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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Das Aloster Walaam im Ladogasee

jedoch mit dem Unterschiede, daß man hier mehr Nachahmungen merkwürdiger
Antiquitäten trifft als irgendwo anders.

Die Mönche von Walaam verstiegen sich in ihrem Unternehmungsgeist
sogar zur Konstruktion eines Tunnels, der von dein eigentlichen Kloster nach
den verschiednen Werkstätten durch deu Granitfelsen gesprengt ist. Die untere
Wandung dieses Tunnels ist mit großen behauenen Quadern, die Wölbung
mit Ziegelsteinen bekleidet. In der Solidität seiner Bauart kann der Tunnel
mit einer andern staunenswerten Anlage von Walaam -- der Wasserleitung --
wetteifern. Für dieses Kunstwerk ist das Kloster dem Abte Dmnaskin und dem
Pater Athanasius zu Danke verpflichtet. Früher mußte das Wasser aus dem
See den steilen, etwa hundert Meter hohen Fels hinaufgetragen werden. Bei
dein Schlackerlvetter im Herbst, bei dem Glatteis im Winter, bei Schnee und
Sturm setzte" die Mönche geradezu ihr Leben aufs Spiel, wenn sie mit den
schweren Wassereimern die glatten Treppenstufen hinaufstiegen. Um diesem
Mißstände abzuhelfen, entwarf der erfinderische und vor keiner Schwierigkeit
zurückschreckende Pater Dnmnskin ein Projekt, das Wasser durch Dampfkraft
unmittelbar in das.Kloster zu befördern und von dort weiter durch gußeiserne
Röhren in alle Wohngebäude, Küchen, Keller, Bäckerei, Viehstülle und in die
Obst- und Gemüsegärten. Der klug durchdachte Entwurf wurde mit größter
Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführt. Um zu versteh", welche Schwierigkeiten
bei dem Bau der Wasserleitung zu überwinden waren, dürfte es hinreichen zu
sagen, daß quer durch den Granitfelsen von oben nach unten zum See ein
Gang gesprengt werden mußte, in deu hundertundsiebzig Stufen gehauen
wurden, auf denen man bis zum Wasserspiegel hinabsteigen kann. Unter den
Stufen dieser eigentümlichen Treppe liegt das Rohr der Wasserleitung, das in
ein an der tiefsten Stelle des Ganges gebohrtes, zehn Meter tiefes Sammel¬
bassin mündet. Dieses wird vom See her mit Wasser gespeist, und das Wasser
wird wiederum den Berg hinauf in den großen, drei Stockwerke hohen Wasser¬
kuren gepumpt. Die in diesem aufgestellte Dampfmaschine ist imstande, stünd¬
lich 10000 Liter Wasser in den Filtrierapparat zu befördern. Außerdem wird
dieselbe Dampfkraft durch Übertragung für den Betrieb in den verschiednen
Handwerkstätten ausgenutzt; auch setzt sie die Schneide- und Mahlmühle sowie
die Drehbänke in der Kunstschlosserei in Bewegung. In dem untersten Stock¬
werk des Wasserturms liegen die Waschküche des Kloster und die Badeanstalt
für die Brüderschaft und für die Laicnarbeiter, deren es in Walaam zur
Sommerszeit an vierhundert giebt.

Schon im Anfang unsrer Skizze, bei der Beschreibung der wundervollen
Lage des Klosters, haben wir auf den von den Erbauern Walaams offen¬
barten hohen Kunstsinn hingewiesen. Bei vielen Mönchen dieser Ordensgemein¬
schaft hat sich dieser Kunstsinn weiter bis zu einem wirklichen Talent entwickelt.
Allerdings fällt uns bei vielen Bildern der Mangel an Technik, bisweilen
sogar eine völlige Unkenntnis der Grundregeln der Malkunst auf, und doch
verraten wieder gewisse Einzelheiten viel Begabung. In einigen Fällen hat


Das Aloster Walaam im Ladogasee

jedoch mit dem Unterschiede, daß man hier mehr Nachahmungen merkwürdiger
Antiquitäten trifft als irgendwo anders.

Die Mönche von Walaam verstiegen sich in ihrem Unternehmungsgeist
sogar zur Konstruktion eines Tunnels, der von dein eigentlichen Kloster nach
den verschiednen Werkstätten durch deu Granitfelsen gesprengt ist. Die untere
Wandung dieses Tunnels ist mit großen behauenen Quadern, die Wölbung
mit Ziegelsteinen bekleidet. In der Solidität seiner Bauart kann der Tunnel
mit einer andern staunenswerten Anlage von Walaam — der Wasserleitung —
wetteifern. Für dieses Kunstwerk ist das Kloster dem Abte Dmnaskin und dem
Pater Athanasius zu Danke verpflichtet. Früher mußte das Wasser aus dem
See den steilen, etwa hundert Meter hohen Fels hinaufgetragen werden. Bei
dein Schlackerlvetter im Herbst, bei dem Glatteis im Winter, bei Schnee und
Sturm setzte» die Mönche geradezu ihr Leben aufs Spiel, wenn sie mit den
schweren Wassereimern die glatten Treppenstufen hinaufstiegen. Um diesem
Mißstände abzuhelfen, entwarf der erfinderische und vor keiner Schwierigkeit
zurückschreckende Pater Dnmnskin ein Projekt, das Wasser durch Dampfkraft
unmittelbar in das.Kloster zu befördern und von dort weiter durch gußeiserne
Röhren in alle Wohngebäude, Küchen, Keller, Bäckerei, Viehstülle und in die
Obst- und Gemüsegärten. Der klug durchdachte Entwurf wurde mit größter
Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführt. Um zu versteh», welche Schwierigkeiten
bei dem Bau der Wasserleitung zu überwinden waren, dürfte es hinreichen zu
sagen, daß quer durch den Granitfelsen von oben nach unten zum See ein
Gang gesprengt werden mußte, in deu hundertundsiebzig Stufen gehauen
wurden, auf denen man bis zum Wasserspiegel hinabsteigen kann. Unter den
Stufen dieser eigentümlichen Treppe liegt das Rohr der Wasserleitung, das in
ein an der tiefsten Stelle des Ganges gebohrtes, zehn Meter tiefes Sammel¬
bassin mündet. Dieses wird vom See her mit Wasser gespeist, und das Wasser
wird wiederum den Berg hinauf in den großen, drei Stockwerke hohen Wasser¬
kuren gepumpt. Die in diesem aufgestellte Dampfmaschine ist imstande, stünd¬
lich 10000 Liter Wasser in den Filtrierapparat zu befördern. Außerdem wird
dieselbe Dampfkraft durch Übertragung für den Betrieb in den verschiednen
Handwerkstätten ausgenutzt; auch setzt sie die Schneide- und Mahlmühle sowie
die Drehbänke in der Kunstschlosserei in Bewegung. In dem untersten Stock¬
werk des Wasserturms liegen die Waschküche des Kloster und die Badeanstalt
für die Brüderschaft und für die Laicnarbeiter, deren es in Walaam zur
Sommerszeit an vierhundert giebt.

Schon im Anfang unsrer Skizze, bei der Beschreibung der wundervollen
Lage des Klosters, haben wir auf den von den Erbauern Walaams offen¬
barten hohen Kunstsinn hingewiesen. Bei vielen Mönchen dieser Ordensgemein¬
schaft hat sich dieser Kunstsinn weiter bis zu einem wirklichen Talent entwickelt.
Allerdings fällt uns bei vielen Bildern der Mangel an Technik, bisweilen
sogar eine völlige Unkenntnis der Grundregeln der Malkunst auf, und doch
verraten wieder gewisse Einzelheiten viel Begabung. In einigen Fällen hat


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[0531] Das Aloster Walaam im Ladogasee jedoch mit dem Unterschiede, daß man hier mehr Nachahmungen merkwürdiger Antiquitäten trifft als irgendwo anders. Die Mönche von Walaam verstiegen sich in ihrem Unternehmungsgeist sogar zur Konstruktion eines Tunnels, der von dein eigentlichen Kloster nach den verschiednen Werkstätten durch deu Granitfelsen gesprengt ist. Die untere Wandung dieses Tunnels ist mit großen behauenen Quadern, die Wölbung mit Ziegelsteinen bekleidet. In der Solidität seiner Bauart kann der Tunnel mit einer andern staunenswerten Anlage von Walaam — der Wasserleitung — wetteifern. Für dieses Kunstwerk ist das Kloster dem Abte Dmnaskin und dem Pater Athanasius zu Danke verpflichtet. Früher mußte das Wasser aus dem See den steilen, etwa hundert Meter hohen Fels hinaufgetragen werden. Bei dein Schlackerlvetter im Herbst, bei dem Glatteis im Winter, bei Schnee und Sturm setzte» die Mönche geradezu ihr Leben aufs Spiel, wenn sie mit den schweren Wassereimern die glatten Treppenstufen hinaufstiegen. Um diesem Mißstände abzuhelfen, entwarf der erfinderische und vor keiner Schwierigkeit zurückschreckende Pater Dnmnskin ein Projekt, das Wasser durch Dampfkraft unmittelbar in das.Kloster zu befördern und von dort weiter durch gußeiserne Röhren in alle Wohngebäude, Küchen, Keller, Bäckerei, Viehstülle und in die Obst- und Gemüsegärten. Der klug durchdachte Entwurf wurde mit größter Genauigkeit und Sorgfalt ausgeführt. Um zu versteh», welche Schwierigkeiten bei dem Bau der Wasserleitung zu überwinden waren, dürfte es hinreichen zu sagen, daß quer durch den Granitfelsen von oben nach unten zum See ein Gang gesprengt werden mußte, in deu hundertundsiebzig Stufen gehauen wurden, auf denen man bis zum Wasserspiegel hinabsteigen kann. Unter den Stufen dieser eigentümlichen Treppe liegt das Rohr der Wasserleitung, das in ein an der tiefsten Stelle des Ganges gebohrtes, zehn Meter tiefes Sammel¬ bassin mündet. Dieses wird vom See her mit Wasser gespeist, und das Wasser wird wiederum den Berg hinauf in den großen, drei Stockwerke hohen Wasser¬ kuren gepumpt. Die in diesem aufgestellte Dampfmaschine ist imstande, stünd¬ lich 10000 Liter Wasser in den Filtrierapparat zu befördern. Außerdem wird dieselbe Dampfkraft durch Übertragung für den Betrieb in den verschiednen Handwerkstätten ausgenutzt; auch setzt sie die Schneide- und Mahlmühle sowie die Drehbänke in der Kunstschlosserei in Bewegung. In dem untersten Stock¬ werk des Wasserturms liegen die Waschküche des Kloster und die Badeanstalt für die Brüderschaft und für die Laicnarbeiter, deren es in Walaam zur Sommerszeit an vierhundert giebt. Schon im Anfang unsrer Skizze, bei der Beschreibung der wundervollen Lage des Klosters, haben wir auf den von den Erbauern Walaams offen¬ barten hohen Kunstsinn hingewiesen. Bei vielen Mönchen dieser Ordensgemein¬ schaft hat sich dieser Kunstsinn weiter bis zu einem wirklichen Talent entwickelt. Allerdings fällt uns bei vielen Bildern der Mangel an Technik, bisweilen sogar eine völlige Unkenntnis der Grundregeln der Malkunst auf, und doch verraten wieder gewisse Einzelheiten viel Begabung. In einigen Fällen hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/531>, abgerufen am 01.07.2024.