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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Herr Felix von Behr-Schmoldow Veranstaltung, den Schulkindern des benachbarten
Städtchens Topfgewächse cmzuvertrcmn, damit sie sich in der Obhut und Pflege
übten, ihr Wachstum beobachteten, ihre Blüte aufzulesen. Ähnliches geschah vor
einiger Zeit in größerm Umfange von Erfurt, der Binnenstadt. Da das Ergebnis
günstig ausfiel, folgten Magdeburg, Stettin, Weimar, Gotha. Berlin blieb nicht
zurück. Auch hundertundzwanzig Schulen Londons werden zu ähnlichem Zweck
aus Hydepark, Jamespark und Kensington Gartens mit Topfgewächsen versehen.
In Weimar wurde im vorigen Herbst bei der Prämiierung der besten Leistungen
der Kinder die Schrift "Blnmenpflege als Erziehungsmittel" von Ad. Bergmann
(Verlag von Köhler in Gera) verteilt. Gymnasien und Realschulen gewähren der
Botanik einen Platz im Unterricht, und lauten Frohsinn entwickeln Lehrer und
Schüler beim Suchen, Finden und Bestimmen des Schönen und Beachtenswerten, das
sich in Wiesen, Feldern und Wäldern zeigt.

Immerhin ist darauf zurückzukommen, daß wir Nichteigentümer und Nichtnntz-
nießer von Gärten, Gärtchen und Gartenland den Besitzern und Pächtern gegenüber
die weit überwiegende, leer ausgehende Mehrheit sind. Was können wir thun,
um die dort zu gewinnende Freudigkeit und Tugend zu erlangen, oder falls die
Erziehung darauf gerichtet war, nicht wieder verloren gehn zu lassen? "Wie ist es
mir möglich, daß Leute, die prächtige Gärten haben, sie nie betreten?" ruft in der
Kameliendame von Dumas die sich von ihren hochhinanswollenden Freundinnen vor¬
teilhaft unterscheidende artige Ncihterin Nichette aus, wie sie von ihrem hochgelegnen
Fenster aus sehnsüchtig in die wohlgepflegten, aber immer menschenleeren Gärten
der Nachbarschaft schaut. Wir werden einen Blick in fremde Gärten, einen Gang
durch sie, wenn er erlaubt ist, nicht verschmähen. Für die zahlreich vorhandnen
öffentlichen Gärten sind wir dankbar. Jedenfalls behalten wir die Blumen überall,
wo wir sie finden, im Auge, sei es inner- und außerhalb der Zäune und stachel¬
drahtumschnürten Gitter, in Läden, auf den Märkten, ans Blumentisch, Balkon und
kleinsten, Fensterbrett. Unentbehrlich sind sie uns geworden, die kleinen nicht nur
blauen, sondern in allen Farben schimmernden Wunder, die in ihrer nuspruchlosen
Schönheit nächst -- wir denken an den "Reinstes Glück" überschriebnen Reim in
Paul Heyses Spruchbüchlein -- nächst Kindernugen und Kinderhändchen am meisten
imstande sind, uns milde, menschenfreundlich und, ja geschähe es auch erst unter
Totcnkränzen, fromm zu stimmen.

Vergessen wir nicht, welche Aufmerksamkeit die Dichter aller Zeiten den Blumen
erwiesen haben, welche Frende sie an ihnen fanden, welchen Genuß, welche Lebens¬
veredlung sie uns durch den Ausdruck dieser Freude gewährten. Wie herzinnig
lassen Goethe, Uhland, Heine, Geibel Rose und Veilchen, Nelke und Vergißmein¬
nicht zu uns sprechen! Wie hat Rückert uns durch "Die sterbende Blume" gerührt.
Viel Liebenswürdiges wissen Arndt und Rückert den, Himmelsschlüssel und Augen¬
trost, dem Ehrenpreis, dem Wohlgemut (Doraut, Orixonum vulgarv), dem Wnnder-
hold lAii-Ävilis ^al^pM) nachzurühmen. Und doch beweist der deutsche Volksmund
mehr Zartsinn als sie alle dem unscheinbaren Gänseblümchen (Lotus vczrenm") gegen¬
über. nannten es doch unsre mit Feld und Wiese vertrauten schlichtesten Lnnds-
leute offenbar in Anerkennung seiner Zurückhaltung, sich nie hoch vom Erdboden
zu erheben und keinen Anspruch auf Größe zu machen, Maßlieb, in seiner Einfach¬
heit Tausendschönchen; ja seiner Bescheidenheit wegen wurde es als Marienblümchen
der Mutter Gottes, der Jungfrau Maria geweiht. (Ganz unbeachtet haben auch
Engländer und Franzosen das Gänseblümchen nicht gelassen. Robert Burns, der
köstliche schottische Dichter, hat sein curis? besungen, und our eos? ist an Themse
und Tweed oft Kosewort für junge Mädchen. Die Franzosen nennen la. Mausrstto
wenigstens auch min-Fnorits.)


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Herr Felix von Behr-Schmoldow Veranstaltung, den Schulkindern des benachbarten
Städtchens Topfgewächse cmzuvertrcmn, damit sie sich in der Obhut und Pflege
übten, ihr Wachstum beobachteten, ihre Blüte aufzulesen. Ähnliches geschah vor
einiger Zeit in größerm Umfange von Erfurt, der Binnenstadt. Da das Ergebnis
günstig ausfiel, folgten Magdeburg, Stettin, Weimar, Gotha. Berlin blieb nicht
zurück. Auch hundertundzwanzig Schulen Londons werden zu ähnlichem Zweck
aus Hydepark, Jamespark und Kensington Gartens mit Topfgewächsen versehen.
In Weimar wurde im vorigen Herbst bei der Prämiierung der besten Leistungen
der Kinder die Schrift „Blnmenpflege als Erziehungsmittel" von Ad. Bergmann
(Verlag von Köhler in Gera) verteilt. Gymnasien und Realschulen gewähren der
Botanik einen Platz im Unterricht, und lauten Frohsinn entwickeln Lehrer und
Schüler beim Suchen, Finden und Bestimmen des Schönen und Beachtenswerten, das
sich in Wiesen, Feldern und Wäldern zeigt.

Immerhin ist darauf zurückzukommen, daß wir Nichteigentümer und Nichtnntz-
nießer von Gärten, Gärtchen und Gartenland den Besitzern und Pächtern gegenüber
die weit überwiegende, leer ausgehende Mehrheit sind. Was können wir thun,
um die dort zu gewinnende Freudigkeit und Tugend zu erlangen, oder falls die
Erziehung darauf gerichtet war, nicht wieder verloren gehn zu lassen? „Wie ist es
mir möglich, daß Leute, die prächtige Gärten haben, sie nie betreten?" ruft in der
Kameliendame von Dumas die sich von ihren hochhinanswollenden Freundinnen vor¬
teilhaft unterscheidende artige Ncihterin Nichette aus, wie sie von ihrem hochgelegnen
Fenster aus sehnsüchtig in die wohlgepflegten, aber immer menschenleeren Gärten
der Nachbarschaft schaut. Wir werden einen Blick in fremde Gärten, einen Gang
durch sie, wenn er erlaubt ist, nicht verschmähen. Für die zahlreich vorhandnen
öffentlichen Gärten sind wir dankbar. Jedenfalls behalten wir die Blumen überall,
wo wir sie finden, im Auge, sei es inner- und außerhalb der Zäune und stachel¬
drahtumschnürten Gitter, in Läden, auf den Märkten, ans Blumentisch, Balkon und
kleinsten, Fensterbrett. Unentbehrlich sind sie uns geworden, die kleinen nicht nur
blauen, sondern in allen Farben schimmernden Wunder, die in ihrer nuspruchlosen
Schönheit nächst — wir denken an den „Reinstes Glück" überschriebnen Reim in
Paul Heyses Spruchbüchlein — nächst Kindernugen und Kinderhändchen am meisten
imstande sind, uns milde, menschenfreundlich und, ja geschähe es auch erst unter
Totcnkränzen, fromm zu stimmen.

Vergessen wir nicht, welche Aufmerksamkeit die Dichter aller Zeiten den Blumen
erwiesen haben, welche Frende sie an ihnen fanden, welchen Genuß, welche Lebens¬
veredlung sie uns durch den Ausdruck dieser Freude gewährten. Wie herzinnig
lassen Goethe, Uhland, Heine, Geibel Rose und Veilchen, Nelke und Vergißmein¬
nicht zu uns sprechen! Wie hat Rückert uns durch „Die sterbende Blume" gerührt.
Viel Liebenswürdiges wissen Arndt und Rückert den, Himmelsschlüssel und Augen¬
trost, dem Ehrenpreis, dem Wohlgemut (Doraut, Orixonum vulgarv), dem Wnnder-
hold lAii-Ävilis ^al^pM) nachzurühmen. Und doch beweist der deutsche Volksmund
mehr Zartsinn als sie alle dem unscheinbaren Gänseblümchen (Lotus vczrenm«) gegen¬
über. nannten es doch unsre mit Feld und Wiese vertrauten schlichtesten Lnnds-
leute offenbar in Anerkennung seiner Zurückhaltung, sich nie hoch vom Erdboden
zu erheben und keinen Anspruch auf Größe zu machen, Maßlieb, in seiner Einfach¬
heit Tausendschönchen; ja seiner Bescheidenheit wegen wurde es als Marienblümchen
der Mutter Gottes, der Jungfrau Maria geweiht. (Ganz unbeachtet haben auch
Engländer und Franzosen das Gänseblümchen nicht gelassen. Robert Burns, der
köstliche schottische Dichter, hat sein curis? besungen, und our eos? ist an Themse
und Tweed oft Kosewort für junge Mädchen. Die Franzosen nennen la. Mausrstto
wenigstens auch min-Fnorits.)


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[0061] Maßgebliches und Unmaßgebliches Herr Felix von Behr-Schmoldow Veranstaltung, den Schulkindern des benachbarten Städtchens Topfgewächse cmzuvertrcmn, damit sie sich in der Obhut und Pflege übten, ihr Wachstum beobachteten, ihre Blüte aufzulesen. Ähnliches geschah vor einiger Zeit in größerm Umfange von Erfurt, der Binnenstadt. Da das Ergebnis günstig ausfiel, folgten Magdeburg, Stettin, Weimar, Gotha. Berlin blieb nicht zurück. Auch hundertundzwanzig Schulen Londons werden zu ähnlichem Zweck aus Hydepark, Jamespark und Kensington Gartens mit Topfgewächsen versehen. In Weimar wurde im vorigen Herbst bei der Prämiierung der besten Leistungen der Kinder die Schrift „Blnmenpflege als Erziehungsmittel" von Ad. Bergmann (Verlag von Köhler in Gera) verteilt. Gymnasien und Realschulen gewähren der Botanik einen Platz im Unterricht, und lauten Frohsinn entwickeln Lehrer und Schüler beim Suchen, Finden und Bestimmen des Schönen und Beachtenswerten, das sich in Wiesen, Feldern und Wäldern zeigt. Immerhin ist darauf zurückzukommen, daß wir Nichteigentümer und Nichtnntz- nießer von Gärten, Gärtchen und Gartenland den Besitzern und Pächtern gegenüber die weit überwiegende, leer ausgehende Mehrheit sind. Was können wir thun, um die dort zu gewinnende Freudigkeit und Tugend zu erlangen, oder falls die Erziehung darauf gerichtet war, nicht wieder verloren gehn zu lassen? „Wie ist es mir möglich, daß Leute, die prächtige Gärten haben, sie nie betreten?" ruft in der Kameliendame von Dumas die sich von ihren hochhinanswollenden Freundinnen vor¬ teilhaft unterscheidende artige Ncihterin Nichette aus, wie sie von ihrem hochgelegnen Fenster aus sehnsüchtig in die wohlgepflegten, aber immer menschenleeren Gärten der Nachbarschaft schaut. Wir werden einen Blick in fremde Gärten, einen Gang durch sie, wenn er erlaubt ist, nicht verschmähen. Für die zahlreich vorhandnen öffentlichen Gärten sind wir dankbar. Jedenfalls behalten wir die Blumen überall, wo wir sie finden, im Auge, sei es inner- und außerhalb der Zäune und stachel¬ drahtumschnürten Gitter, in Läden, auf den Märkten, ans Blumentisch, Balkon und kleinsten, Fensterbrett. Unentbehrlich sind sie uns geworden, die kleinen nicht nur blauen, sondern in allen Farben schimmernden Wunder, die in ihrer nuspruchlosen Schönheit nächst — wir denken an den „Reinstes Glück" überschriebnen Reim in Paul Heyses Spruchbüchlein — nächst Kindernugen und Kinderhändchen am meisten imstande sind, uns milde, menschenfreundlich und, ja geschähe es auch erst unter Totcnkränzen, fromm zu stimmen. Vergessen wir nicht, welche Aufmerksamkeit die Dichter aller Zeiten den Blumen erwiesen haben, welche Frende sie an ihnen fanden, welchen Genuß, welche Lebens¬ veredlung sie uns durch den Ausdruck dieser Freude gewährten. Wie herzinnig lassen Goethe, Uhland, Heine, Geibel Rose und Veilchen, Nelke und Vergißmein¬ nicht zu uns sprechen! Wie hat Rückert uns durch „Die sterbende Blume" gerührt. Viel Liebenswürdiges wissen Arndt und Rückert den, Himmelsschlüssel und Augen¬ trost, dem Ehrenpreis, dem Wohlgemut (Doraut, Orixonum vulgarv), dem Wnnder- hold lAii-Ävilis ^al^pM) nachzurühmen. Und doch beweist der deutsche Volksmund mehr Zartsinn als sie alle dem unscheinbaren Gänseblümchen (Lotus vczrenm«) gegen¬ über. nannten es doch unsre mit Feld und Wiese vertrauten schlichtesten Lnnds- leute offenbar in Anerkennung seiner Zurückhaltung, sich nie hoch vom Erdboden zu erheben und keinen Anspruch auf Größe zu machen, Maßlieb, in seiner Einfach¬ heit Tausendschönchen; ja seiner Bescheidenheit wegen wurde es als Marienblümchen der Mutter Gottes, der Jungfrau Maria geweiht. (Ganz unbeachtet haben auch Engländer und Franzosen das Gänseblümchen nicht gelassen. Robert Burns, der köstliche schottische Dichter, hat sein curis? besungen, und our eos? ist an Themse und Tweed oft Kosewort für junge Mädchen. Die Franzosen nennen la. Mausrstto wenigstens auch min-Fnorits.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/61>, abgerufen am 01.07.2024.