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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Der Kongreß im Göpfersbacher Thal

Da ging mit einemmal eine Bewegung durch die Versammlung, ein mächtiger
Uhu erhob sich aus dem Wipfel der Buche, umkreiste mit langsamen Flügelschlngeu
den Platz und stieß zwölfmnl seinen schauerlichen Ruf aus. Alles wurde ruhig,
uur die Nixe vom Göpfersbach schluchzte uoch einmal auf, und der Feuermann von
Breitungen prasselte leise weiter.

Der Rotmautel vom Teufelskreis aber trat einen Schritt vor, zog seineu
Jägerhut mit der roten Hahnenfeder ab, scharrte höflich mit dem Pferdefuß nach
hinten aus und sprach: Meine Damen, Herren und Spukviecher! Als äiabolus
loci habe ich die angenehme Pflicht, den hundertjährigen Kongreß der Thüringer
Spukgeister zu eröffnen, der satzungsgemäß in der Johannisnacht des letzten Jahres
in jedem Jahrhundert stattzufinden hat. Ich begrüße Sie alle mit teufelsmäßiger
Freude und hoffe, daß auch die heutigen Verhandlungen dazu beitragen werden,
unsre Interessen zu fördern, das Gefühl der Zusammengehörigkeit in den ver¬
schiednen Sagenkreisen zu vertiefen und der zunehmenden Zivilisation, die unsre
Existenz mehr und mehr bedroht, endlich einmal Einhalt zu thun. Sie wissen,
daß als Versammlungsort ein für allemal der Hörselberg vorgeschrieben ist, jedoch hat
der Vorstand geglaubt, von der ihm eingeräumten Befugnis, ausnahmsweise auch
ein andres Lokal zu bestimmen, diesmal Gebrauch machen zu müssen, weil der
Thüringer Waldverein auf dem Hörselberg ein Wirtshaus gebaut hat und Venus
in die Wochen gekommen ist, was beides störend wirkt. (Hier knuffte Doktor Faust
Tannhäuser in die Seite, und dieser wurde rot und warf dem Redner einen bösen
Blick zu.) Von dieser Befugnis ist nur selten Gebrauch gemacht wordeu, zum
erstenmal am Ausgang der neolithischen Periode, um in der Gegend von Erfurt
gegen die Einführung von bronzenen Waffen und Geräten zu demonstrieren, was
aber nichts geholfen hat, zum letztenmal im Jahre 1700, als es sich darum handelte,
Schritte gegen den Verfall der Hexenprozesse zu thu". Bei der Wahl des heutigen
Versammlungsorts war ausschlaggebend ein Gesuch der Nixe vom Göpfersbach, die
um Maßregeln gegen die im Bau begriffne Eisenbahn Ilmenau-Schleusingen bittet.
Wenn Sie bedenken, wie sehr uns die Eisenbahnen schon geschädigt haben, und wie
viele Spukgeister gegenwärtig wegen Obdachlosigkeit der Verbandskasse zur Last
fallen, werden Sie das Vorgehn des Vorstands gewiß gutheißen. Ich ersuche nun
den Schriftführer, das Protokoll der vorigen Sitzung zu verlesen.

Der Schriftführer, ein uralter, laugbärtiger Zwerg, der vor einem Baum¬
stumpf auf der Erde saß, breitete einige schweinslederne Schriftstücke vor sich ans,
zog sich das linke Bein aus der Hüfte und klopfte damit dreimal auf den Stumpf,
und das klapperte sehr laut, denn das Bein war sehr dürr. Dann steckte er es
wieder an seinen Ort und schickte sich an, mit der Verlesung zu beginnen, aber da
wurde er durch einen Zwischenfall unterbrochen. Ein Holzmännel aus dem Voge¬
lart hatte sich hinter den wilden Jäger geschlichen und dessen ersten Vorstehhund
in den Schwanz gekneipt; der Hund wandte sich darauf heulend um, packte das
Holzmännel, das jämmerlich zu quälen begann, um den Leib und fuhr mit ihm in
die Luft. Da stieß der wilde Jäger einen Fluch aus, riß dem Oberjägermeistcr,
der in respektvoller Haltung hinter ihm stand, den Kopf ab und schleuderte thu mit
einem wohlgezielten Wurf dem Hund in die Weichen, sodaß es einen dumpfen,
hohlen Klang gab, denn der Hund hatte lange nichts gefressen. Dieser ließ sein
Opfer fahren, klemmte den Schwanz ein und apportierte den Kopf dem Oberjäger¬
meister, der ihn ruhig, als ob nichts geschehn wäre, wieder aufsetzte, wobei er dem
Hund einen kräftigen Fußtritt verabreichte.

Der Rvtmcmtel schüttelte mißbilligend den Kopf und sagte: Aber, meine Herren,
Sie wissen doch, geistlose Scherze sind unter uns nicht üblich, namentlich nicht in
der Jvhannisnncht. Und dann nehmen Sie doch, bitte, die Hunde an die Leine.


Der Kongreß im Göpfersbacher Thal

Da ging mit einemmal eine Bewegung durch die Versammlung, ein mächtiger
Uhu erhob sich aus dem Wipfel der Buche, umkreiste mit langsamen Flügelschlngeu
den Platz und stieß zwölfmnl seinen schauerlichen Ruf aus. Alles wurde ruhig,
uur die Nixe vom Göpfersbach schluchzte uoch einmal auf, und der Feuermann von
Breitungen prasselte leise weiter.

Der Rotmautel vom Teufelskreis aber trat einen Schritt vor, zog seineu
Jägerhut mit der roten Hahnenfeder ab, scharrte höflich mit dem Pferdefuß nach
hinten aus und sprach: Meine Damen, Herren und Spukviecher! Als äiabolus
loci habe ich die angenehme Pflicht, den hundertjährigen Kongreß der Thüringer
Spukgeister zu eröffnen, der satzungsgemäß in der Johannisnacht des letzten Jahres
in jedem Jahrhundert stattzufinden hat. Ich begrüße Sie alle mit teufelsmäßiger
Freude und hoffe, daß auch die heutigen Verhandlungen dazu beitragen werden,
unsre Interessen zu fördern, das Gefühl der Zusammengehörigkeit in den ver¬
schiednen Sagenkreisen zu vertiefen und der zunehmenden Zivilisation, die unsre
Existenz mehr und mehr bedroht, endlich einmal Einhalt zu thun. Sie wissen,
daß als Versammlungsort ein für allemal der Hörselberg vorgeschrieben ist, jedoch hat
der Vorstand geglaubt, von der ihm eingeräumten Befugnis, ausnahmsweise auch
ein andres Lokal zu bestimmen, diesmal Gebrauch machen zu müssen, weil der
Thüringer Waldverein auf dem Hörselberg ein Wirtshaus gebaut hat und Venus
in die Wochen gekommen ist, was beides störend wirkt. (Hier knuffte Doktor Faust
Tannhäuser in die Seite, und dieser wurde rot und warf dem Redner einen bösen
Blick zu.) Von dieser Befugnis ist nur selten Gebrauch gemacht wordeu, zum
erstenmal am Ausgang der neolithischen Periode, um in der Gegend von Erfurt
gegen die Einführung von bronzenen Waffen und Geräten zu demonstrieren, was
aber nichts geholfen hat, zum letztenmal im Jahre 1700, als es sich darum handelte,
Schritte gegen den Verfall der Hexenprozesse zu thu». Bei der Wahl des heutigen
Versammlungsorts war ausschlaggebend ein Gesuch der Nixe vom Göpfersbach, die
um Maßregeln gegen die im Bau begriffne Eisenbahn Ilmenau-Schleusingen bittet.
Wenn Sie bedenken, wie sehr uns die Eisenbahnen schon geschädigt haben, und wie
viele Spukgeister gegenwärtig wegen Obdachlosigkeit der Verbandskasse zur Last
fallen, werden Sie das Vorgehn des Vorstands gewiß gutheißen. Ich ersuche nun
den Schriftführer, das Protokoll der vorigen Sitzung zu verlesen.

Der Schriftführer, ein uralter, laugbärtiger Zwerg, der vor einem Baum¬
stumpf auf der Erde saß, breitete einige schweinslederne Schriftstücke vor sich ans,
zog sich das linke Bein aus der Hüfte und klopfte damit dreimal auf den Stumpf,
und das klapperte sehr laut, denn das Bein war sehr dürr. Dann steckte er es
wieder an seinen Ort und schickte sich an, mit der Verlesung zu beginnen, aber da
wurde er durch einen Zwischenfall unterbrochen. Ein Holzmännel aus dem Voge¬
lart hatte sich hinter den wilden Jäger geschlichen und dessen ersten Vorstehhund
in den Schwanz gekneipt; der Hund wandte sich darauf heulend um, packte das
Holzmännel, das jämmerlich zu quälen begann, um den Leib und fuhr mit ihm in
die Luft. Da stieß der wilde Jäger einen Fluch aus, riß dem Oberjägermeistcr,
der in respektvoller Haltung hinter ihm stand, den Kopf ab und schleuderte thu mit
einem wohlgezielten Wurf dem Hund in die Weichen, sodaß es einen dumpfen,
hohlen Klang gab, denn der Hund hatte lange nichts gefressen. Dieser ließ sein
Opfer fahren, klemmte den Schwanz ein und apportierte den Kopf dem Oberjäger¬
meister, der ihn ruhig, als ob nichts geschehn wäre, wieder aufsetzte, wobei er dem
Hund einen kräftigen Fußtritt verabreichte.

Der Rvtmcmtel schüttelte mißbilligend den Kopf und sagte: Aber, meine Herren,
Sie wissen doch, geistlose Scherze sind unter uns nicht üblich, namentlich nicht in
der Jvhannisnncht. Und dann nehmen Sie doch, bitte, die Hunde an die Leine.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/206>, abgerufen am 26.06.2024.