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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Auf Sizilien

alter nur wenig, vor allein der normannische Dom ans dem Ende des elften
Jahrhunderts; aber auch dieser ist im Innern ganz modernisiert, und mir die
Westfassade zeigt die eigentümliche alte Architektur, besonders in den Relief-
streifen zwischen den Steinschichten, die teils Ornamente, teils Szenen aus dem
bürgerlichen Leben darstellen. So ist Messina die modernste Stadt Siziliens
und nächst Palermo die lebhafteste, besonders seitdem die Eröffnung des Suez¬
kanals sie zu einem der wichtigsten Durchgangspunkte für den Verkehr uach
Süd- und Ostasien gemacht hat. In dieser Beziehung wie in ihrer Lage hat
sie manche Ähnlichkeit mit Genua.

Zwischen das Meer und die steilen Küstenberge, die die beiden sie be¬
herrschenden Forts Gonzaga und Castellaeeio tragen, eingeschlossen, streckt sie
sich lang am Strande hin, an mehreren Stellen seltsam durchbrochen von den
meist trocknen Geröllbecken von Torrenten, die bei starken: Regen das Wasser
vom Gebirge herab dem Meere zuführen. Sie besteht daher im wesentlichen
aus einigen wenigen langen nordsüdlichen Parallelstraßen, vor allem der präch¬
tigen Via Garibaldi mit dem königlichen Palast, den: großartigen Rathause
iMlÄWo rnuiüoixiüs) und der Börse, die zugleich das Post- und Telegraphenamt
enthält. Aber durch die Querstraßen schaut immer wieder die See herein und
lockt hinaus nach dem Hafendamm, dem Korso Vittorio Emanuele, wie diese
Uferstraße jetzt heißt. Dort zeigen zahlreiche Schiffahrtsagentureu und die
Flaggen aller Länder einen Verkehr, der weit über die europäischen Gewässer
hinaus bis nach Asien und Amerika reicht, große Dampfer liegen dicht am
steinernen Bollwerk und in dem prachtvollen geräumigen und tiefen Hafen¬
becken, dessen Rand eine schmale, halbmondförmige Landzunge so umfaßt, daß
nur im Norden eine Einfahrt von 400 Meter Breite frei bleibt. Wieviele
Flotten sind von hier aus nach dem Osten gesegelt, unter andern: auch das
gewaltige Geschwader, das 1571 unter Juan d'Austria die Türken bei Lepanto
schlug! Aber das Kastell da drüben, an der Stelle, wo die Halbinsel an das
Land stößt, das die Spanier nach den: zweiten Raubkriege erbauten, war mehr
eine Zwingburg als eine Schutzwehr für die stolze Stadt und hat seine Ge¬
schütze noch 1848 und 1860 gegen sie gerichtet; jetzt ist es im Abbruch be¬
griffen. Draußen flutet die Meeresstrnße vorüber wie ein breiter Strom, und
gegenüber hebt sich in langen Linien das hohe Küstengebirge von Kalabrien
aus der blauen Flut, vom duukelbewaldeten Aspromonte überragt und an:
Fuße längs des Gestades von weißen Ortschaften umsäumt. Nach Süden öffnet
sich in breiter Ausdehnung das Ionische Meer, nach Norden schieben sich die
Bergzüge Siziliens und Italiens so zusammen, daß die Meerenge beinahe wie
ein geschlossener Landsee erscheint.

Doch den vollen Überblick über Land und Meer gewinnt man nicht in
der Stadt, sondern von einer Höhe über ihr oder von der See oder endlich
und an: besten vom Leuchtturm aus, der 12 Kilometer von Messina die engste
Stelle der Meerenge, das eigentliche strstto al Nsssing., bezeichnet. Längs
der Landstraße schließt sich ununterbrochen Ortschaft an Ortschaft; einfache


Grenzbote" II 1900 KZ
Auf Sizilien

alter nur wenig, vor allein der normannische Dom ans dem Ende des elften
Jahrhunderts; aber auch dieser ist im Innern ganz modernisiert, und mir die
Westfassade zeigt die eigentümliche alte Architektur, besonders in den Relief-
streifen zwischen den Steinschichten, die teils Ornamente, teils Szenen aus dem
bürgerlichen Leben darstellen. So ist Messina die modernste Stadt Siziliens
und nächst Palermo die lebhafteste, besonders seitdem die Eröffnung des Suez¬
kanals sie zu einem der wichtigsten Durchgangspunkte für den Verkehr uach
Süd- und Ostasien gemacht hat. In dieser Beziehung wie in ihrer Lage hat
sie manche Ähnlichkeit mit Genua.

Zwischen das Meer und die steilen Küstenberge, die die beiden sie be¬
herrschenden Forts Gonzaga und Castellaeeio tragen, eingeschlossen, streckt sie
sich lang am Strande hin, an mehreren Stellen seltsam durchbrochen von den
meist trocknen Geröllbecken von Torrenten, die bei starken: Regen das Wasser
vom Gebirge herab dem Meere zuführen. Sie besteht daher im wesentlichen
aus einigen wenigen langen nordsüdlichen Parallelstraßen, vor allem der präch¬
tigen Via Garibaldi mit dem königlichen Palast, den: großartigen Rathause
iMlÄWo rnuiüoixiüs) und der Börse, die zugleich das Post- und Telegraphenamt
enthält. Aber durch die Querstraßen schaut immer wieder die See herein und
lockt hinaus nach dem Hafendamm, dem Korso Vittorio Emanuele, wie diese
Uferstraße jetzt heißt. Dort zeigen zahlreiche Schiffahrtsagentureu und die
Flaggen aller Länder einen Verkehr, der weit über die europäischen Gewässer
hinaus bis nach Asien und Amerika reicht, große Dampfer liegen dicht am
steinernen Bollwerk und in dem prachtvollen geräumigen und tiefen Hafen¬
becken, dessen Rand eine schmale, halbmondförmige Landzunge so umfaßt, daß
nur im Norden eine Einfahrt von 400 Meter Breite frei bleibt. Wieviele
Flotten sind von hier aus nach dem Osten gesegelt, unter andern: auch das
gewaltige Geschwader, das 1571 unter Juan d'Austria die Türken bei Lepanto
schlug! Aber das Kastell da drüben, an der Stelle, wo die Halbinsel an das
Land stößt, das die Spanier nach den: zweiten Raubkriege erbauten, war mehr
eine Zwingburg als eine Schutzwehr für die stolze Stadt und hat seine Ge¬
schütze noch 1848 und 1860 gegen sie gerichtet; jetzt ist es im Abbruch be¬
griffen. Draußen flutet die Meeresstrnße vorüber wie ein breiter Strom, und
gegenüber hebt sich in langen Linien das hohe Küstengebirge von Kalabrien
aus der blauen Flut, vom duukelbewaldeten Aspromonte überragt und an:
Fuße längs des Gestades von weißen Ortschaften umsäumt. Nach Süden öffnet
sich in breiter Ausdehnung das Ionische Meer, nach Norden schieben sich die
Bergzüge Siziliens und Italiens so zusammen, daß die Meerenge beinahe wie
ein geschlossener Landsee erscheint.

Doch den vollen Überblick über Land und Meer gewinnt man nicht in
der Stadt, sondern von einer Höhe über ihr oder von der See oder endlich
und an: besten vom Leuchtturm aus, der 12 Kilometer von Messina die engste
Stelle der Meerenge, das eigentliche strstto al Nsssing., bezeichnet. Längs
der Landstraße schließt sich ununterbrochen Ortschaft an Ortschaft; einfache


Grenzbote» II 1900 KZ
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[0505] Auf Sizilien alter nur wenig, vor allein der normannische Dom ans dem Ende des elften Jahrhunderts; aber auch dieser ist im Innern ganz modernisiert, und mir die Westfassade zeigt die eigentümliche alte Architektur, besonders in den Relief- streifen zwischen den Steinschichten, die teils Ornamente, teils Szenen aus dem bürgerlichen Leben darstellen. So ist Messina die modernste Stadt Siziliens und nächst Palermo die lebhafteste, besonders seitdem die Eröffnung des Suez¬ kanals sie zu einem der wichtigsten Durchgangspunkte für den Verkehr uach Süd- und Ostasien gemacht hat. In dieser Beziehung wie in ihrer Lage hat sie manche Ähnlichkeit mit Genua. Zwischen das Meer und die steilen Küstenberge, die die beiden sie be¬ herrschenden Forts Gonzaga und Castellaeeio tragen, eingeschlossen, streckt sie sich lang am Strande hin, an mehreren Stellen seltsam durchbrochen von den meist trocknen Geröllbecken von Torrenten, die bei starken: Regen das Wasser vom Gebirge herab dem Meere zuführen. Sie besteht daher im wesentlichen aus einigen wenigen langen nordsüdlichen Parallelstraßen, vor allem der präch¬ tigen Via Garibaldi mit dem königlichen Palast, den: großartigen Rathause iMlÄWo rnuiüoixiüs) und der Börse, die zugleich das Post- und Telegraphenamt enthält. Aber durch die Querstraßen schaut immer wieder die See herein und lockt hinaus nach dem Hafendamm, dem Korso Vittorio Emanuele, wie diese Uferstraße jetzt heißt. Dort zeigen zahlreiche Schiffahrtsagentureu und die Flaggen aller Länder einen Verkehr, der weit über die europäischen Gewässer hinaus bis nach Asien und Amerika reicht, große Dampfer liegen dicht am steinernen Bollwerk und in dem prachtvollen geräumigen und tiefen Hafen¬ becken, dessen Rand eine schmale, halbmondförmige Landzunge so umfaßt, daß nur im Norden eine Einfahrt von 400 Meter Breite frei bleibt. Wieviele Flotten sind von hier aus nach dem Osten gesegelt, unter andern: auch das gewaltige Geschwader, das 1571 unter Juan d'Austria die Türken bei Lepanto schlug! Aber das Kastell da drüben, an der Stelle, wo die Halbinsel an das Land stößt, das die Spanier nach den: zweiten Raubkriege erbauten, war mehr eine Zwingburg als eine Schutzwehr für die stolze Stadt und hat seine Ge¬ schütze noch 1848 und 1860 gegen sie gerichtet; jetzt ist es im Abbruch be¬ griffen. Draußen flutet die Meeresstrnße vorüber wie ein breiter Strom, und gegenüber hebt sich in langen Linien das hohe Küstengebirge von Kalabrien aus der blauen Flut, vom duukelbewaldeten Aspromonte überragt und an: Fuße längs des Gestades von weißen Ortschaften umsäumt. Nach Süden öffnet sich in breiter Ausdehnung das Ionische Meer, nach Norden schieben sich die Bergzüge Siziliens und Italiens so zusammen, daß die Meerenge beinahe wie ein geschlossener Landsee erscheint. Doch den vollen Überblick über Land und Meer gewinnt man nicht in der Stadt, sondern von einer Höhe über ihr oder von der See oder endlich und an: besten vom Leuchtturm aus, der 12 Kilometer von Messina die engste Stelle der Meerenge, das eigentliche strstto al Nsssing., bezeichnet. Längs der Landstraße schließt sich ununterbrochen Ortschaft an Ortschaft; einfache Grenzbote» II 1900 KZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/505>, abgerufen am 01.07.2024.