Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Ballen, Finnländer, Buren dein Gouverneur Fürsten Schachowskoi ab, die alle "Tschinowuili" iMireau- Die Ballen sind staatstren, und sie müssen staatstren bleiben. Der Bann Sie sind Aristokraten, und seit dem Eintritt des Pulverzeitalters haben Sehen wir für einen Augenblick von den Unterdrückten ab und wenden Ballen, Finnländer, Buren dein Gouverneur Fürsten Schachowskoi ab, die alle „Tschinowuili" iMireau- Die Ballen sind staatstren, und sie müssen staatstren bleiben. Der Bann Sie sind Aristokraten, und seit dem Eintritt des Pulverzeitalters haben Sehen wir für einen Augenblick von den Unterdrückten ab und wenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290880"/> <fw type="header" place="top"> Ballen, Finnländer, Buren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1587" prev="#ID_1586"> dein Gouverneur Fürsten Schachowskoi ab, die alle „Tschinowuili" iMireau-<lb/> krateu) aus dem Häuschen brachte und vielleicht auch dazu beigetragen haben<lb/> mag, den phlegmatischen, mehr zu einem langsamen Vorgehn geneigten<lb/> Alexander 111. in die Keulenpolitik hineinzutreiben, die mit wenigen schweren<lb/> Schlägen der ganzen geschichtlichen Sonderstellung der Provinzen ein Ende<lb/> machte. Dieses Ergebnis hätte freilich doch nur um ein Jahrfünft oder viel¬<lb/> leicht ein Jahrzehnt verzögert werden können. Auch die kluge, abwägende,<lb/> ebenso sehr im baltischen wie im allgemein-staatliche» Sinne patriotische Politik,<lb/> die fast alle übrigen Vertreter der ständischen Körperschaften verfolgten, wurde<lb/> am Zarenhvfe bald mit Erfolg verdächtigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1588"> Die Ballen sind staatstren, und sie müssen staatstren bleiben. Der Bann<lb/> ihrer nider Überlieferungen wie der Zwang aller ausschlaggebenden Verhält¬<lb/> nisse nötigen ihnen in gleichem Maße die Niederkämpfung ihres Schmerzes,<lb/> ihrer berechtigten Erbitterung auf. Können sie die Unterlassungssünden ihrer<lb/> Väter wieder gut machen? Nicht blos; das Böse, sondern anch das Dumme<lb/> hat fortzeugende Kraft. Die deutsche Ostseekolonie war ein Kind, das der<lb/> kerngesunde' Mutterleib des mittelalterlichen Deutschtums dem Romanismus<lb/> gebar, diesem auf unserm Boden zum Kretin entarteten Schmarvtzergast.</p><lb/> <p xml:id="ID_1589"> Sie sind Aristokraten, und seit dem Eintritt des Pulverzeitalters haben<lb/> »»n einmal alle aristokratischen Fronten, auch die rechtlich und sittlich be¬<lb/> gründetsten, mit der schließlichen Unterwerfung enden müssen. Sie müßten sich<lb/> sogar fügen, wenn ihnen ihre letzte» nationalen Güter, die deutsche Presse und<lb/> das deutsche Theater, entrissen würden. Aber soweit wird wohl nicht einmal<lb/> die siegestrnnkne russische „Büreaukrateska" ihr wildes Prokrnstcsspiel mit<lb/> diesem widerstandslosen und doch einst so blühenden, lebenskräftigen Gcsell-<lb/> schaftskörper treiben. Sie empfindet doch noch einen kleinen Überrest von Scham<lb/> und Scheu vor der öffentlichen Meinung Europas, wenn diese ihr gegenüber<lb/> auch meist recht matte und zaghafte Töne anzuschlagen pflegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1590" next="#ID_1591"> Sehen wir für einen Augenblick von den Unterdrückten ab und wenden<lb/> wir uns den Unterdrückern zu, so werden wir finden, daß England durch<lb/> nahezu zwingende Impulse des Kapitalistenstants, Rußland durch solche der<lb/> absolutistisch-büreaukratischen Staatsordnung ans einem überlegten Vormarsch<lb/> zum Angriff gegen Zwischenkörper, gegen Hindernisse gedrängt wurde. Die<lb/> Macht mußte den Ausschlag geben, und diese hat in den Ostseeprovinzen für<lb/> Nußland, in Südafrika dngegeu noch lange nicht für England entschieden.<lb/> Was aber Finnland betrifft, so kann auch die größte reale Machtfülle diese»<lb/> himmelschreienden Verfassnngsbruch. dieses Niederstampfen alter, klarer »ud<lb/> verbürgter Rechte nicht rechtfertigen. In den Ostseeprovinzen würde sich wohl<lb/> jeder Staat die Verzwicktheit der dortigen Verhältnisse zu nutze gemacht haben.<lb/> Gegen Finnland konnte dagegen nur Rußland eine so brutale, jedes vernünf¬<lb/> tigen Zwecks entbehrende Verwüstnngspolitik treiben, lind die Finnländer<lb/> werden sicher einmal ihren Quälgeister» uahezufnhren wissen, daß auch ein<lb/> Hundertmillionenvolk el» kräftiges, einiges Zwcimillionenvolk nicht mit Füßen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
Ballen, Finnländer, Buren
dein Gouverneur Fürsten Schachowskoi ab, die alle „Tschinowuili" iMireau-
krateu) aus dem Häuschen brachte und vielleicht auch dazu beigetragen haben
mag, den phlegmatischen, mehr zu einem langsamen Vorgehn geneigten
Alexander 111. in die Keulenpolitik hineinzutreiben, die mit wenigen schweren
Schlägen der ganzen geschichtlichen Sonderstellung der Provinzen ein Ende
machte. Dieses Ergebnis hätte freilich doch nur um ein Jahrfünft oder viel¬
leicht ein Jahrzehnt verzögert werden können. Auch die kluge, abwägende,
ebenso sehr im baltischen wie im allgemein-staatliche» Sinne patriotische Politik,
die fast alle übrigen Vertreter der ständischen Körperschaften verfolgten, wurde
am Zarenhvfe bald mit Erfolg verdächtigt.
Die Ballen sind staatstren, und sie müssen staatstren bleiben. Der Bann
ihrer nider Überlieferungen wie der Zwang aller ausschlaggebenden Verhält¬
nisse nötigen ihnen in gleichem Maße die Niederkämpfung ihres Schmerzes,
ihrer berechtigten Erbitterung auf. Können sie die Unterlassungssünden ihrer
Väter wieder gut machen? Nicht blos; das Böse, sondern anch das Dumme
hat fortzeugende Kraft. Die deutsche Ostseekolonie war ein Kind, das der
kerngesunde' Mutterleib des mittelalterlichen Deutschtums dem Romanismus
gebar, diesem auf unserm Boden zum Kretin entarteten Schmarvtzergast.
Sie sind Aristokraten, und seit dem Eintritt des Pulverzeitalters haben
»»n einmal alle aristokratischen Fronten, auch die rechtlich und sittlich be¬
gründetsten, mit der schließlichen Unterwerfung enden müssen. Sie müßten sich
sogar fügen, wenn ihnen ihre letzte» nationalen Güter, die deutsche Presse und
das deutsche Theater, entrissen würden. Aber soweit wird wohl nicht einmal
die siegestrnnkne russische „Büreaukrateska" ihr wildes Prokrnstcsspiel mit
diesem widerstandslosen und doch einst so blühenden, lebenskräftigen Gcsell-
schaftskörper treiben. Sie empfindet doch noch einen kleinen Überrest von Scham
und Scheu vor der öffentlichen Meinung Europas, wenn diese ihr gegenüber
auch meist recht matte und zaghafte Töne anzuschlagen pflegt.
Sehen wir für einen Augenblick von den Unterdrückten ab und wenden
wir uns den Unterdrückern zu, so werden wir finden, daß England durch
nahezu zwingende Impulse des Kapitalistenstants, Rußland durch solche der
absolutistisch-büreaukratischen Staatsordnung ans einem überlegten Vormarsch
zum Angriff gegen Zwischenkörper, gegen Hindernisse gedrängt wurde. Die
Macht mußte den Ausschlag geben, und diese hat in den Ostseeprovinzen für
Nußland, in Südafrika dngegeu noch lange nicht für England entschieden.
Was aber Finnland betrifft, so kann auch die größte reale Machtfülle diese»
himmelschreienden Verfassnngsbruch. dieses Niederstampfen alter, klarer »ud
verbürgter Rechte nicht rechtfertigen. In den Ostseeprovinzen würde sich wohl
jeder Staat die Verzwicktheit der dortigen Verhältnisse zu nutze gemacht haben.
Gegen Finnland konnte dagegen nur Rußland eine so brutale, jedes vernünf¬
tigen Zwecks entbehrende Verwüstnngspolitik treiben, lind die Finnländer
werden sicher einmal ihren Quälgeister» uahezufnhren wissen, daß auch ein
Hundertmillionenvolk el» kräftiges, einiges Zwcimillionenvolk nicht mit Füßen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |