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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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und der Nordsee, auf der holsteinischen Landstraße, die Lübeck mit Hamburg
verband, und die in den Jahren 1390 bis 1398 ergänzt worden war durch
einen indischen Kanalbau zwischen Trave und Elbe, und ans der Seestraße
durch die dänischen Gewässer. Die Landstraße stand vollständig unter der
Herrschaft Lübecks, lind die Seestraße mußte dieses Schicksal teilen, wenn es
Lübeck gelang, den skandinavischen Norden und seine Herrscher wirtschaftlich
wie politisch weiter zu beherrsche!,. Das war altindische Politik; mit ihr
verquickte sich nnn die Spekulation, um die lästig werdenden Konkurrenten
vom Norden und von der Ostsee möglichst fernzuhalten.

Schon in den zwanziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts nahm der
Kampf um den Sund und um den Zwischenhandel, der Hollands europäische
Bedeutung begründet hat, akute Formen an. Im Kampf und im Bunde mit
den nordischen Herrschern suchte Lübeck wiederholt den Sund zu sperren, und
die große Menge der Bevölkerung jubelte diesen Unternehmungen zu, um be¬
geistertsten, als Wnlleuwever 1534 seine verwegnen Pläne in die That um-
zusetzen begann. Aber diese scheiterten schnell und vollständig; die indische
Herrschaft über den Sund und über den Norden brach damit für immer zu¬
sammen, und der holländische Handel konnte sich fortan sicher vor fernern
thätigen Gegenwirkungen Lübecks das Übergewicht in der Ostsee erringen.

Wiederholt hatte die holländische Seemacht während dieser Kriegsperiode
Gelegenheit gehabt, ihre Tüchtigkeit zu beweisen. Die Vertrautheit mit der
See durch den großen Fischfang in der Nordsee machte die Niederländer zu
einem seegewohnten und seegewandten Volk, erzog eine eisenharte, kühne,
seemächtige Bevölkerung. Von dem Gelingen der jährlichen Heringsfischerei hing
Hollands Wohlfahrt ab, von der Ausrüstung der Schiffe, dem Knüpfen der
Netze usw. lebte" Tausende. Dem gesamten Volke wurde der Verkehr mit der
See geläufig. "Die Fischerei hat uns zum Seevolk gemacht, sodasz wir großen
Handel treiben konnten," das war die feststehende Überzeugung der Nieder¬
länder (de la Court). Und dieser Handel fand seinen Mittelpunkt in dem
trefflichen Hafen von Amsterdam. Schon 1438 konnte die Landesregierung bei
dem Ausbruch eines Krieges mit den wendischen Städten erklären, daß Holland
und Seeland gänzlich uns Kaufmannschaft begründet seien. Vom freien Ver¬
kehr mit den Ostseegcbieten hing der Schwung des Handels mich für die andern
Richtungen des Amsterdamer Verkehrs ab. Wenn es richtig ist, daß Holland
schon um 1500 für neun Zehntel seines Getreidebedarfs ans überseeische Ein¬
fuhr, und zwar ganz überwiegend ans den Ostseegebieten, angewiesen war, so
erklärt sich auch daraus die Erregung, die jede Erschwerung des Snndverkehrs
in Holland hervorrief. Bald war der Handel mit dem baltischen Korn über¬
haupt der vornehmste Erwerbszweig des Landes. Amsterdam wurde die große
Kornscheuer, von wo aus Westeuropa und namentlich das Mittelmeergcbiet
mit Getreide versorgt wurde.

Noch als Unterthanen des wcltgebietenden spanischen Königs gelangten
die Holländer vor allen Ländern Europas zu ihrer glänzenden maritimen Ent-


und der Nordsee, auf der holsteinischen Landstraße, die Lübeck mit Hamburg
verband, und die in den Jahren 1390 bis 1398 ergänzt worden war durch
einen indischen Kanalbau zwischen Trave und Elbe, und ans der Seestraße
durch die dänischen Gewässer. Die Landstraße stand vollständig unter der
Herrschaft Lübecks, lind die Seestraße mußte dieses Schicksal teilen, wenn es
Lübeck gelang, den skandinavischen Norden und seine Herrscher wirtschaftlich
wie politisch weiter zu beherrsche!,. Das war altindische Politik; mit ihr
verquickte sich nnn die Spekulation, um die lästig werdenden Konkurrenten
vom Norden und von der Ostsee möglichst fernzuhalten.

Schon in den zwanziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts nahm der
Kampf um den Sund und um den Zwischenhandel, der Hollands europäische
Bedeutung begründet hat, akute Formen an. Im Kampf und im Bunde mit
den nordischen Herrschern suchte Lübeck wiederholt den Sund zu sperren, und
die große Menge der Bevölkerung jubelte diesen Unternehmungen zu, um be¬
geistertsten, als Wnlleuwever 1534 seine verwegnen Pläne in die That um-
zusetzen begann. Aber diese scheiterten schnell und vollständig; die indische
Herrschaft über den Sund und über den Norden brach damit für immer zu¬
sammen, und der holländische Handel konnte sich fortan sicher vor fernern
thätigen Gegenwirkungen Lübecks das Übergewicht in der Ostsee erringen.

Wiederholt hatte die holländische Seemacht während dieser Kriegsperiode
Gelegenheit gehabt, ihre Tüchtigkeit zu beweisen. Die Vertrautheit mit der
See durch den großen Fischfang in der Nordsee machte die Niederländer zu
einem seegewohnten und seegewandten Volk, erzog eine eisenharte, kühne,
seemächtige Bevölkerung. Von dem Gelingen der jährlichen Heringsfischerei hing
Hollands Wohlfahrt ab, von der Ausrüstung der Schiffe, dem Knüpfen der
Netze usw. lebte» Tausende. Dem gesamten Volke wurde der Verkehr mit der
See geläufig. „Die Fischerei hat uns zum Seevolk gemacht, sodasz wir großen
Handel treiben konnten," das war die feststehende Überzeugung der Nieder¬
länder (de la Court). Und dieser Handel fand seinen Mittelpunkt in dem
trefflichen Hafen von Amsterdam. Schon 1438 konnte die Landesregierung bei
dem Ausbruch eines Krieges mit den wendischen Städten erklären, daß Holland
und Seeland gänzlich uns Kaufmannschaft begründet seien. Vom freien Ver¬
kehr mit den Ostseegcbieten hing der Schwung des Handels mich für die andern
Richtungen des Amsterdamer Verkehrs ab. Wenn es richtig ist, daß Holland
schon um 1500 für neun Zehntel seines Getreidebedarfs ans überseeische Ein¬
fuhr, und zwar ganz überwiegend ans den Ostseegebieten, angewiesen war, so
erklärt sich auch daraus die Erregung, die jede Erschwerung des Snndverkehrs
in Holland hervorrief. Bald war der Handel mit dem baltischen Korn über¬
haupt der vornehmste Erwerbszweig des Landes. Amsterdam wurde die große
Kornscheuer, von wo aus Westeuropa und namentlich das Mittelmeergcbiet
mit Getreide versorgt wurde.

Noch als Unterthanen des wcltgebietenden spanischen Königs gelangten
die Holländer vor allen Ländern Europas zu ihrer glänzenden maritimen Ent-


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[0572] und der Nordsee, auf der holsteinischen Landstraße, die Lübeck mit Hamburg verband, und die in den Jahren 1390 bis 1398 ergänzt worden war durch einen indischen Kanalbau zwischen Trave und Elbe, und ans der Seestraße durch die dänischen Gewässer. Die Landstraße stand vollständig unter der Herrschaft Lübecks, lind die Seestraße mußte dieses Schicksal teilen, wenn es Lübeck gelang, den skandinavischen Norden und seine Herrscher wirtschaftlich wie politisch weiter zu beherrsche!,. Das war altindische Politik; mit ihr verquickte sich nnn die Spekulation, um die lästig werdenden Konkurrenten vom Norden und von der Ostsee möglichst fernzuhalten. Schon in den zwanziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts nahm der Kampf um den Sund und um den Zwischenhandel, der Hollands europäische Bedeutung begründet hat, akute Formen an. Im Kampf und im Bunde mit den nordischen Herrschern suchte Lübeck wiederholt den Sund zu sperren, und die große Menge der Bevölkerung jubelte diesen Unternehmungen zu, um be¬ geistertsten, als Wnlleuwever 1534 seine verwegnen Pläne in die That um- zusetzen begann. Aber diese scheiterten schnell und vollständig; die indische Herrschaft über den Sund und über den Norden brach damit für immer zu¬ sammen, und der holländische Handel konnte sich fortan sicher vor fernern thätigen Gegenwirkungen Lübecks das Übergewicht in der Ostsee erringen. Wiederholt hatte die holländische Seemacht während dieser Kriegsperiode Gelegenheit gehabt, ihre Tüchtigkeit zu beweisen. Die Vertrautheit mit der See durch den großen Fischfang in der Nordsee machte die Niederländer zu einem seegewohnten und seegewandten Volk, erzog eine eisenharte, kühne, seemächtige Bevölkerung. Von dem Gelingen der jährlichen Heringsfischerei hing Hollands Wohlfahrt ab, von der Ausrüstung der Schiffe, dem Knüpfen der Netze usw. lebte» Tausende. Dem gesamten Volke wurde der Verkehr mit der See geläufig. „Die Fischerei hat uns zum Seevolk gemacht, sodasz wir großen Handel treiben konnten," das war die feststehende Überzeugung der Nieder¬ länder (de la Court). Und dieser Handel fand seinen Mittelpunkt in dem trefflichen Hafen von Amsterdam. Schon 1438 konnte die Landesregierung bei dem Ausbruch eines Krieges mit den wendischen Städten erklären, daß Holland und Seeland gänzlich uns Kaufmannschaft begründet seien. Vom freien Ver¬ kehr mit den Ostseegcbieten hing der Schwung des Handels mich für die andern Richtungen des Amsterdamer Verkehrs ab. Wenn es richtig ist, daß Holland schon um 1500 für neun Zehntel seines Getreidebedarfs ans überseeische Ein¬ fuhr, und zwar ganz überwiegend ans den Ostseegebieten, angewiesen war, so erklärt sich auch daraus die Erregung, die jede Erschwerung des Snndverkehrs in Holland hervorrief. Bald war der Handel mit dem baltischen Korn über¬ haupt der vornehmste Erwerbszweig des Landes. Amsterdam wurde die große Kornscheuer, von wo aus Westeuropa und namentlich das Mittelmeergcbiet mit Getreide versorgt wurde. Noch als Unterthanen des wcltgebietenden spanischen Königs gelangten die Holländer vor allen Ländern Europas zu ihrer glänzenden maritimen Ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/572>, abgerufen am 03.07.2024.