Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.Dreimal gefunden Sie hob ihr Kind einen Augenblick an ihr Gesicht, und ein Schluchzen ent¬ Aber zum Unglück trat Sünde hinzu. Deal wir dachten, wenn Ihr so ge¬ Der alte Bjerke drückte die Augen zusammen, als ob er das Tageslicht nicht Es vergingen fünfviertel Jahre, und dann kam das arme Würmchen zur Welt, Still! schrie der Greis und blickte entsetzt auf. Ja -- so ist es; aber wessen Schuld war es? Dann reiste Asmund nach Der alte Bjerke wiegte sich unruhig hin und her. Es war, als brenne der Der Elias soll anspannen und den Doktor holen! donnerte der Alte. Und Ja! Sie verstand ihn, sie traute nur ihren eignen Ohren nicht. Aber nun Jetzt verstand auch Ragna den Sinn seiner Worte. Aber dieser Erfolg ergriff Währenddem saß der alte Bjerke in seinem Lehnstuhl und beobachtete sie; er Dreimal gefunden Sie hob ihr Kind einen Augenblick an ihr Gesicht, und ein Schluchzen ent¬ Aber zum Unglück trat Sünde hinzu. Deal wir dachten, wenn Ihr so ge¬ Der alte Bjerke drückte die Augen zusammen, als ob er das Tageslicht nicht Es vergingen fünfviertel Jahre, und dann kam das arme Würmchen zur Welt, Still! schrie der Greis und blickte entsetzt auf. Ja — so ist es; aber wessen Schuld war es? Dann reiste Asmund nach Der alte Bjerke wiegte sich unruhig hin und her. Es war, als brenne der Der Elias soll anspannen und den Doktor holen! donnerte der Alte. Und Ja! Sie verstand ihn, sie traute nur ihren eignen Ohren nicht. Aber nun Jetzt verstand auch Ragna den Sinn seiner Worte. Aber dieser Erfolg ergriff Währenddem saß der alte Bjerke in seinem Lehnstuhl und beobachtete sie; er <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291235"/> <fw type="header" place="top"> Dreimal gefunden</fw><lb/> <p xml:id="ID_555"> Sie hob ihr Kind einen Augenblick an ihr Gesicht, und ein Schluchzen ent¬<lb/> rang sich ihrer gepreßten Brust. Doch schnell überwand sie ihre Schwäche und<lb/> fuhr fort:</p><lb/> <p xml:id="ID_556"> Aber zum Unglück trat Sünde hinzu. Deal wir dachten, wenn Ihr so ge¬<lb/> wesen wäret, wie Ihr hättet sein sollen, dann wäre der Junge am Leben ge¬<lb/> blieben — er hätte mit dem Großvater gespielt und einmal, als ein prächtiger<lb/> Jüngling, seinem Namen Ehre gemacht. Statt dessen kam ein Fluch über ihn<lb/> wie über uns auch. Das möge Euch Gott verzechn.</p><lb/> <p xml:id="ID_557"> Der alte Bjerke drückte die Augen zusammen, als ob er das Tageslicht nicht<lb/> ertragen könnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_558"> Es vergingen fünfviertel Jahre, und dann kam das arme Würmchen zur Welt,<lb/> das ich hier auf dem Arme habe. Wir haben es gepflegt, so gut wir konnten,<lb/> aber auf der Jacht war wenig Platz und wenig Licht — und das Kind wurde<lb/> immer kränker und kränker. Da war das Unglück wieder da mitsamt der Sünde —<lb/> wir setzten Fluch gegen Fluch: Warum mußte er weiter leben, der an allem Un¬<lb/> glück schuld war?</p><lb/> <p xml:id="ID_559"> Still! schrie der Greis und blickte entsetzt auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_560"> Ja — so ist es; aber wessen Schuld war es? Dann reiste Asmund nach<lb/> Christianssund. Da war es gestern früh, daß die Sonne einen kleinen Strahl in<lb/> die Kajüte warf, und da lächelte das arme Würmchen. Gott und Vater! Und<lb/> es wandte seine Äuglein der Sonne zu. Ich dachte an das große Haus, wo Ihr<lb/> wohntet, und an die Pflege, die dem Kinde hier zu teil werden könnte — und<lb/> da kam es über mich, daß ich nicht mehr an das Böse glauben wollte und zu mir<lb/> sagte: Wir sind es nicht, die dem alten Vater das Leben mißgönnen, sondern das<lb/> Unglück ist es, denn dieses denkt sich immer so viel Böses ans. Ich will zu ihm<lb/> gehn und ihm dieses kleine Leben bringen, und wenn er es aufnimmt, dann nimmt<lb/> er wohl Vater und Mutter auch auf. So, nun müßt Ihr so handeln, wie Ihr<lb/> es über das Herz bringt. Aber wenn Ihr mich mit dem kranken Kinde vom Hofe<lb/> jagt, dann jagt Ihr uns beide in den Tod und vielleicht Euern Sohn dazu.</p><lb/> <p xml:id="ID_561"> Der alte Bjerke wiegte sich unruhig hin und her. Es war, als brenne der<lb/> Sitz unter ihm, und er sah Ragna fast ängstlich an. Plötzlich faßte er sich, schlug<lb/> aufs neue mit dem Stock auf den Tisch und räusperte sich wie ein heiserer Kom¬<lb/> mandeur. Nagna schwankte zurück, und es dunkelte ihr vor den Augen. Aber zu¬<lb/> gleich erschien das verschüchterte Gesicht der Buckligen unter der Thür.</p><lb/> <p xml:id="ID_562"> Der Elias soll anspannen und den Doktor holen! donnerte der Alte. Und<lb/> du machst Feuer im Ofen und bringst Asmund seine Zimmer in Ordnung. Aber<lb/> Tod und Teufel! das soll gehn wie das Wetter! Verstehst du mich?</p><lb/> <p xml:id="ID_563"> Ja! Sie verstand ihn, sie traute nur ihren eignen Ohren nicht. Aber nun<lb/> flog sie mit dem Befehl zur Thür hinaus, und er wurde in aller Eile ausgeführt,<lb/> denn des alten Bjerkes Leute hatten gelernt zu gehorchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_564"> Jetzt verstand auch Ragna den Sinn seiner Worte. Aber dieser Erfolg ergriff<lb/> sie so heftig, daß sie plötzlich meinte, auf den Boden sinken zu müssen. Hätte der<lb/> harte Mann sie vom Hofe gejagt, so hätte sie ihn mit festen Schritten verlassen,<lb/> aber jetzt, wo sie den Sieg gewonnen hatte, war an ihrem ganzen Körper kein<lb/> Glied, das nicht vor Schwäche gebebt hätte. Sie taumelte auf einen Stuhl, und<lb/> das Kind an ihr thränenüberströmtes Gesicht drückend, gab sie sich einer Gemüts¬<lb/> bewegung hin, die ihren ganzen Körper erschütterte.</p><lb/> <p xml:id="ID_565" next="#ID_566"> Währenddem saß der alte Bjerke in seinem Lehnstuhl und beobachtete sie; er<lb/> trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, als wolle er sich das, Was er sah, genau<lb/> aufzeichnen. Das Bullenbeißergesicht aber war verschwunden, nur ein wenig von<lb/> einem alten Filou war wieder da — seinen ganzen geistigen Anzug zu wechseln,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
Dreimal gefunden
Sie hob ihr Kind einen Augenblick an ihr Gesicht, und ein Schluchzen ent¬
rang sich ihrer gepreßten Brust. Doch schnell überwand sie ihre Schwäche und
fuhr fort:
Aber zum Unglück trat Sünde hinzu. Deal wir dachten, wenn Ihr so ge¬
wesen wäret, wie Ihr hättet sein sollen, dann wäre der Junge am Leben ge¬
blieben — er hätte mit dem Großvater gespielt und einmal, als ein prächtiger
Jüngling, seinem Namen Ehre gemacht. Statt dessen kam ein Fluch über ihn
wie über uns auch. Das möge Euch Gott verzechn.
Der alte Bjerke drückte die Augen zusammen, als ob er das Tageslicht nicht
ertragen könnte.
Es vergingen fünfviertel Jahre, und dann kam das arme Würmchen zur Welt,
das ich hier auf dem Arme habe. Wir haben es gepflegt, so gut wir konnten,
aber auf der Jacht war wenig Platz und wenig Licht — und das Kind wurde
immer kränker und kränker. Da war das Unglück wieder da mitsamt der Sünde —
wir setzten Fluch gegen Fluch: Warum mußte er weiter leben, der an allem Un¬
glück schuld war?
Still! schrie der Greis und blickte entsetzt auf.
Ja — so ist es; aber wessen Schuld war es? Dann reiste Asmund nach
Christianssund. Da war es gestern früh, daß die Sonne einen kleinen Strahl in
die Kajüte warf, und da lächelte das arme Würmchen. Gott und Vater! Und
es wandte seine Äuglein der Sonne zu. Ich dachte an das große Haus, wo Ihr
wohntet, und an die Pflege, die dem Kinde hier zu teil werden könnte — und
da kam es über mich, daß ich nicht mehr an das Böse glauben wollte und zu mir
sagte: Wir sind es nicht, die dem alten Vater das Leben mißgönnen, sondern das
Unglück ist es, denn dieses denkt sich immer so viel Böses ans. Ich will zu ihm
gehn und ihm dieses kleine Leben bringen, und wenn er es aufnimmt, dann nimmt
er wohl Vater und Mutter auch auf. So, nun müßt Ihr so handeln, wie Ihr
es über das Herz bringt. Aber wenn Ihr mich mit dem kranken Kinde vom Hofe
jagt, dann jagt Ihr uns beide in den Tod und vielleicht Euern Sohn dazu.
Der alte Bjerke wiegte sich unruhig hin und her. Es war, als brenne der
Sitz unter ihm, und er sah Ragna fast ängstlich an. Plötzlich faßte er sich, schlug
aufs neue mit dem Stock auf den Tisch und räusperte sich wie ein heiserer Kom¬
mandeur. Nagna schwankte zurück, und es dunkelte ihr vor den Augen. Aber zu¬
gleich erschien das verschüchterte Gesicht der Buckligen unter der Thür.
Der Elias soll anspannen und den Doktor holen! donnerte der Alte. Und
du machst Feuer im Ofen und bringst Asmund seine Zimmer in Ordnung. Aber
Tod und Teufel! das soll gehn wie das Wetter! Verstehst du mich?
Ja! Sie verstand ihn, sie traute nur ihren eignen Ohren nicht. Aber nun
flog sie mit dem Befehl zur Thür hinaus, und er wurde in aller Eile ausgeführt,
denn des alten Bjerkes Leute hatten gelernt zu gehorchen.
Jetzt verstand auch Ragna den Sinn seiner Worte. Aber dieser Erfolg ergriff
sie so heftig, daß sie plötzlich meinte, auf den Boden sinken zu müssen. Hätte der
harte Mann sie vom Hofe gejagt, so hätte sie ihn mit festen Schritten verlassen,
aber jetzt, wo sie den Sieg gewonnen hatte, war an ihrem ganzen Körper kein
Glied, das nicht vor Schwäche gebebt hätte. Sie taumelte auf einen Stuhl, und
das Kind an ihr thränenüberströmtes Gesicht drückend, gab sie sich einer Gemüts¬
bewegung hin, die ihren ganzen Körper erschütterte.
Währenddem saß der alte Bjerke in seinem Lehnstuhl und beobachtete sie; er
trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, als wolle er sich das, Was er sah, genau
aufzeichnen. Das Bullenbeißergesicht aber war verschwunden, nur ein wenig von
einem alten Filou war wieder da — seinen ganzen geistigen Anzug zu wechseln,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |