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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Preußische Könige und die Sozialpolitik

heit sei, bezeugt Schmoller, indem er beschreibt, wie der preußische Gesandte
in Petersburg, von Mardefeld, geradezu als Generalagent für die Tuchkom-
pagnie seine diplomatischen Beziehungen aufs äußerste nnsnutzen mußte und
in der That auch sehr geschickt ausnutzte. Der größtmögliche Unternehmer-
gewinn war indes nicht das Ziel, worauf Friedrich Wilhelm I. ausging, sondern
eine dauernde Tüchtigkeit der Industrie sollte erreicht werden, indem zugleich
die im Dienste der Unternehmungen stehenden Kleinmeister und Arbeiter nach
Möglichkeit gegen Ausbeutung geschützt wurden. Auch hat dieser König Mono¬
pole und Privilegien immer nur erteilt auf Zeit lind mit dem offen ausge-
sprochnen Borbehalt der Zurücknahme, sobald die Kinderjahre der betreffenden
Unternehmungen abgelaufen waren und sie auf eignen Füßen stehn konnten
oder stehn sollten. So hatte die Tuchkompagnie gegen den Wunsch des Königs
auf sechs Jahre zunächst die Freiheit vou allen Jmposten für russische Waren
bis auf die Niederlage von Stettin und Frankfurt erhalten, um den Handel
mit russischen Produkten, der bisher durch den Sund nach der Nordsee ging,
möglichst nach Stettin zu ziehn.

Nach Ablauf der sechs Jahre machte der König sofort den freilich dann
nachgelassenen Versuch, der Kompagnie das Recht wieder zu nehmen. Als sie
die Zölle auf dem Oder-Haveliürs uach Magdeburg hauptsächlich für russischen
Talg soweit ermäßigt haben wollte, daß sie die Waren so leicht wie die Ham¬
burger nach Magdeburg bringen könnten, wollte der König davon gar nichts
Nüssen; er schrieb zunächst auf ihr Gesuch: "ich halte uns von die ganze
Compagnie, sobald sie nit 3--400000 g-ronirisn einländische Tücher nach Rus-
land schicken; sie habe dieses M- 100000 gesandt, wie sie sag, ich glaube es
aber nit, solln sich exenixir!" Als nach 1730 die Wollpreise in Brandenburg
sehr stark stiegen und dies anscheinend durch die russischen Lieferungen der
Tnchkompagnie veranlaßt wurde, schlug der König das Verlangen, der Kom¬
pagnie Exportprämien (Doueeurgelder) auf die Ausfuhr von Tücher nach
Rußland zu geben, da die Tuchpreise dort nicht entsprechend den Wollpreisen
hier stiegen, ärgerlich ab und befahl 1731 "sowohl Neumairk) als Pomme(rü)
u. Kür Marck auf fixen Preis die Wolle zu setzen, pitto. 'U." Die
Kompagnie wagt es, ihr Gesuch auf Exportprämien zu wiederholen, doch der
König bleibt unerbittlich und antwortet: "sonder lissonnir sollen die Wolle
auf den Preiß setzen, wie gewehsen ist. >V."

Das Generaldirektorium und die Berliner Kriegs- und Domänenkammer
haben dann, nach Schmoller, den bei einem König, wie Friedrich Wilhelm,
nicht ungefährlichen Weg beschritten, den Befehl einfach nicht auszuführen,
weil sie ihn für falsch hielten. Alle diese Entscheidungen des Königs zeigen
uns aber, daß er sich von den Unternehmern durchaus nicht einschüchtern ließ,
daß er sie nur insoweit zu schützen gewillt war, als das öffentliche Interesse,
das Gemeinwohl einen Schlitz geboten. Auf der andern Seite finden wir aller¬
dings auch wieder seltsame Maßregeln patriarchalischer Art, um die Kompagnie
sicher zu stellen, daß die Tuchmacher auch die Lieferungsverträge einhielten.


Preußische Könige und die Sozialpolitik

heit sei, bezeugt Schmoller, indem er beschreibt, wie der preußische Gesandte
in Petersburg, von Mardefeld, geradezu als Generalagent für die Tuchkom-
pagnie seine diplomatischen Beziehungen aufs äußerste nnsnutzen mußte und
in der That auch sehr geschickt ausnutzte. Der größtmögliche Unternehmer-
gewinn war indes nicht das Ziel, worauf Friedrich Wilhelm I. ausging, sondern
eine dauernde Tüchtigkeit der Industrie sollte erreicht werden, indem zugleich
die im Dienste der Unternehmungen stehenden Kleinmeister und Arbeiter nach
Möglichkeit gegen Ausbeutung geschützt wurden. Auch hat dieser König Mono¬
pole und Privilegien immer nur erteilt auf Zeit lind mit dem offen ausge-
sprochnen Borbehalt der Zurücknahme, sobald die Kinderjahre der betreffenden
Unternehmungen abgelaufen waren und sie auf eignen Füßen stehn konnten
oder stehn sollten. So hatte die Tuchkompagnie gegen den Wunsch des Königs
auf sechs Jahre zunächst die Freiheit vou allen Jmposten für russische Waren
bis auf die Niederlage von Stettin und Frankfurt erhalten, um den Handel
mit russischen Produkten, der bisher durch den Sund nach der Nordsee ging,
möglichst nach Stettin zu ziehn.

Nach Ablauf der sechs Jahre machte der König sofort den freilich dann
nachgelassenen Versuch, der Kompagnie das Recht wieder zu nehmen. Als sie
die Zölle auf dem Oder-Haveliürs uach Magdeburg hauptsächlich für russischen
Talg soweit ermäßigt haben wollte, daß sie die Waren so leicht wie die Ham¬
burger nach Magdeburg bringen könnten, wollte der König davon gar nichts
Nüssen; er schrieb zunächst auf ihr Gesuch: „ich halte uns von die ganze
Compagnie, sobald sie nit 3—400000 g-ronirisn einländische Tücher nach Rus-
land schicken; sie habe dieses M- 100000 gesandt, wie sie sag, ich glaube es
aber nit, solln sich exenixir!" Als nach 1730 die Wollpreise in Brandenburg
sehr stark stiegen und dies anscheinend durch die russischen Lieferungen der
Tnchkompagnie veranlaßt wurde, schlug der König das Verlangen, der Kom¬
pagnie Exportprämien (Doueeurgelder) auf die Ausfuhr von Tücher nach
Rußland zu geben, da die Tuchpreise dort nicht entsprechend den Wollpreisen
hier stiegen, ärgerlich ab und befahl 1731 „sowohl Neumairk) als Pomme(rü)
u. Kür Marck auf fixen Preis die Wolle zu setzen, pitto. 'U." Die
Kompagnie wagt es, ihr Gesuch auf Exportprämien zu wiederholen, doch der
König bleibt unerbittlich und antwortet: „sonder lissonnir sollen die Wolle
auf den Preiß setzen, wie gewehsen ist. >V."

Das Generaldirektorium und die Berliner Kriegs- und Domänenkammer
haben dann, nach Schmoller, den bei einem König, wie Friedrich Wilhelm,
nicht ungefährlichen Weg beschritten, den Befehl einfach nicht auszuführen,
weil sie ihn für falsch hielten. Alle diese Entscheidungen des Königs zeigen
uns aber, daß er sich von den Unternehmern durchaus nicht einschüchtern ließ,
daß er sie nur insoweit zu schützen gewillt war, als das öffentliche Interesse,
das Gemeinwohl einen Schlitz geboten. Auf der andern Seite finden wir aller¬
dings auch wieder seltsame Maßregeln patriarchalischer Art, um die Kompagnie
sicher zu stellen, daß die Tuchmacher auch die Lieferungsverträge einhielten.


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[0628] Preußische Könige und die Sozialpolitik heit sei, bezeugt Schmoller, indem er beschreibt, wie der preußische Gesandte in Petersburg, von Mardefeld, geradezu als Generalagent für die Tuchkom- pagnie seine diplomatischen Beziehungen aufs äußerste nnsnutzen mußte und in der That auch sehr geschickt ausnutzte. Der größtmögliche Unternehmer- gewinn war indes nicht das Ziel, worauf Friedrich Wilhelm I. ausging, sondern eine dauernde Tüchtigkeit der Industrie sollte erreicht werden, indem zugleich die im Dienste der Unternehmungen stehenden Kleinmeister und Arbeiter nach Möglichkeit gegen Ausbeutung geschützt wurden. Auch hat dieser König Mono¬ pole und Privilegien immer nur erteilt auf Zeit lind mit dem offen ausge- sprochnen Borbehalt der Zurücknahme, sobald die Kinderjahre der betreffenden Unternehmungen abgelaufen waren und sie auf eignen Füßen stehn konnten oder stehn sollten. So hatte die Tuchkompagnie gegen den Wunsch des Königs auf sechs Jahre zunächst die Freiheit vou allen Jmposten für russische Waren bis auf die Niederlage von Stettin und Frankfurt erhalten, um den Handel mit russischen Produkten, der bisher durch den Sund nach der Nordsee ging, möglichst nach Stettin zu ziehn. Nach Ablauf der sechs Jahre machte der König sofort den freilich dann nachgelassenen Versuch, der Kompagnie das Recht wieder zu nehmen. Als sie die Zölle auf dem Oder-Haveliürs uach Magdeburg hauptsächlich für russischen Talg soweit ermäßigt haben wollte, daß sie die Waren so leicht wie die Ham¬ burger nach Magdeburg bringen könnten, wollte der König davon gar nichts Nüssen; er schrieb zunächst auf ihr Gesuch: „ich halte uns von die ganze Compagnie, sobald sie nit 3—400000 g-ronirisn einländische Tücher nach Rus- land schicken; sie habe dieses M- 100000 gesandt, wie sie sag, ich glaube es aber nit, solln sich exenixir!" Als nach 1730 die Wollpreise in Brandenburg sehr stark stiegen und dies anscheinend durch die russischen Lieferungen der Tnchkompagnie veranlaßt wurde, schlug der König das Verlangen, der Kom¬ pagnie Exportprämien (Doueeurgelder) auf die Ausfuhr von Tücher nach Rußland zu geben, da die Tuchpreise dort nicht entsprechend den Wollpreisen hier stiegen, ärgerlich ab und befahl 1731 „sowohl Neumairk) als Pomme(rü) u. Kür Marck auf fixen Preis die Wolle zu setzen, pitto. 'U." Die Kompagnie wagt es, ihr Gesuch auf Exportprämien zu wiederholen, doch der König bleibt unerbittlich und antwortet: „sonder lissonnir sollen die Wolle auf den Preiß setzen, wie gewehsen ist. >V." Das Generaldirektorium und die Berliner Kriegs- und Domänenkammer haben dann, nach Schmoller, den bei einem König, wie Friedrich Wilhelm, nicht ungefährlichen Weg beschritten, den Befehl einfach nicht auszuführen, weil sie ihn für falsch hielten. Alle diese Entscheidungen des Königs zeigen uns aber, daß er sich von den Unternehmern durchaus nicht einschüchtern ließ, daß er sie nur insoweit zu schützen gewillt war, als das öffentliche Interesse, das Gemeinwohl einen Schlitz geboten. Auf der andern Seite finden wir aller¬ dings auch wieder seltsame Maßregeln patriarchalischer Art, um die Kompagnie sicher zu stellen, daß die Tuchmacher auch die Lieferungsverträge einhielten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/628>, abgerufen am 01.07.2024.