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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Archäologische Stndienfahrten nach Griechenland und Kleinasien

bis hinunter in die Nähe von Kreta") und der dritte innerhalb vier bis fünf
Tagen nach Troja. Ich würde Stunden brauchen, wollte ich Ihnen auch nur
flüchtig schildern, was wir da alles gesehen haben; ich beschränke mich deshalb
darauf, die Hauptpunkte nnr eben zu nennen, möchte aber die Art der Dörp-
feldschen Führung sowohl uach der wissenschaftlichen wie nach der äußerliche,:
Seite etwas eingehender charakterisieren.

Was also zunächst die Ruinenstätten anlangt, deren wir im vorigen Jahre
mehr als dreißig besuchten, so sind darunter drei, die als altbertthmte hellenische
Festorte besonders hervorragen, ich meine Olympia, Delphi und Delos. Olympia
wurde von 1875 bis 1881 ans Kosten des Deutschen Reichs freigelegt, wobei
sich Dvrpfeld, anfänglich nur als Hilfsbauführer, daun aber als leitender
Architekt die Sporen verdiente und seinen Ruf begründete. Die planmäßige
Ausgrabung von Delphi ist erst 1895 von der französischen Schule begonnen
worden, deren Haupt, der verdienstvolle Homolle, sich besonders mit Perdrizet
in die Ehren des Erfolgs teilt; und auf Delos hat seit 1873 eine ganze
Reihe von Franzosen gegraben, aber ziemlich unsystematisch, um kein härteres
Wort zu gebrauchen, denn vielfach hat der eine wieder verschüttet, was der Vor¬
gänger aufgedeckt hatte. Auch Homolle hat hier wiederholt gearbeitet; hoffentlich
verwirklicht er bald seine Absicht, durch systematisches Vorgehn die frühern Ver¬
säumnisse wieder gut zu machen. Trotz wichtiger Einzelheiten bietet somit
Delos vorläufig noch nicht das, was man hier erwarten könnte; und Delphi,
dessen Freilegung in der Hauptsache vollendet ist, wird von den Franzosen
noch eifersüchtig gehütet, bis die wissenschaftliche Bearbeitung und Verwertung
der Funde vollendet und die Publikation erfolgt ist -- was wohl noch längere
Zeit i" Anspruch nehmen wird --; Olympia dagegen bietet dem Beschauer ein
fertiges und klares Bild und hat zudem den Vorzug, sich infolge der absolut
ebnen Vodenbeschaffenheit des Festplatzes so übersichtlich wie eine Landkarte zu
präsentieren. Dieser Eindruck eines klar gegliederten Grundrisses wird dadurch
noch unterstützt, daß von den meisten Gebänden nur die Fundamente erhalten
sind. Jedoch zwei Tempel, und zwar gerade die allerwichtigsten, bieten mehr:
das Heraion, der älteste Tempel auf griechischem Boden, weist noch die Säulen
bis zu halber Höhe auf und ermöglicht auch'sonst die wichtigsten Schlüsse
"uf seinen Oberbau; und beim großen Zeustempel stehn zwar keine Säulen
wehr, aber die mächtigen Trommeln, von 2,24 Metern Durchmesser, liegen
zum Teil noch so in Reih und Glied, wie sie das große Erdbeben im sechsten
Jahrhundert hingeworfen hat; es ist sehr zu beklagen, daß sich noch kein
Mäcen gefunden hat, der die verhältnismäßig geringen Kosten der Wiederauf¬
richtung' wenigstens einiger dieser Säulcnkolosse trüge; bei einer Höhe von
10,43 Metern müßten diese grandios wirken und das Gesamtbild der Attis
außerordentlich heben.

Was die Skulpturen betrifft, auf deren Auffindung Winckelmann einst so



Heuer wird Kreta selbst besucht (Knossos), und seit Jthnka vom Thron gestürzt ist,
wird Leukas, das nun als Insel des Odysseus gilt, dafür eintreten.
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bis hinunter in die Nähe von Kreta") und der dritte innerhalb vier bis fünf
Tagen nach Troja. Ich würde Stunden brauchen, wollte ich Ihnen auch nur
flüchtig schildern, was wir da alles gesehen haben; ich beschränke mich deshalb
darauf, die Hauptpunkte nnr eben zu nennen, möchte aber die Art der Dörp-
feldschen Führung sowohl uach der wissenschaftlichen wie nach der äußerliche,:
Seite etwas eingehender charakterisieren.

Was also zunächst die Ruinenstätten anlangt, deren wir im vorigen Jahre
mehr als dreißig besuchten, so sind darunter drei, die als altbertthmte hellenische
Festorte besonders hervorragen, ich meine Olympia, Delphi und Delos. Olympia
wurde von 1875 bis 1881 ans Kosten des Deutschen Reichs freigelegt, wobei
sich Dvrpfeld, anfänglich nur als Hilfsbauführer, daun aber als leitender
Architekt die Sporen verdiente und seinen Ruf begründete. Die planmäßige
Ausgrabung von Delphi ist erst 1895 von der französischen Schule begonnen
worden, deren Haupt, der verdienstvolle Homolle, sich besonders mit Perdrizet
in die Ehren des Erfolgs teilt; und auf Delos hat seit 1873 eine ganze
Reihe von Franzosen gegraben, aber ziemlich unsystematisch, um kein härteres
Wort zu gebrauchen, denn vielfach hat der eine wieder verschüttet, was der Vor¬
gänger aufgedeckt hatte. Auch Homolle hat hier wiederholt gearbeitet; hoffentlich
verwirklicht er bald seine Absicht, durch systematisches Vorgehn die frühern Ver¬
säumnisse wieder gut zu machen. Trotz wichtiger Einzelheiten bietet somit
Delos vorläufig noch nicht das, was man hier erwarten könnte; und Delphi,
dessen Freilegung in der Hauptsache vollendet ist, wird von den Franzosen
noch eifersüchtig gehütet, bis die wissenschaftliche Bearbeitung und Verwertung
der Funde vollendet und die Publikation erfolgt ist — was wohl noch längere
Zeit i» Anspruch nehmen wird —; Olympia dagegen bietet dem Beschauer ein
fertiges und klares Bild und hat zudem den Vorzug, sich infolge der absolut
ebnen Vodenbeschaffenheit des Festplatzes so übersichtlich wie eine Landkarte zu
präsentieren. Dieser Eindruck eines klar gegliederten Grundrisses wird dadurch
noch unterstützt, daß von den meisten Gebänden nur die Fundamente erhalten
sind. Jedoch zwei Tempel, und zwar gerade die allerwichtigsten, bieten mehr:
das Heraion, der älteste Tempel auf griechischem Boden, weist noch die Säulen
bis zu halber Höhe auf und ermöglicht auch'sonst die wichtigsten Schlüsse
"uf seinen Oberbau; und beim großen Zeustempel stehn zwar keine Säulen
wehr, aber die mächtigen Trommeln, von 2,24 Metern Durchmesser, liegen
zum Teil noch so in Reih und Glied, wie sie das große Erdbeben im sechsten
Jahrhundert hingeworfen hat; es ist sehr zu beklagen, daß sich noch kein
Mäcen gefunden hat, der die verhältnismäßig geringen Kosten der Wiederauf¬
richtung' wenigstens einiger dieser Säulcnkolosse trüge; bei einer Höhe von
10,43 Metern müßten diese grandios wirken und das Gesamtbild der Attis
außerordentlich heben.

Was die Skulpturen betrifft, auf deren Auffindung Winckelmann einst so



Heuer wird Kreta selbst besucht (Knossos), und seit Jthnka vom Thron gestürzt ist,
wird Leukas, das nun als Insel des Odysseus gilt, dafür eintreten.
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[0455] Archäologische Stndienfahrten nach Griechenland und Kleinasien bis hinunter in die Nähe von Kreta") und der dritte innerhalb vier bis fünf Tagen nach Troja. Ich würde Stunden brauchen, wollte ich Ihnen auch nur flüchtig schildern, was wir da alles gesehen haben; ich beschränke mich deshalb darauf, die Hauptpunkte nnr eben zu nennen, möchte aber die Art der Dörp- feldschen Führung sowohl uach der wissenschaftlichen wie nach der äußerliche,: Seite etwas eingehender charakterisieren. Was also zunächst die Ruinenstätten anlangt, deren wir im vorigen Jahre mehr als dreißig besuchten, so sind darunter drei, die als altbertthmte hellenische Festorte besonders hervorragen, ich meine Olympia, Delphi und Delos. Olympia wurde von 1875 bis 1881 ans Kosten des Deutschen Reichs freigelegt, wobei sich Dvrpfeld, anfänglich nur als Hilfsbauführer, daun aber als leitender Architekt die Sporen verdiente und seinen Ruf begründete. Die planmäßige Ausgrabung von Delphi ist erst 1895 von der französischen Schule begonnen worden, deren Haupt, der verdienstvolle Homolle, sich besonders mit Perdrizet in die Ehren des Erfolgs teilt; und auf Delos hat seit 1873 eine ganze Reihe von Franzosen gegraben, aber ziemlich unsystematisch, um kein härteres Wort zu gebrauchen, denn vielfach hat der eine wieder verschüttet, was der Vor¬ gänger aufgedeckt hatte. Auch Homolle hat hier wiederholt gearbeitet; hoffentlich verwirklicht er bald seine Absicht, durch systematisches Vorgehn die frühern Ver¬ säumnisse wieder gut zu machen. Trotz wichtiger Einzelheiten bietet somit Delos vorläufig noch nicht das, was man hier erwarten könnte; und Delphi, dessen Freilegung in der Hauptsache vollendet ist, wird von den Franzosen noch eifersüchtig gehütet, bis die wissenschaftliche Bearbeitung und Verwertung der Funde vollendet und die Publikation erfolgt ist — was wohl noch längere Zeit i» Anspruch nehmen wird —; Olympia dagegen bietet dem Beschauer ein fertiges und klares Bild und hat zudem den Vorzug, sich infolge der absolut ebnen Vodenbeschaffenheit des Festplatzes so übersichtlich wie eine Landkarte zu präsentieren. Dieser Eindruck eines klar gegliederten Grundrisses wird dadurch noch unterstützt, daß von den meisten Gebänden nur die Fundamente erhalten sind. Jedoch zwei Tempel, und zwar gerade die allerwichtigsten, bieten mehr: das Heraion, der älteste Tempel auf griechischem Boden, weist noch die Säulen bis zu halber Höhe auf und ermöglicht auch'sonst die wichtigsten Schlüsse "uf seinen Oberbau; und beim großen Zeustempel stehn zwar keine Säulen wehr, aber die mächtigen Trommeln, von 2,24 Metern Durchmesser, liegen zum Teil noch so in Reih und Glied, wie sie das große Erdbeben im sechsten Jahrhundert hingeworfen hat; es ist sehr zu beklagen, daß sich noch kein Mäcen gefunden hat, der die verhältnismäßig geringen Kosten der Wiederauf¬ richtung' wenigstens einiger dieser Säulcnkolosse trüge; bei einer Höhe von 10,43 Metern müßten diese grandios wirken und das Gesamtbild der Attis außerordentlich heben. Was die Skulpturen betrifft, auf deren Auffindung Winckelmann einst so Heuer wird Kreta selbst besucht (Knossos), und seit Jthnka vom Thron gestürzt ist, wird Leukas, das nun als Insel des Odysseus gilt, dafür eintreten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/455>, abgerufen am 01.07.2024.