Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die großen Uunstausstellungen in Berlin

zu dauernder Erhaltung bestimmten beiden Kunstpaläste, ihre Armut an Er¬
findung bekleidet haben, hat den Deutschen nicht mehr imponiert, nachdem in
Deutschland eine gesunde Gegenbewegung gegen diese Art lügnerischer Schein¬
architektur aufgekommen ist. Was die Deutschen um der französischen Archi¬
tektur immer am meisten bewundert haben, die monumentale Größe und
Strenge im Verein mit vollkommner Zweckmäßigkeit, scheint den französischen
Architekten des jetzigen Geschlechts verloren gegangen zu sein. Die französische
Architektur hat sich damit in dieselbe Reihe mit ihren Schwestern, der Malerei
und der Plastik, gestellt, die immer in der pathetischen Phrase und der be¬
rückenden Sinnlichkeit die beiden Pole gesehen haben, zwischen denen sie sich
hin und her bewegen.

Es fehlt natürlich auch in Frankreich oder vielmehr in Paris -- denn
die Kunst außerhalb von Paris spielt in der französischen Kunstbewegung keine
Rolle -- nicht an Künstlern, die als grimmige Gegner der Phrase und des
theatralischen Pathos ihre Freude an den einfachsten, oft auch einfältigsten
Ausdrucksmitteln suchen. Sie glauben damit der Natur viel näher zu kommen
als alle ihre Vorgänger, sie glauben auch in dem ewigen Kampf zwischen
Luft und Licht feinere Nuancen und Übergänge wahrgenommen zu haben, die
sogar den erleuchteten Geistern der frühern Jahrhunderte entgangen sind. Es
braucht eigentlich nicht mehr gesagt zu werden, daß es sich dabei nur um
Landschaftsmaler handelt. Die moderne Malerei glaubt nämlich ihre Farben¬
probleme nur an der Landschaft lösen zu können, und aus diesen Bestrebungen
sind uns allmählich die Offenbarungen geworden, als deren höchste immer noch
der Impressionismus gilt. In Deutschland wenigstens. Denn in Paris ist
der Impressionismus, nachdem er seine Schuldigkeit gethan hat, das Pariser
Publikum ein paar Jahre lang zu unterhalten oder zu ärgern, längst aus der
Mode gekommen. Er scheint nur noch ein dankbares Publikum in Deutsch¬
land zu finden, wo einige spekulative Kunsthändler, die mit dem Pariser Ver¬
trauensmann der Impressionisten in geschäftlicher Verbindung stehn, die Be¬
geisterung ihrer Kunden für diese Abart französischer Kunst zu entflammen
suchen. Sie finden dabei sogar eine freiwillige Unterstützung in deutscheu
Kritikern, die auch Ruisdael und Hobbema für genüge Maler erklären, weil
ihrem Scharfblick die flimmernde Pracht des Himmels entgangen ist, der sich
den Impressionisten des neunzehnten Jahrhunderts aufgethan hat.

Bisher scheint sich dieser Enthusiasmus für die französischen Impressio¬
nisten in Deutschland nur auf die Kunsthändler und einen Teil der Kunst¬
kritiker erstreckt zu haben. Unsre Künstler scheinen dagegen noch so wenig Zu¬
trauen zu dieser Ausdrucksweise zu haben, daß sie lieber alle ander" Moden
mitmachen als diese. Auch die zweite Ausstellung der Berliner Sezession hat
keine Zeugnisse dafür beigebracht, daß der Impressionismus trotz der eifrigen
Propaganda der Kunstausstellungen in Deutschland Boden gefunden habe.
Sogar ein so vielgewandter und allen fremden Einflüssen zugänglicher Künstler
wie Franz Skarbina, der in dieser Ausstellung mit zehn seiner neusten Werke


Die großen Uunstausstellungen in Berlin

zu dauernder Erhaltung bestimmten beiden Kunstpaläste, ihre Armut an Er¬
findung bekleidet haben, hat den Deutschen nicht mehr imponiert, nachdem in
Deutschland eine gesunde Gegenbewegung gegen diese Art lügnerischer Schein¬
architektur aufgekommen ist. Was die Deutschen um der französischen Archi¬
tektur immer am meisten bewundert haben, die monumentale Größe und
Strenge im Verein mit vollkommner Zweckmäßigkeit, scheint den französischen
Architekten des jetzigen Geschlechts verloren gegangen zu sein. Die französische
Architektur hat sich damit in dieselbe Reihe mit ihren Schwestern, der Malerei
und der Plastik, gestellt, die immer in der pathetischen Phrase und der be¬
rückenden Sinnlichkeit die beiden Pole gesehen haben, zwischen denen sie sich
hin und her bewegen.

Es fehlt natürlich auch in Frankreich oder vielmehr in Paris — denn
die Kunst außerhalb von Paris spielt in der französischen Kunstbewegung keine
Rolle — nicht an Künstlern, die als grimmige Gegner der Phrase und des
theatralischen Pathos ihre Freude an den einfachsten, oft auch einfältigsten
Ausdrucksmitteln suchen. Sie glauben damit der Natur viel näher zu kommen
als alle ihre Vorgänger, sie glauben auch in dem ewigen Kampf zwischen
Luft und Licht feinere Nuancen und Übergänge wahrgenommen zu haben, die
sogar den erleuchteten Geistern der frühern Jahrhunderte entgangen sind. Es
braucht eigentlich nicht mehr gesagt zu werden, daß es sich dabei nur um
Landschaftsmaler handelt. Die moderne Malerei glaubt nämlich ihre Farben¬
probleme nur an der Landschaft lösen zu können, und aus diesen Bestrebungen
sind uns allmählich die Offenbarungen geworden, als deren höchste immer noch
der Impressionismus gilt. In Deutschland wenigstens. Denn in Paris ist
der Impressionismus, nachdem er seine Schuldigkeit gethan hat, das Pariser
Publikum ein paar Jahre lang zu unterhalten oder zu ärgern, längst aus der
Mode gekommen. Er scheint nur noch ein dankbares Publikum in Deutsch¬
land zu finden, wo einige spekulative Kunsthändler, die mit dem Pariser Ver¬
trauensmann der Impressionisten in geschäftlicher Verbindung stehn, die Be¬
geisterung ihrer Kunden für diese Abart französischer Kunst zu entflammen
suchen. Sie finden dabei sogar eine freiwillige Unterstützung in deutscheu
Kritikern, die auch Ruisdael und Hobbema für genüge Maler erklären, weil
ihrem Scharfblick die flimmernde Pracht des Himmels entgangen ist, der sich
den Impressionisten des neunzehnten Jahrhunderts aufgethan hat.

Bisher scheint sich dieser Enthusiasmus für die französischen Impressio¬
nisten in Deutschland nur auf die Kunsthändler und einen Teil der Kunst¬
kritiker erstreckt zu haben. Unsre Künstler scheinen dagegen noch so wenig Zu¬
trauen zu dieser Ausdrucksweise zu haben, daß sie lieber alle ander» Moden
mitmachen als diese. Auch die zweite Ausstellung der Berliner Sezession hat
keine Zeugnisse dafür beigebracht, daß der Impressionismus trotz der eifrigen
Propaganda der Kunstausstellungen in Deutschland Boden gefunden habe.
Sogar ein so vielgewandter und allen fremden Einflüssen zugänglicher Künstler
wie Franz Skarbina, der in dieser Ausstellung mit zehn seiner neusten Werke


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291391"/>
          <fw type="header" place="top"> Die großen Uunstausstellungen in Berlin</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1045" prev="#ID_1044"> zu dauernder Erhaltung bestimmten beiden Kunstpaläste, ihre Armut an Er¬<lb/>
findung bekleidet haben, hat den Deutschen nicht mehr imponiert, nachdem in<lb/>
Deutschland eine gesunde Gegenbewegung gegen diese Art lügnerischer Schein¬<lb/>
architektur aufgekommen ist. Was die Deutschen um der französischen Archi¬<lb/>
tektur immer am meisten bewundert haben, die monumentale Größe und<lb/>
Strenge im Verein mit vollkommner Zweckmäßigkeit, scheint den französischen<lb/>
Architekten des jetzigen Geschlechts verloren gegangen zu sein. Die französische<lb/>
Architektur hat sich damit in dieselbe Reihe mit ihren Schwestern, der Malerei<lb/>
und der Plastik, gestellt, die immer in der pathetischen Phrase und der be¬<lb/>
rückenden Sinnlichkeit die beiden Pole gesehen haben, zwischen denen sie sich<lb/>
hin und her bewegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1046"> Es fehlt natürlich auch in Frankreich oder vielmehr in Paris &#x2014; denn<lb/>
die Kunst außerhalb von Paris spielt in der französischen Kunstbewegung keine<lb/>
Rolle &#x2014; nicht an Künstlern, die als grimmige Gegner der Phrase und des<lb/>
theatralischen Pathos ihre Freude an den einfachsten, oft auch einfältigsten<lb/>
Ausdrucksmitteln suchen. Sie glauben damit der Natur viel näher zu kommen<lb/>
als alle ihre Vorgänger, sie glauben auch in dem ewigen Kampf zwischen<lb/>
Luft und Licht feinere Nuancen und Übergänge wahrgenommen zu haben, die<lb/>
sogar den erleuchteten Geistern der frühern Jahrhunderte entgangen sind. Es<lb/>
braucht eigentlich nicht mehr gesagt zu werden, daß es sich dabei nur um<lb/>
Landschaftsmaler handelt. Die moderne Malerei glaubt nämlich ihre Farben¬<lb/>
probleme nur an der Landschaft lösen zu können, und aus diesen Bestrebungen<lb/>
sind uns allmählich die Offenbarungen geworden, als deren höchste immer noch<lb/>
der Impressionismus gilt. In Deutschland wenigstens. Denn in Paris ist<lb/>
der Impressionismus, nachdem er seine Schuldigkeit gethan hat, das Pariser<lb/>
Publikum ein paar Jahre lang zu unterhalten oder zu ärgern, längst aus der<lb/>
Mode gekommen. Er scheint nur noch ein dankbares Publikum in Deutsch¬<lb/>
land zu finden, wo einige spekulative Kunsthändler, die mit dem Pariser Ver¬<lb/>
trauensmann der Impressionisten in geschäftlicher Verbindung stehn, die Be¬<lb/>
geisterung ihrer Kunden für diese Abart französischer Kunst zu entflammen<lb/>
suchen. Sie finden dabei sogar eine freiwillige Unterstützung in deutscheu<lb/>
Kritikern, die auch Ruisdael und Hobbema für genüge Maler erklären, weil<lb/>
ihrem Scharfblick die flimmernde Pracht des Himmels entgangen ist, der sich<lb/>
den Impressionisten des neunzehnten Jahrhunderts aufgethan hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1047" next="#ID_1048"> Bisher scheint sich dieser Enthusiasmus für die französischen Impressio¬<lb/>
nisten in Deutschland nur auf die Kunsthändler und einen Teil der Kunst¬<lb/>
kritiker erstreckt zu haben. Unsre Künstler scheinen dagegen noch so wenig Zu¬<lb/>
trauen zu dieser Ausdrucksweise zu haben, daß sie lieber alle ander» Moden<lb/>
mitmachen als diese. Auch die zweite Ausstellung der Berliner Sezession hat<lb/>
keine Zeugnisse dafür beigebracht, daß der Impressionismus trotz der eifrigen<lb/>
Propaganda der Kunstausstellungen in Deutschland Boden gefunden habe.<lb/>
Sogar ein so vielgewandter und allen fremden Einflüssen zugänglicher Künstler<lb/>
wie Franz Skarbina, der in dieser Ausstellung mit zehn seiner neusten Werke</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0314] Die großen Uunstausstellungen in Berlin zu dauernder Erhaltung bestimmten beiden Kunstpaläste, ihre Armut an Er¬ findung bekleidet haben, hat den Deutschen nicht mehr imponiert, nachdem in Deutschland eine gesunde Gegenbewegung gegen diese Art lügnerischer Schein¬ architektur aufgekommen ist. Was die Deutschen um der französischen Archi¬ tektur immer am meisten bewundert haben, die monumentale Größe und Strenge im Verein mit vollkommner Zweckmäßigkeit, scheint den französischen Architekten des jetzigen Geschlechts verloren gegangen zu sein. Die französische Architektur hat sich damit in dieselbe Reihe mit ihren Schwestern, der Malerei und der Plastik, gestellt, die immer in der pathetischen Phrase und der be¬ rückenden Sinnlichkeit die beiden Pole gesehen haben, zwischen denen sie sich hin und her bewegen. Es fehlt natürlich auch in Frankreich oder vielmehr in Paris — denn die Kunst außerhalb von Paris spielt in der französischen Kunstbewegung keine Rolle — nicht an Künstlern, die als grimmige Gegner der Phrase und des theatralischen Pathos ihre Freude an den einfachsten, oft auch einfältigsten Ausdrucksmitteln suchen. Sie glauben damit der Natur viel näher zu kommen als alle ihre Vorgänger, sie glauben auch in dem ewigen Kampf zwischen Luft und Licht feinere Nuancen und Übergänge wahrgenommen zu haben, die sogar den erleuchteten Geistern der frühern Jahrhunderte entgangen sind. Es braucht eigentlich nicht mehr gesagt zu werden, daß es sich dabei nur um Landschaftsmaler handelt. Die moderne Malerei glaubt nämlich ihre Farben¬ probleme nur an der Landschaft lösen zu können, und aus diesen Bestrebungen sind uns allmählich die Offenbarungen geworden, als deren höchste immer noch der Impressionismus gilt. In Deutschland wenigstens. Denn in Paris ist der Impressionismus, nachdem er seine Schuldigkeit gethan hat, das Pariser Publikum ein paar Jahre lang zu unterhalten oder zu ärgern, längst aus der Mode gekommen. Er scheint nur noch ein dankbares Publikum in Deutsch¬ land zu finden, wo einige spekulative Kunsthändler, die mit dem Pariser Ver¬ trauensmann der Impressionisten in geschäftlicher Verbindung stehn, die Be¬ geisterung ihrer Kunden für diese Abart französischer Kunst zu entflammen suchen. Sie finden dabei sogar eine freiwillige Unterstützung in deutscheu Kritikern, die auch Ruisdael und Hobbema für genüge Maler erklären, weil ihrem Scharfblick die flimmernde Pracht des Himmels entgangen ist, der sich den Impressionisten des neunzehnten Jahrhunderts aufgethan hat. Bisher scheint sich dieser Enthusiasmus für die französischen Impressio¬ nisten in Deutschland nur auf die Kunsthändler und einen Teil der Kunst¬ kritiker erstreckt zu haben. Unsre Künstler scheinen dagegen noch so wenig Zu¬ trauen zu dieser Ausdrucksweise zu haben, daß sie lieber alle ander» Moden mitmachen als diese. Auch die zweite Ausstellung der Berliner Sezession hat keine Zeugnisse dafür beigebracht, daß der Impressionismus trotz der eifrigen Propaganda der Kunstausstellungen in Deutschland Boden gefunden habe. Sogar ein so vielgewandter und allen fremden Einflüssen zugänglicher Künstler wie Franz Skarbina, der in dieser Ausstellung mit zehn seiner neusten Werke

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/314
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/314>, abgerufen am 26.06.2024.