Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

es dieses unwürdige Verhältnis abschüttelte, den holländischen Schiffen 1584
Lissabon, 1599 die spanischen Häfen schloß, da trieb es nur die holländischen
Getreideflotten ins Mittelmeer und veranlaßte einen bald ganz kolossalen
Schinnggelhandel, der namentlich in den Händen der kühnen Seelünder lag,
und dabei stellte es die Holländer nnr vor die Wahl, entweder die Kolonial¬
waren durch eine Zwischenhaut zu beziehn oder selbst ihre Ursprungsländer
aufzusuchen.

Und wagemutig und schnell entschlossen thaten sie das zweite. An die
Stelle der friedlichen Erwerbung der Kolonialwaren setzten sie ihre Eroberung
mit den Waffen. Im Kanal, auf dem Atlantischen Ozean, in den Gewässern
der beiden Indien, überall maßen sich die beiden Feinde. Wiederholt hat die
spanische Diplomatie versucht, den Niederländern den Hauptnerv ihres Handels,
den Verkehr mit der Ostsee abzuschneiden. Immer vergeblich. Im Jahre 1596
landete Houtmann nach fünfzehnmonatiger Fahrt ans Java. Jahr für Jahr
zogen nun die wagehalsigen Entdecker und Ervbrer aus den heimischen Häfen,
um einen vom Feinde nicht bedrohten Weg nach den Ländern der Gewürze zu
finden; ein unzähmbares Geschlecht voll Thatendrang und Abenteuerlust, würdig
der Grabschrift des Seehelden van der Hülfe in der Amsterdamer Kirche. süd-
westwärts erprobten sie den Weg um Amerika herum, in nordöstlicher Richtung
suchten sie die Durchfahrt nach Asien zu finden clvgr8 <lo"r't ^s.

Im Jahre 1601 genehmigten die Hvchmögenden die Stiftung der ost¬
indischen Kompagnie, 1621 folgte die Einrichtung der westindischen. Der Zweck
war, Spanien und Portugal von den Quellen ihres Reichtums, dein Verkehr
mit ihren Kolonien abzuschneiden, die Sicherheit der eignen Kauffahrer zu er¬
höhen, Nachfrage und Handelsgewinn zu sichern. Die Gesellschaften waren
souverän in Amerika, Westafrika und um den Gestaden des Indischen Ozeans.
Die ganze Verwaltung war allerdings ein schwerfälliger Mechanismus, wenn
er auch im Anfang, angetrieben dnrch den allgemeinen Aufschwung des nieder¬
ländischen Handelslebens, durch die koloniale Begeisterung, das Glück der
Waffen, in lebhaftem Schwunge war. Die Gesellschaften unterhielte" eigne
Heere und Flotten, nud der hartnäckigste und begeistertste Verfechter der west¬
indischen Kompagnie, llsselinex, glaubte seinen Landsleuten die Bedeutung
kolonialer Unternehmungen dnrch nichts deutlicher machen z" könne" als dnrch
den Hinweis darauf, daß gerade sie dem Staate eine große und schlagfertige
Seemacht für Krieg nud Handel schufen. Und klar setzte er ihnen ferner aus¬
einander, daß sich die Seemacht eines Landes nicht nach der Macht des Landes
überhaupt richten dürfe, sondern daß sie sich dem Seehandel des Landes an¬
zupassen habe. Nicht besser konnte die innige Beziehung zwischen der Größe
der Handelsflotte und der Kriegsflotte als etwas zwingend Notwendiges aus¬
gesprochen werden. Und solange die Niederlande diese Einsicht geteilt haben,
solange sie sich nicht von übel angebrachter Sparsamkeit und eitler Friedeus-
seligkeit habe" leite" lassen, solange haben sie die erste Rolle auf den Welt¬
meeren als Seemacht und Handelsvolk zu spielen vermocht.


es dieses unwürdige Verhältnis abschüttelte, den holländischen Schiffen 1584
Lissabon, 1599 die spanischen Häfen schloß, da trieb es nur die holländischen
Getreideflotten ins Mittelmeer und veranlaßte einen bald ganz kolossalen
Schinnggelhandel, der namentlich in den Händen der kühnen Seelünder lag,
und dabei stellte es die Holländer nnr vor die Wahl, entweder die Kolonial¬
waren durch eine Zwischenhaut zu beziehn oder selbst ihre Ursprungsländer
aufzusuchen.

Und wagemutig und schnell entschlossen thaten sie das zweite. An die
Stelle der friedlichen Erwerbung der Kolonialwaren setzten sie ihre Eroberung
mit den Waffen. Im Kanal, auf dem Atlantischen Ozean, in den Gewässern
der beiden Indien, überall maßen sich die beiden Feinde. Wiederholt hat die
spanische Diplomatie versucht, den Niederländern den Hauptnerv ihres Handels,
den Verkehr mit der Ostsee abzuschneiden. Immer vergeblich. Im Jahre 1596
landete Houtmann nach fünfzehnmonatiger Fahrt ans Java. Jahr für Jahr
zogen nun die wagehalsigen Entdecker und Ervbrer aus den heimischen Häfen,
um einen vom Feinde nicht bedrohten Weg nach den Ländern der Gewürze zu
finden; ein unzähmbares Geschlecht voll Thatendrang und Abenteuerlust, würdig
der Grabschrift des Seehelden van der Hülfe in der Amsterdamer Kirche. süd-
westwärts erprobten sie den Weg um Amerika herum, in nordöstlicher Richtung
suchten sie die Durchfahrt nach Asien zu finden clvgr8 <lo»r't ^s.

Im Jahre 1601 genehmigten die Hvchmögenden die Stiftung der ost¬
indischen Kompagnie, 1621 folgte die Einrichtung der westindischen. Der Zweck
war, Spanien und Portugal von den Quellen ihres Reichtums, dein Verkehr
mit ihren Kolonien abzuschneiden, die Sicherheit der eignen Kauffahrer zu er¬
höhen, Nachfrage und Handelsgewinn zu sichern. Die Gesellschaften waren
souverän in Amerika, Westafrika und um den Gestaden des Indischen Ozeans.
Die ganze Verwaltung war allerdings ein schwerfälliger Mechanismus, wenn
er auch im Anfang, angetrieben dnrch den allgemeinen Aufschwung des nieder¬
ländischen Handelslebens, durch die koloniale Begeisterung, das Glück der
Waffen, in lebhaftem Schwunge war. Die Gesellschaften unterhielte» eigne
Heere und Flotten, nud der hartnäckigste und begeistertste Verfechter der west¬
indischen Kompagnie, llsselinex, glaubte seinen Landsleuten die Bedeutung
kolonialer Unternehmungen dnrch nichts deutlicher machen z» könne» als dnrch
den Hinweis darauf, daß gerade sie dem Staate eine große und schlagfertige
Seemacht für Krieg nud Handel schufen. Und klar setzte er ihnen ferner aus¬
einander, daß sich die Seemacht eines Landes nicht nach der Macht des Landes
überhaupt richten dürfe, sondern daß sie sich dem Seehandel des Landes an¬
zupassen habe. Nicht besser konnte die innige Beziehung zwischen der Größe
der Handelsflotte und der Kriegsflotte als etwas zwingend Notwendiges aus¬
gesprochen werden. Und solange die Niederlande diese Einsicht geteilt haben,
solange sie sich nicht von übel angebrachter Sparsamkeit und eitler Friedeus-
seligkeit habe» leite» lassen, solange haben sie die erste Rolle auf den Welt¬
meeren als Seemacht und Handelsvolk zu spielen vermocht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290986"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1914" prev="#ID_1913"> es dieses unwürdige Verhältnis abschüttelte, den holländischen Schiffen 1584<lb/>
Lissabon, 1599 die spanischen Häfen schloß, da trieb es nur die holländischen<lb/>
Getreideflotten ins Mittelmeer und veranlaßte einen bald ganz kolossalen<lb/>
Schinnggelhandel, der namentlich in den Händen der kühnen Seelünder lag,<lb/>
und dabei stellte es die Holländer nnr vor die Wahl, entweder die Kolonial¬<lb/>
waren durch eine Zwischenhaut zu beziehn oder selbst ihre Ursprungsländer<lb/>
aufzusuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1915"> Und wagemutig und schnell entschlossen thaten sie das zweite. An die<lb/>
Stelle der friedlichen Erwerbung der Kolonialwaren setzten sie ihre Eroberung<lb/>
mit den Waffen. Im Kanal, auf dem Atlantischen Ozean, in den Gewässern<lb/>
der beiden Indien, überall maßen sich die beiden Feinde. Wiederholt hat die<lb/>
spanische Diplomatie versucht, den Niederländern den Hauptnerv ihres Handels,<lb/>
den Verkehr mit der Ostsee abzuschneiden. Immer vergeblich. Im Jahre 1596<lb/>
landete Houtmann nach fünfzehnmonatiger Fahrt ans Java. Jahr für Jahr<lb/>
zogen nun die wagehalsigen Entdecker und Ervbrer aus den heimischen Häfen,<lb/>
um einen vom Feinde nicht bedrohten Weg nach den Ländern der Gewürze zu<lb/>
finden; ein unzähmbares Geschlecht voll Thatendrang und Abenteuerlust, würdig<lb/>
der Grabschrift des Seehelden van der Hülfe in der Amsterdamer Kirche. süd-<lb/>
westwärts erprobten sie den Weg um Amerika herum, in nordöstlicher Richtung<lb/>
suchten sie die Durchfahrt nach Asien zu finden clvgr8 &lt;lo»r't ^s.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1916"> Im Jahre 1601 genehmigten die Hvchmögenden die Stiftung der ost¬<lb/>
indischen Kompagnie, 1621 folgte die Einrichtung der westindischen. Der Zweck<lb/>
war, Spanien und Portugal von den Quellen ihres Reichtums, dein Verkehr<lb/>
mit ihren Kolonien abzuschneiden, die Sicherheit der eignen Kauffahrer zu er¬<lb/>
höhen, Nachfrage und Handelsgewinn zu sichern. Die Gesellschaften waren<lb/>
souverän in Amerika, Westafrika und um den Gestaden des Indischen Ozeans.<lb/>
Die ganze Verwaltung war allerdings ein schwerfälliger Mechanismus, wenn<lb/>
er auch im Anfang, angetrieben dnrch den allgemeinen Aufschwung des nieder¬<lb/>
ländischen Handelslebens, durch die koloniale Begeisterung, das Glück der<lb/>
Waffen, in lebhaftem Schwunge war. Die Gesellschaften unterhielte» eigne<lb/>
Heere und Flotten, nud der hartnäckigste und begeistertste Verfechter der west¬<lb/>
indischen Kompagnie, llsselinex, glaubte seinen Landsleuten die Bedeutung<lb/>
kolonialer Unternehmungen dnrch nichts deutlicher machen z» könne» als dnrch<lb/>
den Hinweis darauf, daß gerade sie dem Staate eine große und schlagfertige<lb/>
Seemacht für Krieg nud Handel schufen. Und klar setzte er ihnen ferner aus¬<lb/>
einander, daß sich die Seemacht eines Landes nicht nach der Macht des Landes<lb/>
überhaupt richten dürfe, sondern daß sie sich dem Seehandel des Landes an¬<lb/>
zupassen habe. Nicht besser konnte die innige Beziehung zwischen der Größe<lb/>
der Handelsflotte und der Kriegsflotte als etwas zwingend Notwendiges aus¬<lb/>
gesprochen werden. Und solange die Niederlande diese Einsicht geteilt haben,<lb/>
solange sie sich nicht von übel angebrachter Sparsamkeit und eitler Friedeus-<lb/>
seligkeit habe» leite» lassen, solange haben sie die erste Rolle auf den Welt¬<lb/>
meeren als Seemacht und Handelsvolk zu spielen vermocht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0575] es dieses unwürdige Verhältnis abschüttelte, den holländischen Schiffen 1584 Lissabon, 1599 die spanischen Häfen schloß, da trieb es nur die holländischen Getreideflotten ins Mittelmeer und veranlaßte einen bald ganz kolossalen Schinnggelhandel, der namentlich in den Händen der kühnen Seelünder lag, und dabei stellte es die Holländer nnr vor die Wahl, entweder die Kolonial¬ waren durch eine Zwischenhaut zu beziehn oder selbst ihre Ursprungsländer aufzusuchen. Und wagemutig und schnell entschlossen thaten sie das zweite. An die Stelle der friedlichen Erwerbung der Kolonialwaren setzten sie ihre Eroberung mit den Waffen. Im Kanal, auf dem Atlantischen Ozean, in den Gewässern der beiden Indien, überall maßen sich die beiden Feinde. Wiederholt hat die spanische Diplomatie versucht, den Niederländern den Hauptnerv ihres Handels, den Verkehr mit der Ostsee abzuschneiden. Immer vergeblich. Im Jahre 1596 landete Houtmann nach fünfzehnmonatiger Fahrt ans Java. Jahr für Jahr zogen nun die wagehalsigen Entdecker und Ervbrer aus den heimischen Häfen, um einen vom Feinde nicht bedrohten Weg nach den Ländern der Gewürze zu finden; ein unzähmbares Geschlecht voll Thatendrang und Abenteuerlust, würdig der Grabschrift des Seehelden van der Hülfe in der Amsterdamer Kirche. süd- westwärts erprobten sie den Weg um Amerika herum, in nordöstlicher Richtung suchten sie die Durchfahrt nach Asien zu finden clvgr8 <lo»r't ^s. Im Jahre 1601 genehmigten die Hvchmögenden die Stiftung der ost¬ indischen Kompagnie, 1621 folgte die Einrichtung der westindischen. Der Zweck war, Spanien und Portugal von den Quellen ihres Reichtums, dein Verkehr mit ihren Kolonien abzuschneiden, die Sicherheit der eignen Kauffahrer zu er¬ höhen, Nachfrage und Handelsgewinn zu sichern. Die Gesellschaften waren souverän in Amerika, Westafrika und um den Gestaden des Indischen Ozeans. Die ganze Verwaltung war allerdings ein schwerfälliger Mechanismus, wenn er auch im Anfang, angetrieben dnrch den allgemeinen Aufschwung des nieder¬ ländischen Handelslebens, durch die koloniale Begeisterung, das Glück der Waffen, in lebhaftem Schwunge war. Die Gesellschaften unterhielte» eigne Heere und Flotten, nud der hartnäckigste und begeistertste Verfechter der west¬ indischen Kompagnie, llsselinex, glaubte seinen Landsleuten die Bedeutung kolonialer Unternehmungen dnrch nichts deutlicher machen z» könne» als dnrch den Hinweis darauf, daß gerade sie dem Staate eine große und schlagfertige Seemacht für Krieg nud Handel schufen. Und klar setzte er ihnen ferner aus¬ einander, daß sich die Seemacht eines Landes nicht nach der Macht des Landes überhaupt richten dürfe, sondern daß sie sich dem Seehandel des Landes an¬ zupassen habe. Nicht besser konnte die innige Beziehung zwischen der Größe der Handelsflotte und der Kriegsflotte als etwas zwingend Notwendiges aus¬ gesprochen werden. Und solange die Niederlande diese Einsicht geteilt haben, solange sie sich nicht von übel angebrachter Sparsamkeit und eitler Friedeus- seligkeit habe» leite» lassen, solange haben sie die erste Rolle auf den Welt¬ meeren als Seemacht und Handelsvolk zu spielen vermocht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/575
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/575>, abgerufen am 22.07.2024.