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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Latifundien und Vcincrngut

wirtschaften und Geld schicken -- im übrigen soll sie ein gütiger Himmel davor
bewahren, das Dienen aufgeben und das Herrschen ans eignem oder gepachteten
Boden beginnen zu müssen. Und so bleiben unsre Junker, und zwar gerade
die besten und tüchtigsten Kräfte unter ihnen, mir zu gern und zu ost im Dienst
und in der Stadt, bis der blaue Brief sie endlich nach Hanse treibt auf die
väterliche Scholle oder in ein Pcnsiouslogis. Verloren sind sie für den Beruf, zu
dem ihre Geburt sie doch bestimmt hatte. Ist das nnn etwa kein "Abwandern"
in die Stadt? Ist das etwa nicht sehr ähnlich dem Lebensgang des Bauern¬
burschen aus dem Dorf durch die Kaserne in die Stadt? Man hat Arbeiter¬
mangel in Ostelbien, und man hat auch Herrenmangel; denn mit Inspektor-
Wirtschaft, mit solchen widerwillig und kenntnisnrm an die Kutsche gefesselten
Herren, mit Herren, denen die väterliche Scholle nicht heiliger Boden ist, denen
der sittliche Segen des Landbaus fremd ist, die nicht ernste Pflichten, sondern
nur Geld in dein Großgrundbesitz suchen -- mit solchen Junkern ist es nicht
gethan.

Ich weiß wohl, mau kann den Einzelne" nicht immer auch durchaus verant¬
wortlich machen für das, was die Wirkung einer langen historischen Entwick¬
lung ist. Der preußische Adel besonders tragt heute den Charakter, den ihm
die Geschichte des Hohenzollernstaats aufgedrückt hat. Es ist eine ehrenreiche
Geschichte, und dieser Adel darf stolz darauf sein, als tüchtiges Instrument in
der Hand seiner Fürsten für den Ausbau dieser deutscheu Kolonie zu einem
festen Bergfried des neuen Deutschlands Großes geleistet zu haben. Aber
dieser Adel war doch nur Instrument, er lebte und schaffte nicht frei nach
selbstgewiesener Bahn, sondern von jeher für den König und durch ihn für
den Staat; er ist Kvnigsadel geworden, er denkt, fühlt, handelt für und durch
den König, er hat seine Rechte wie seine Pflichten durch den König, er giebt
alles für den König, er erwartet alles von dem Könige.

Diese Art von Königstrene ist der Stolz des preußischen Adels, und mit
Recht. Aber sie hat auch ihre Kehrseite.

Vor fünfhundert Jahren waren die Köckeritze und die Quitzows der Mark
Brandenburg wilde Gesellen, aber sie standen auf eignen Füßen und wollten
nur auf eignen Füßen stehn; und in Preußen trieben es die Junker damals
'"ehe anders, als der stolze Orden, der Preußen schuf, von dem Eidechscnbnnde
untergraben wurde. Vou der trotzigen Kraft der Ahnen steckt auch heute noch
etwas in den Muskeln des preußischen Edelmanns. Aber es hat sich manches
geändert, er steht nicht mehr auf eignen Füßen und null nicht darauf stehn;
er will von den, Könige, dem er von jeher gedient hat, gestützt sein. So
ehrenhaft der Dienst sein mag -- er bleibt Unfreiheit. So ruhmvoll die Ge¬
schichte des preußischen Adels ist -- er hat nicht bloß Gut und Blut dem
Könige geopfert, sondern anch seine beste ständische Kraft, die Selbständigkeit.
Er hat allmählich den Charakter des Dienstadels angenommen, ihm ist das
Bewußtsein geschwunden, auf eignen, Recht zu stehn, und er kam kaum zu dem
Bewußtsein, noch andre Pflichten als dem Könige gegenüber zu haben. Echte


Latifundien und Vcincrngut

wirtschaften und Geld schicken — im übrigen soll sie ein gütiger Himmel davor
bewahren, das Dienen aufgeben und das Herrschen ans eignem oder gepachteten
Boden beginnen zu müssen. Und so bleiben unsre Junker, und zwar gerade
die besten und tüchtigsten Kräfte unter ihnen, mir zu gern und zu ost im Dienst
und in der Stadt, bis der blaue Brief sie endlich nach Hanse treibt auf die
väterliche Scholle oder in ein Pcnsiouslogis. Verloren sind sie für den Beruf, zu
dem ihre Geburt sie doch bestimmt hatte. Ist das nnn etwa kein „Abwandern"
in die Stadt? Ist das etwa nicht sehr ähnlich dem Lebensgang des Bauern¬
burschen aus dem Dorf durch die Kaserne in die Stadt? Man hat Arbeiter¬
mangel in Ostelbien, und man hat auch Herrenmangel; denn mit Inspektor-
Wirtschaft, mit solchen widerwillig und kenntnisnrm an die Kutsche gefesselten
Herren, mit Herren, denen die väterliche Scholle nicht heiliger Boden ist, denen
der sittliche Segen des Landbaus fremd ist, die nicht ernste Pflichten, sondern
nur Geld in dein Großgrundbesitz suchen — mit solchen Junkern ist es nicht
gethan.

Ich weiß wohl, mau kann den Einzelne« nicht immer auch durchaus verant¬
wortlich machen für das, was die Wirkung einer langen historischen Entwick¬
lung ist. Der preußische Adel besonders tragt heute den Charakter, den ihm
die Geschichte des Hohenzollernstaats aufgedrückt hat. Es ist eine ehrenreiche
Geschichte, und dieser Adel darf stolz darauf sein, als tüchtiges Instrument in
der Hand seiner Fürsten für den Ausbau dieser deutscheu Kolonie zu einem
festen Bergfried des neuen Deutschlands Großes geleistet zu haben. Aber
dieser Adel war doch nur Instrument, er lebte und schaffte nicht frei nach
selbstgewiesener Bahn, sondern von jeher für den König und durch ihn für
den Staat; er ist Kvnigsadel geworden, er denkt, fühlt, handelt für und durch
den König, er hat seine Rechte wie seine Pflichten durch den König, er giebt
alles für den König, er erwartet alles von dem Könige.

Diese Art von Königstrene ist der Stolz des preußischen Adels, und mit
Recht. Aber sie hat auch ihre Kehrseite.

Vor fünfhundert Jahren waren die Köckeritze und die Quitzows der Mark
Brandenburg wilde Gesellen, aber sie standen auf eignen Füßen und wollten
nur auf eignen Füßen stehn; und in Preußen trieben es die Junker damals
'"ehe anders, als der stolze Orden, der Preußen schuf, von dem Eidechscnbnnde
untergraben wurde. Vou der trotzigen Kraft der Ahnen steckt auch heute noch
etwas in den Muskeln des preußischen Edelmanns. Aber es hat sich manches
geändert, er steht nicht mehr auf eignen Füßen und null nicht darauf stehn;
er will von den, Könige, dem er von jeher gedient hat, gestützt sein. So
ehrenhaft der Dienst sein mag — er bleibt Unfreiheit. So ruhmvoll die Ge¬
schichte des preußischen Adels ist — er hat nicht bloß Gut und Blut dem
Könige geopfert, sondern anch seine beste ständische Kraft, die Selbständigkeit.
Er hat allmählich den Charakter des Dienstadels angenommen, ihm ist das
Bewußtsein geschwunden, auf eignen, Recht zu stehn, und er kam kaum zu dem
Bewußtsein, noch andre Pflichten als dem Könige gegenüber zu haben. Echte


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[0289] Latifundien und Vcincrngut wirtschaften und Geld schicken — im übrigen soll sie ein gütiger Himmel davor bewahren, das Dienen aufgeben und das Herrschen ans eignem oder gepachteten Boden beginnen zu müssen. Und so bleiben unsre Junker, und zwar gerade die besten und tüchtigsten Kräfte unter ihnen, mir zu gern und zu ost im Dienst und in der Stadt, bis der blaue Brief sie endlich nach Hanse treibt auf die väterliche Scholle oder in ein Pcnsiouslogis. Verloren sind sie für den Beruf, zu dem ihre Geburt sie doch bestimmt hatte. Ist das nnn etwa kein „Abwandern" in die Stadt? Ist das etwa nicht sehr ähnlich dem Lebensgang des Bauern¬ burschen aus dem Dorf durch die Kaserne in die Stadt? Man hat Arbeiter¬ mangel in Ostelbien, und man hat auch Herrenmangel; denn mit Inspektor- Wirtschaft, mit solchen widerwillig und kenntnisnrm an die Kutsche gefesselten Herren, mit Herren, denen die väterliche Scholle nicht heiliger Boden ist, denen der sittliche Segen des Landbaus fremd ist, die nicht ernste Pflichten, sondern nur Geld in dein Großgrundbesitz suchen — mit solchen Junkern ist es nicht gethan. Ich weiß wohl, mau kann den Einzelne« nicht immer auch durchaus verant¬ wortlich machen für das, was die Wirkung einer langen historischen Entwick¬ lung ist. Der preußische Adel besonders tragt heute den Charakter, den ihm die Geschichte des Hohenzollernstaats aufgedrückt hat. Es ist eine ehrenreiche Geschichte, und dieser Adel darf stolz darauf sein, als tüchtiges Instrument in der Hand seiner Fürsten für den Ausbau dieser deutscheu Kolonie zu einem festen Bergfried des neuen Deutschlands Großes geleistet zu haben. Aber dieser Adel war doch nur Instrument, er lebte und schaffte nicht frei nach selbstgewiesener Bahn, sondern von jeher für den König und durch ihn für den Staat; er ist Kvnigsadel geworden, er denkt, fühlt, handelt für und durch den König, er hat seine Rechte wie seine Pflichten durch den König, er giebt alles für den König, er erwartet alles von dem Könige. Diese Art von Königstrene ist der Stolz des preußischen Adels, und mit Recht. Aber sie hat auch ihre Kehrseite. Vor fünfhundert Jahren waren die Köckeritze und die Quitzows der Mark Brandenburg wilde Gesellen, aber sie standen auf eignen Füßen und wollten nur auf eignen Füßen stehn; und in Preußen trieben es die Junker damals '"ehe anders, als der stolze Orden, der Preußen schuf, von dem Eidechscnbnnde untergraben wurde. Vou der trotzigen Kraft der Ahnen steckt auch heute noch etwas in den Muskeln des preußischen Edelmanns. Aber es hat sich manches geändert, er steht nicht mehr auf eignen Füßen und null nicht darauf stehn; er will von den, Könige, dem er von jeher gedient hat, gestützt sein. So ehrenhaft der Dienst sein mag — er bleibt Unfreiheit. So ruhmvoll die Ge¬ schichte des preußischen Adels ist — er hat nicht bloß Gut und Blut dem Könige geopfert, sondern anch seine beste ständische Kraft, die Selbständigkeit. Er hat allmählich den Charakter des Dienstadels angenommen, ihm ist das Bewußtsein geschwunden, auf eignen, Recht zu stehn, und er kam kaum zu dem Bewußtsein, noch andre Pflichten als dem Könige gegenüber zu haben. Echte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/289>, abgerufen am 22.06.2024.