere der großen Linien mit ihren Besoldungen sehr knapp auskommen, und daß viele, die ihre Uniformen beim Eintritt nicht bar bezahlen konnten, jahrelang nicht damit zurecht zu kommen pflegen. Über die Besoldungsverhältnisse der Kapitäne bin ich wenig unterrichtet. Die Lloydkapitäne wie die der Hamburg-Amerikalinic sollen mit jährlich 4500 Mark anfangen, zu denen noch nach oben und nach unten begrenAe Tantiemen kommen. Auf Dampfern in kleiner Fahrt, wie auf der Neptun¬ linie, sollen sich die Besoldungen zwischen 2700 und 3600 Mark bewegen. Den Leser dürfte es interessiere,:, wenn ich hinzufüge, daß unsre Hauptwett¬ bewerber, die Engländer, rund 25 Prozent Heuer mehr für ihre Bemannung zahlen als wir (vergl. Hansa 1896, S. 270). Auf den Segelschiffen ist der Obersteuermann der Laduugsoffizier, er nimmt die Ladung in Empfang, untersucht, soweit es möglich ist, Fässer, Kisten und Emballage, ob alles gut und unversehrt ist, richtet den Raum ein, indem er für Garnier sorgt, läßt die Stauung durch den Untersteuermann nach seiner Anordnung überwachen und stellt schließlich dem Ablader den Empfnngschein aus, uach dem der Kapitän dann das Konnossement unterzeichnet. Beim Löschen haftet er dem Kapitän, Reeber und Empfänger für Fehlendes. Wenn sich Be¬ schädigungen der Ladung finden, hat er die amtlichen Besichtiger heranzurufen, die feststellen, ob die Beschädigung durch höhere Gewalt oder durch Nachlässig¬ keit der Schiffsbesatzuug entstanden ist. Das Reichsgericht hat entschieden, daß der Ob ersten ermann nur dann für Manko der Ladung haftbar ist, wenn er beim Laden und Löschen uicht anderweitig dienstlich in Anspruch genommen war und nur einen Arbeitergang zu beaufsichtigen hatte. Sobald er also mehrere Luken und mehrere Arbcitergünge zu beaufsichtigen hat, ist er juristisch frei von seiner Haftpflicht. Aber was hilft ihm das! Will er für Manko nicht zahlen, so wird er entlassen, und was ihm ins Zeugnis geschrieben wird, weiß jeder Berufsgenosse. Auf den Dampfern der größten deutschen Linien ist meistens der zweite Offizier der Ladungsoffizier. Da vielfach in zwei bis vier Luken geladen oder aus ihnen gelöscht wird, vielfach noch dazu auf beiden Seiten, so hat er nicht selten acht bis zehn Arbeitergünge zu beaufsichtigen. Auf den Kolossal¬ dampfern der Gegenwart, die bis zu 12000 bis 15000 Tons Ladung mit¬ nehmen, steigt die Anzahl der Kolonnen noch höher; man bekommt Dampfer zu sehen, die dreißig Ladebäume und Krame führen, von denen die einen die Ladung beim Laden auf das Deck, die andern in den Raum schaffen. Beim Löschen ist es natürlich umgekehrt. Uuter diesen Umständen kann der zweite Offizier natürlich unmöglich weder die Einnahme, noch die Löschung oder Stauung der Ladung im einzelnen überwachen. Es werden ihm dann die jüngern Offiziere, Bootsleute, Steuerer usw. zur Aushilfe beigegeben, aber er ist verantwortlich für das, was sie thun. Schnelligkeit der Expedition ist die Signatur der Gegenwart, deshalb wird das Laden und Löschen Tag und Grenzboten IV 1900 47

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/407
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/407>, abgerufen am 29.06.2024.