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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe

ist durchaus nicht anzugeben -- Kapitän eines Segelschiffs geworden ist, dann
bekommt er an fester Besoldung z. B. auf ostfriesischen, oldenburgischen, hol¬
steinischen und mecklenburgischen Schiffen 125 bis 150 Mark pro Monat und
natürlich freie Station, Dazu kommt dann ein gewisser Prozentsatz des Netto-
frachtverdienstes, selten von der Bruttofracht, der je nach den Zeitläufen
sehr verschieden ausfällt, jedoch meines Wissens auch bei den jetzigen guten
Frachten zwei Drittel der Besoldung nicht erreicht, in weniger guten Zeiten
leider nur zu oft nur nominell ist. Von den guten Hanmurger und Bremer
Reedern wird Wohl mehr gezahlt, aber zum anständigen Unterhalt der Familie
reicht es nur so eben hin, für das Alter und im Todesfall für Witwe und
Waisen bleibt nichts übrig, es sei denn, daß die Frau auf dem Dorfe wohnt
und durch landwirtschaftlichen Betrieb die Familie unterhält, und daß der Ver¬
dienst des Mannes als Notgroschen weggelegt werden kann.

So kommt es, daß fast nur noch junge Steuerleute auf die Segelschiffe
gehn, die hier die hohe seemännische Schule vollständig absolvieren wollen.
Sie fahren ihre vierundzwanzig Monate Fahrzeit ab, die sie bei der Zulassung
zur Prüfung als Schiffer auf großer Fahrt nachweisen müssen, und gehn nach
Bestehn dieser Prüfung auf die Dampfer, auf denen sie ein sicheres und besseres
Fortkommen haben. Aus diesen Gründen ist der Mangel an Offizieren aus
Segelschiffen in den beiden letzten Jahren so groß geworden, daß die Heuer
der Untersteuerleute von 68 auf 90 und 100 Mark, die der Obersteuerleute
von 100 auf 140 bis 160 Mark gestiegen ist. An ältern Offizieren findet
man im allgemeinen nur solche auf Segelschiffen, die auf Dampfern nicht zurecht
kommen konnten. Die Stellung der Steuerleute auf Segelschiffen hat mit der
in frühern Zeiten nur uoch die Ähnlichkeit, daß sie noch dieselbe Verantwortung
tragen, daneben aber die Vorarbeiter der Matrosen sind. Wenn die Steuer¬
leute nicht mehr und besser als die Matrosen arbeiten, können sie bei der aufs
äußerste eingeschränkten Bemannung die Schiffe nicht in Ordnung halten und
werden am Ende der Reise vom Reeber und Kapitän dahin geschickt, woher sie
gekommen sind, nämlich ans Land.

Wie schon oben gesagt worden ist, wird die Mannschaft abgedankt, wenn
das Schiff im Heimatshafen nur eben fest liegt, und kommt wieder an Bord,
wenn es seeklar ist. Bis vor wenig Jahren blieben wenigstens der Kapitän
und der Obersteuermmm mit einer Wache an Bord, um das Löschen und das
Laden, sowie die Instandsetzung des Schiffes für die nächste Reise zu über¬
wachen. In neuster Zeit werden auch sie immer mehr am nächsten Tage nach
Hause geschickt, und ein Schiffsinspektor macht alles. Dies geschieht nicht etwa,
um Heuer und Kost zu sparen, sondern nur um den Herren Gelegenheit zu
geben, sich ihren Familien zu widmen.

Der Schiffsinspektor löscht und beladet das Schiff, überwacht die Stauung,
repariert, was nötig ist, rüstet das Schiff für die bevorstehende Reise aus,
nument die Mannschaft an und mustert sie vor dem Seemannsamte. Erst einen
oder zwei Tage vor dem Abgange des Schiffes kommt der Kapitän nebst den


Über die Bemannung der deutschen Kauffahrteischiffe

ist durchaus nicht anzugeben — Kapitän eines Segelschiffs geworden ist, dann
bekommt er an fester Besoldung z. B. auf ostfriesischen, oldenburgischen, hol¬
steinischen und mecklenburgischen Schiffen 125 bis 150 Mark pro Monat und
natürlich freie Station, Dazu kommt dann ein gewisser Prozentsatz des Netto-
frachtverdienstes, selten von der Bruttofracht, der je nach den Zeitläufen
sehr verschieden ausfällt, jedoch meines Wissens auch bei den jetzigen guten
Frachten zwei Drittel der Besoldung nicht erreicht, in weniger guten Zeiten
leider nur zu oft nur nominell ist. Von den guten Hanmurger und Bremer
Reedern wird Wohl mehr gezahlt, aber zum anständigen Unterhalt der Familie
reicht es nur so eben hin, für das Alter und im Todesfall für Witwe und
Waisen bleibt nichts übrig, es sei denn, daß die Frau auf dem Dorfe wohnt
und durch landwirtschaftlichen Betrieb die Familie unterhält, und daß der Ver¬
dienst des Mannes als Notgroschen weggelegt werden kann.

So kommt es, daß fast nur noch junge Steuerleute auf die Segelschiffe
gehn, die hier die hohe seemännische Schule vollständig absolvieren wollen.
Sie fahren ihre vierundzwanzig Monate Fahrzeit ab, die sie bei der Zulassung
zur Prüfung als Schiffer auf großer Fahrt nachweisen müssen, und gehn nach
Bestehn dieser Prüfung auf die Dampfer, auf denen sie ein sicheres und besseres
Fortkommen haben. Aus diesen Gründen ist der Mangel an Offizieren aus
Segelschiffen in den beiden letzten Jahren so groß geworden, daß die Heuer
der Untersteuerleute von 68 auf 90 und 100 Mark, die der Obersteuerleute
von 100 auf 140 bis 160 Mark gestiegen ist. An ältern Offizieren findet
man im allgemeinen nur solche auf Segelschiffen, die auf Dampfern nicht zurecht
kommen konnten. Die Stellung der Steuerleute auf Segelschiffen hat mit der
in frühern Zeiten nur uoch die Ähnlichkeit, daß sie noch dieselbe Verantwortung
tragen, daneben aber die Vorarbeiter der Matrosen sind. Wenn die Steuer¬
leute nicht mehr und besser als die Matrosen arbeiten, können sie bei der aufs
äußerste eingeschränkten Bemannung die Schiffe nicht in Ordnung halten und
werden am Ende der Reise vom Reeber und Kapitän dahin geschickt, woher sie
gekommen sind, nämlich ans Land.

Wie schon oben gesagt worden ist, wird die Mannschaft abgedankt, wenn
das Schiff im Heimatshafen nur eben fest liegt, und kommt wieder an Bord,
wenn es seeklar ist. Bis vor wenig Jahren blieben wenigstens der Kapitän
und der Obersteuermmm mit einer Wache an Bord, um das Löschen und das
Laden, sowie die Instandsetzung des Schiffes für die nächste Reise zu über¬
wachen. In neuster Zeit werden auch sie immer mehr am nächsten Tage nach
Hause geschickt, und ein Schiffsinspektor macht alles. Dies geschieht nicht etwa,
um Heuer und Kost zu sparen, sondern nur um den Herren Gelegenheit zu
geben, sich ihren Familien zu widmen.

Der Schiffsinspektor löscht und beladet das Schiff, überwacht die Stauung,
repariert, was nötig ist, rüstet das Schiff für die bevorstehende Reise aus,
nument die Mannschaft an und mustert sie vor dem Seemannsamte. Erst einen
oder zwei Tage vor dem Abgange des Schiffes kommt der Kapitän nebst den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/359>, abgerufen am 26.06.2024.