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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Kontinentales und maritimes Gleichgewicht
Lrnst von der Brügger von (Schluß)

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UMcum England seine Kolonien zu einem durch Vorzugszölle
gegen das Ausland geschützten wirtschaftlichen Bunde abschließt,
so wird fast ganz Europa davon betroffen. Unser deutscher
Handel betrug im Jahre 1898 mit Großbritannien und Irland
! 1629,5 Millionen Mark, mit den englischen Kolonien und
Ägypten 536,3 Millionen Mark/') Von diesen 536,3 Millionen fielen ans
den Handel, der durch den Suezkanal oder um das Kap der Guten Hoff¬
nung geht, 468,4 Millionen Mark. Unser Handel nach nichtenglischen Ländern
in Asien und Polynesien betrug 159,5 Millionen Mark. Auf beiden Handels¬
straßen verkehrten also deutsche Waren im Werte von 627,9 Millionen Mark.
Nun ist heute China das Land der Zukunft, von dem alle Industriestaaten
Europas großes hoffen; am meisten natürlich England, das schon auf die
reichsten Gebiete dieses reichsten aller Länder die Hand gelegt hat. So lange
England bei dem Prinzip der offnen Thür bleibt, so lange seine Seepolizei
nicht zu Gewaltmaßregeln greift wie in den Zeiten von 1650 und in der
zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, so lange mag der europäische Wett¬
bewerb ruhig seinen Lauf nehmen. Aber es kann auch anders kommen. Wird
der Wettbewerb zu stark, bedroht er zu weite Kreise des englischen Volks mit
dem Versiegen von Absatz und Verdienst, spürt das englische Volk um eignen
Leibe das Unbehagen wirtschaftlicher Stockungen, dann hat England nie ge¬
zögert und wird es nicht zögern, die Konkurrenz mit Zöllen oder Kanonen
vom Wasser zu verjagen. Wenn es Herrn Chamberlain einfiele, sich Chinas
mit Ausschluß aller andern Mächte wirtschaftlich zu versichern in einem Marsche
auf Peking und durch Besetzung aller wichtigen Häfen -- wer außer Amerika
oder Japnu könnte ihn daran hindern? Er sperrt die beiden Zugänge um das



*) Vgl. "Die Steigerung der deutschen Seeinteressen von 18S6 bis 1898."
Grenzboten II 1900 76


Kontinentales und maritimes Gleichgewicht
Lrnst von der Brügger von (Schluß)

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UMcum England seine Kolonien zu einem durch Vorzugszölle
gegen das Ausland geschützten wirtschaftlichen Bunde abschließt,
so wird fast ganz Europa davon betroffen. Unser deutscher
Handel betrug im Jahre 1898 mit Großbritannien und Irland
! 1629,5 Millionen Mark, mit den englischen Kolonien und
Ägypten 536,3 Millionen Mark/') Von diesen 536,3 Millionen fielen ans
den Handel, der durch den Suezkanal oder um das Kap der Guten Hoff¬
nung geht, 468,4 Millionen Mark. Unser Handel nach nichtenglischen Ländern
in Asien und Polynesien betrug 159,5 Millionen Mark. Auf beiden Handels¬
straßen verkehrten also deutsche Waren im Werte von 627,9 Millionen Mark.
Nun ist heute China das Land der Zukunft, von dem alle Industriestaaten
Europas großes hoffen; am meisten natürlich England, das schon auf die
reichsten Gebiete dieses reichsten aller Länder die Hand gelegt hat. So lange
England bei dem Prinzip der offnen Thür bleibt, so lange seine Seepolizei
nicht zu Gewaltmaßregeln greift wie in den Zeiten von 1650 und in der
zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, so lange mag der europäische Wett¬
bewerb ruhig seinen Lauf nehmen. Aber es kann auch anders kommen. Wird
der Wettbewerb zu stark, bedroht er zu weite Kreise des englischen Volks mit
dem Versiegen von Absatz und Verdienst, spürt das englische Volk um eignen
Leibe das Unbehagen wirtschaftlicher Stockungen, dann hat England nie ge¬
zögert und wird es nicht zögern, die Konkurrenz mit Zöllen oder Kanonen
vom Wasser zu verjagen. Wenn es Herrn Chamberlain einfiele, sich Chinas
mit Ausschluß aller andern Mächte wirtschaftlich zu versichern in einem Marsche
auf Peking und durch Besetzung aller wichtigen Häfen — wer außer Amerika
oder Japnu könnte ihn daran hindern? Er sperrt die beiden Zugänge um das



*) Vgl. „Die Steigerung der deutschen Seeinteressen von 18S6 bis 1898."
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[0609] [Abbildung] Kontinentales und maritimes Gleichgewicht Lrnst von der Brügger von (Schluß) ML ^«MM «»?'!>^i^ UMcum England seine Kolonien zu einem durch Vorzugszölle gegen das Ausland geschützten wirtschaftlichen Bunde abschließt, so wird fast ganz Europa davon betroffen. Unser deutscher Handel betrug im Jahre 1898 mit Großbritannien und Irland ! 1629,5 Millionen Mark, mit den englischen Kolonien und Ägypten 536,3 Millionen Mark/') Von diesen 536,3 Millionen fielen ans den Handel, der durch den Suezkanal oder um das Kap der Guten Hoff¬ nung geht, 468,4 Millionen Mark. Unser Handel nach nichtenglischen Ländern in Asien und Polynesien betrug 159,5 Millionen Mark. Auf beiden Handels¬ straßen verkehrten also deutsche Waren im Werte von 627,9 Millionen Mark. Nun ist heute China das Land der Zukunft, von dem alle Industriestaaten Europas großes hoffen; am meisten natürlich England, das schon auf die reichsten Gebiete dieses reichsten aller Länder die Hand gelegt hat. So lange England bei dem Prinzip der offnen Thür bleibt, so lange seine Seepolizei nicht zu Gewaltmaßregeln greift wie in den Zeiten von 1650 und in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, so lange mag der europäische Wett¬ bewerb ruhig seinen Lauf nehmen. Aber es kann auch anders kommen. Wird der Wettbewerb zu stark, bedroht er zu weite Kreise des englischen Volks mit dem Versiegen von Absatz und Verdienst, spürt das englische Volk um eignen Leibe das Unbehagen wirtschaftlicher Stockungen, dann hat England nie ge¬ zögert und wird es nicht zögern, die Konkurrenz mit Zöllen oder Kanonen vom Wasser zu verjagen. Wenn es Herrn Chamberlain einfiele, sich Chinas mit Ausschluß aller andern Mächte wirtschaftlich zu versichern in einem Marsche auf Peking und durch Besetzung aller wichtigen Häfen — wer außer Amerika oder Japnu könnte ihn daran hindern? Er sperrt die beiden Zugänge um das *) Vgl. „Die Steigerung der deutschen Seeinteressen von 18S6 bis 1898." Grenzboten II 1900 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/609>, abgerufen am 22.07.2024.