Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsch"! Frage in Ungarns Gstinar?

habe bieten kann, ihnen weitere Rechte zu nehmen, werden geflissentlich betonen
müssen, daß sie nichts andres wollen, als im Nahmen des ungarischen Staates
und zu seinem Besten deutsche Art und Sitte pflegen.

Ein siebeubürgischer Student hatte am Grabe Bismcircks in Friedrichsruh
kürzlich einen Kranz niedergelegt und gesprochen -- der Name Bismarck übt
eine zauberhafte Wirkung auch ans siebenbiirgische Ohren und Herzen aus --;
der Ministerpräsident hat dann zwar erklärt, der Bismarckkultus sei um sich
nichts mit ungarischen Patriotismus Unvereinbares. Dennoch werden die jungen
Sachsen gut thun, mit dem Absingen von Bismarckliedern und der Wacht am
Rhein und der Aneignung eines spezifisch reichsdeutscheu Patriotismus bor¬
sichtiger zu sein. Um so mehr Aussicht auf Erfolg wird es haben, wenn sie
scharf auf ihr wirkliches Recht sehen. Denn andrerseits müssen sie eisersüchtig
das kleinste ihrer Rechte bewachen. Unter den Sachsen stehn sich zwei Parteien
seit lange gegenüber, die Schwarzen mit dem Zentrum in Hermannstadt, die
Gemäßigten und diplomatischer Behandlung nicht Abgeneigten, die offizielle
Richtung, und die Grünen, die Radikalen mit dem Zentrum in Kronstäbe.
Es ist dringend zu wünschen, daß unter dem Drucke der Not der kleine Hause
vollkommen geschlossen operiere, und da mau in den Zielen völlig eins ist,
sich auch über den Weg einige. In dieser Beziehung brachte die jüngste Fahnen¬
affaire in Kronstäbe eine erfreuliche Erscheinung: die Sachsen standen völlig
geschlossen, und die Schwarzen führte" das Wort.")

Dieselbe Affaire zeigte noch einen andern Lichtblick. Wie ein Mann
standen mich die sämtlichen sächsischen Unterbeamten, die Organe der Selbst¬
verwaltung, gegen den Obergespan auf, der Vizegespnu voran. Einen gewissen
Rückhalt giebt das doch.

Auch das kaun rühmend hervorgehoben werden, daß sich die Sachsen mit
allem Ernste gegen die von den Rumänen drohende soziale Gefahr wenden,
nicht nur mit Naiffeisenscheu Darlehnskassen und ländlichen Produktivgenossen-
schaften, sondern mit einer wirklichen Junerkolonisation, und zwar in der Rich¬
tung auf die Gründung neuer sächsischer oder deutscher Gemeinden durch Ankauf,
Parzellierung und Besiedlung solcher Landgüter, die in der Nähe sächsischer
Ortschaften liegen. Ferner ist eine große Aktiengesellschaft in der Bildung,
zu der die beiden sächsischen Sparkassen in Hermannstadt und die Nations-
uuiversität 1^ Millionen beigesteuert haben, zur Nulchnrmachung des den
Sachsen gehörigen Urwaldes in den Karpaten, der,,Siebenrichterwaldnngen."
Das ist gedacht als der Anfang großer industrieller Unternehmungen, die dem
Volke neue Quellen des Wohlstands öffnen sollen. Denn längst hat das
Volk seine Isoliertheit verloren: neben der großen Linie, die von Pest über
Klansenburg, Schäßburg und Kronstäbe nach Bukarest führt, soll jetzt eine



Unterdes ist in den letzten Wochen die Konstituierung der siebcnbÄrgisch-sächsischen
Abgeordneten im Parlament als besondrer Fraktion erfolgt, und in eben diesen Tagen haben
in Kronstäbe durch das Zusammengehn beider Parteien bei der Stadtgemeindevertretungswahl
die Sachsen einen vollen Sieg errungen.
Die deutsch«! Frage in Ungarns Gstinar?

habe bieten kann, ihnen weitere Rechte zu nehmen, werden geflissentlich betonen
müssen, daß sie nichts andres wollen, als im Nahmen des ungarischen Staates
und zu seinem Besten deutsche Art und Sitte pflegen.

Ein siebeubürgischer Student hatte am Grabe Bismcircks in Friedrichsruh
kürzlich einen Kranz niedergelegt und gesprochen — der Name Bismarck übt
eine zauberhafte Wirkung auch ans siebenbiirgische Ohren und Herzen aus —;
der Ministerpräsident hat dann zwar erklärt, der Bismarckkultus sei um sich
nichts mit ungarischen Patriotismus Unvereinbares. Dennoch werden die jungen
Sachsen gut thun, mit dem Absingen von Bismarckliedern und der Wacht am
Rhein und der Aneignung eines spezifisch reichsdeutscheu Patriotismus bor¬
sichtiger zu sein. Um so mehr Aussicht auf Erfolg wird es haben, wenn sie
scharf auf ihr wirkliches Recht sehen. Denn andrerseits müssen sie eisersüchtig
das kleinste ihrer Rechte bewachen. Unter den Sachsen stehn sich zwei Parteien
seit lange gegenüber, die Schwarzen mit dem Zentrum in Hermannstadt, die
Gemäßigten und diplomatischer Behandlung nicht Abgeneigten, die offizielle
Richtung, und die Grünen, die Radikalen mit dem Zentrum in Kronstäbe.
Es ist dringend zu wünschen, daß unter dem Drucke der Not der kleine Hause
vollkommen geschlossen operiere, und da mau in den Zielen völlig eins ist,
sich auch über den Weg einige. In dieser Beziehung brachte die jüngste Fahnen¬
affaire in Kronstäbe eine erfreuliche Erscheinung: die Sachsen standen völlig
geschlossen, und die Schwarzen führte» das Wort.")

Dieselbe Affaire zeigte noch einen andern Lichtblick. Wie ein Mann
standen mich die sämtlichen sächsischen Unterbeamten, die Organe der Selbst¬
verwaltung, gegen den Obergespan auf, der Vizegespnu voran. Einen gewissen
Rückhalt giebt das doch.

Auch das kaun rühmend hervorgehoben werden, daß sich die Sachsen mit
allem Ernste gegen die von den Rumänen drohende soziale Gefahr wenden,
nicht nur mit Naiffeisenscheu Darlehnskassen und ländlichen Produktivgenossen-
schaften, sondern mit einer wirklichen Junerkolonisation, und zwar in der Rich¬
tung auf die Gründung neuer sächsischer oder deutscher Gemeinden durch Ankauf,
Parzellierung und Besiedlung solcher Landgüter, die in der Nähe sächsischer
Ortschaften liegen. Ferner ist eine große Aktiengesellschaft in der Bildung,
zu der die beiden sächsischen Sparkassen in Hermannstadt und die Nations-
uuiversität 1^ Millionen beigesteuert haben, zur Nulchnrmachung des den
Sachsen gehörigen Urwaldes in den Karpaten, der,,Siebenrichterwaldnngen."
Das ist gedacht als der Anfang großer industrieller Unternehmungen, die dem
Volke neue Quellen des Wohlstands öffnen sollen. Denn längst hat das
Volk seine Isoliertheit verloren: neben der großen Linie, die von Pest über
Klansenburg, Schäßburg und Kronstäbe nach Bukarest führt, soll jetzt eine



Unterdes ist in den letzten Wochen die Konstituierung der siebcnbÄrgisch-sächsischen
Abgeordneten im Parlament als besondrer Fraktion erfolgt, und in eben diesen Tagen haben
in Kronstäbe durch das Zusammengehn beider Parteien bei der Stadtgemeindevertretungswahl
die Sachsen einen vollen Sieg errungen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0480" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290891"/>
          <fw type="header" place="top"> Die deutsch«! Frage in Ungarns Gstinar?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1623" prev="#ID_1622"> habe bieten kann, ihnen weitere Rechte zu nehmen, werden geflissentlich betonen<lb/>
müssen, daß sie nichts andres wollen, als im Nahmen des ungarischen Staates<lb/>
und zu seinem Besten deutsche Art und Sitte pflegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1624"> Ein siebeubürgischer Student hatte am Grabe Bismcircks in Friedrichsruh<lb/>
kürzlich einen Kranz niedergelegt und gesprochen &#x2014; der Name Bismarck übt<lb/>
eine zauberhafte Wirkung auch ans siebenbiirgische Ohren und Herzen aus &#x2014;;<lb/>
der Ministerpräsident hat dann zwar erklärt, der Bismarckkultus sei um sich<lb/>
nichts mit ungarischen Patriotismus Unvereinbares. Dennoch werden die jungen<lb/>
Sachsen gut thun, mit dem Absingen von Bismarckliedern und der Wacht am<lb/>
Rhein und der Aneignung eines spezifisch reichsdeutscheu Patriotismus bor¬<lb/>
sichtiger zu sein. Um so mehr Aussicht auf Erfolg wird es haben, wenn sie<lb/>
scharf auf ihr wirkliches Recht sehen. Denn andrerseits müssen sie eisersüchtig<lb/>
das kleinste ihrer Rechte bewachen. Unter den Sachsen stehn sich zwei Parteien<lb/>
seit lange gegenüber, die Schwarzen mit dem Zentrum in Hermannstadt, die<lb/>
Gemäßigten und diplomatischer Behandlung nicht Abgeneigten, die offizielle<lb/>
Richtung, und die Grünen, die Radikalen mit dem Zentrum in Kronstäbe.<lb/>
Es ist dringend zu wünschen, daß unter dem Drucke der Not der kleine Hause<lb/>
vollkommen geschlossen operiere, und da mau in den Zielen völlig eins ist,<lb/>
sich auch über den Weg einige. In dieser Beziehung brachte die jüngste Fahnen¬<lb/>
affaire in Kronstäbe eine erfreuliche Erscheinung: die Sachsen standen völlig<lb/>
geschlossen, und die Schwarzen führte» das Wort.")</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1625"> Dieselbe Affaire zeigte noch einen andern Lichtblick. Wie ein Mann<lb/>
standen mich die sämtlichen sächsischen Unterbeamten, die Organe der Selbst¬<lb/>
verwaltung, gegen den Obergespan auf, der Vizegespnu voran. Einen gewissen<lb/>
Rückhalt giebt das doch.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1626" next="#ID_1627"> Auch das kaun rühmend hervorgehoben werden, daß sich die Sachsen mit<lb/>
allem Ernste gegen die von den Rumänen drohende soziale Gefahr wenden,<lb/>
nicht nur mit Naiffeisenscheu Darlehnskassen und ländlichen Produktivgenossen-<lb/>
schaften, sondern mit einer wirklichen Junerkolonisation, und zwar in der Rich¬<lb/>
tung auf die Gründung neuer sächsischer oder deutscher Gemeinden durch Ankauf,<lb/>
Parzellierung und Besiedlung solcher Landgüter, die in der Nähe sächsischer<lb/>
Ortschaften liegen. Ferner ist eine große Aktiengesellschaft in der Bildung,<lb/>
zu der die beiden sächsischen Sparkassen in Hermannstadt und die Nations-<lb/>
uuiversität 1^ Millionen beigesteuert haben, zur Nulchnrmachung des den<lb/>
Sachsen gehörigen Urwaldes in den Karpaten, der,,Siebenrichterwaldnngen."<lb/>
Das ist gedacht als der Anfang großer industrieller Unternehmungen, die dem<lb/>
Volke neue Quellen des Wohlstands öffnen sollen. Denn längst hat das<lb/>
Volk seine Isoliertheit verloren: neben der großen Linie, die von Pest über<lb/>
Klansenburg, Schäßburg und Kronstäbe nach Bukarest führt, soll jetzt eine</p><lb/>
          <note xml:id="FID_65" place="foot"> Unterdes ist in den letzten Wochen die Konstituierung der siebcnbÄrgisch-sächsischen<lb/>
Abgeordneten im Parlament als besondrer Fraktion erfolgt, und in eben diesen Tagen haben<lb/>
in Kronstäbe durch das Zusammengehn beider Parteien bei der Stadtgemeindevertretungswahl<lb/>
die Sachsen einen vollen Sieg errungen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0480] Die deutsch«! Frage in Ungarns Gstinar? habe bieten kann, ihnen weitere Rechte zu nehmen, werden geflissentlich betonen müssen, daß sie nichts andres wollen, als im Nahmen des ungarischen Staates und zu seinem Besten deutsche Art und Sitte pflegen. Ein siebeubürgischer Student hatte am Grabe Bismcircks in Friedrichsruh kürzlich einen Kranz niedergelegt und gesprochen — der Name Bismarck übt eine zauberhafte Wirkung auch ans siebenbiirgische Ohren und Herzen aus —; der Ministerpräsident hat dann zwar erklärt, der Bismarckkultus sei um sich nichts mit ungarischen Patriotismus Unvereinbares. Dennoch werden die jungen Sachsen gut thun, mit dem Absingen von Bismarckliedern und der Wacht am Rhein und der Aneignung eines spezifisch reichsdeutscheu Patriotismus bor¬ sichtiger zu sein. Um so mehr Aussicht auf Erfolg wird es haben, wenn sie scharf auf ihr wirkliches Recht sehen. Denn andrerseits müssen sie eisersüchtig das kleinste ihrer Rechte bewachen. Unter den Sachsen stehn sich zwei Parteien seit lange gegenüber, die Schwarzen mit dem Zentrum in Hermannstadt, die Gemäßigten und diplomatischer Behandlung nicht Abgeneigten, die offizielle Richtung, und die Grünen, die Radikalen mit dem Zentrum in Kronstäbe. Es ist dringend zu wünschen, daß unter dem Drucke der Not der kleine Hause vollkommen geschlossen operiere, und da mau in den Zielen völlig eins ist, sich auch über den Weg einige. In dieser Beziehung brachte die jüngste Fahnen¬ affaire in Kronstäbe eine erfreuliche Erscheinung: die Sachsen standen völlig geschlossen, und die Schwarzen führte» das Wort.") Dieselbe Affaire zeigte noch einen andern Lichtblick. Wie ein Mann standen mich die sämtlichen sächsischen Unterbeamten, die Organe der Selbst¬ verwaltung, gegen den Obergespan auf, der Vizegespnu voran. Einen gewissen Rückhalt giebt das doch. Auch das kaun rühmend hervorgehoben werden, daß sich die Sachsen mit allem Ernste gegen die von den Rumänen drohende soziale Gefahr wenden, nicht nur mit Naiffeisenscheu Darlehnskassen und ländlichen Produktivgenossen- schaften, sondern mit einer wirklichen Junerkolonisation, und zwar in der Rich¬ tung auf die Gründung neuer sächsischer oder deutscher Gemeinden durch Ankauf, Parzellierung und Besiedlung solcher Landgüter, die in der Nähe sächsischer Ortschaften liegen. Ferner ist eine große Aktiengesellschaft in der Bildung, zu der die beiden sächsischen Sparkassen in Hermannstadt und die Nations- uuiversität 1^ Millionen beigesteuert haben, zur Nulchnrmachung des den Sachsen gehörigen Urwaldes in den Karpaten, der,,Siebenrichterwaldnngen." Das ist gedacht als der Anfang großer industrieller Unternehmungen, die dem Volke neue Quellen des Wohlstands öffnen sollen. Denn längst hat das Volk seine Isoliertheit verloren: neben der großen Linie, die von Pest über Klansenburg, Schäßburg und Kronstäbe nach Bukarest führt, soll jetzt eine Unterdes ist in den letzten Wochen die Konstituierung der siebcnbÄrgisch-sächsischen Abgeordneten im Parlament als besondrer Fraktion erfolgt, und in eben diesen Tagen haben in Kronstäbe durch das Zusammengehn beider Parteien bei der Stadtgemeindevertretungswahl die Sachsen einen vollen Sieg errungen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/480
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/480>, abgerufen am 22.07.2024.