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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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geschlossen sind, sich ein Solideres Wissen zu verschaffen. Man begreift dann
die stolze Inschrift, die ich auf einer Dorfschule bei Kronstäbe las: "Wissen ist
Macht."

Endlich aber haben sich die siebenbürgischen Sachsen dadurch ihre
deutsche Art erhalten, daß sie sich den Quell immer offen erhielten, aus dem
sie gespeist wurde und wird, die Verbindung mit dem deutschen Mutter-
lande. Seit der Reformationszeit sind die sächsischen Studenten eine stehende
Erscheinung auf den deutscheu Universitäten: sie müssen wenigstens zwei
Jahre hier studiert haben, sonst stellt das Konsistorium sie weder im Schul¬
dienst noch im Pfarrdienst an. Verdammt sei vor Gott im zukünftigen Leben
und in dieser Welt aller Ehren bar, wer um solchem Besuche hindert, sagt ein
altes siebenbürgisches Gesetz. Aus diesen deutschen Studienjahren aber bringt
der Sachse eine tiefe, nun persönlich gewordne Liebe zum deutschen Wesen mit
nach Haus und pflegt sie als ein Heiligtum seines innern Lebens. Malt kann
sagen, daß infolgedessen dieses kleine Volk in seinen besten Männern mit dem
großen deutschen Volke wirklich innerlich mit- und weitergelebt hat, seiner
Entwicklung aus der Ferne in Treue gefolgt ist. Es ist gewiß interessant,
daß, als 1849 in Osterreich eine Neuorganisation der höhern Schulen nach
preußischem Muster eingeführt wurde, diese Neuordnung mit ihrem Fachlehrer¬
system, der stärkern Betonung der Realien, dem Griechischen, der philosophischen
Propädeutik und anderen, ans den sächsischen Gymnasien im äußersten Osten
Ungarns längst eingeführte Dinge anordnete und diese also weit mehr vor¬
bereitet traf als die österreichischen Schulen. Wenn wir deutschen Professoren,
wo wir uns nur sehen ließen, in Siebenbürgen mit einem Strom der Liebe
und Vegeisteruug überschüttet wurden, so grüßte das treue Volk in uns aller¬
dings das Mutterland und die Quelle ihrer Kraft, die deutschen Universitäten.
Immer waren sie zu uus gekommen, min kamen wir, sechs deutsche Pro¬
fessoren auf einmal, zu ihnen, nach dem fernen Transsilvanien! In dieser
Treue, dieser Sehnsucht nach der alten Heimat liegt schließlich der entscheidende
Grund, warum dieses kleine Völkchen so deutsch geblieben ist.

Dennoch bedrückte uus fortwährend die andre Frage: Wird es so bleiben?
Denn die Lage ist heute in der That schwerer als irgend je in der stnrmvollen
Vergangenheit. Man muß die Gefahren und Angriffe unterscheiden, die von
den Magyaren ausgehn, lind die von den Rumänen.

Die ganze geschichtliche Lage, die das Deutschtum überhaupt und die
selbständige Geltung des siebenbürgisch-sächsischen Deutschtums im besondern bis
dahin trug, hat sich seit der Mitte unsers Jahrhunderts verändert. Im Grunde
ist die Revolution vou 1848/49 auch hier die Umgestalterin gewesen mit den
drei Gedanken: mit dem alten Privilegienwesen muß aufgeräumt werden,
gleiches politisches Recht für alle, also auch auf dem alten Sachsenboden, so¬
dann Siebenbürgen, das Großfürstentum und selbständige Krvuland, muß mit
Ungarn vereinigt werden, dem Hort des Liberalismus, drittens aber, dieser
Liberalismus ist identisch mit der Pflege des iiational-magynrischeu Geistes.


geschlossen sind, sich ein Solideres Wissen zu verschaffen. Man begreift dann
die stolze Inschrift, die ich auf einer Dorfschule bei Kronstäbe las: „Wissen ist
Macht."

Endlich aber haben sich die siebenbürgischen Sachsen dadurch ihre
deutsche Art erhalten, daß sie sich den Quell immer offen erhielten, aus dem
sie gespeist wurde und wird, die Verbindung mit dem deutschen Mutter-
lande. Seit der Reformationszeit sind die sächsischen Studenten eine stehende
Erscheinung auf den deutscheu Universitäten: sie müssen wenigstens zwei
Jahre hier studiert haben, sonst stellt das Konsistorium sie weder im Schul¬
dienst noch im Pfarrdienst an. Verdammt sei vor Gott im zukünftigen Leben
und in dieser Welt aller Ehren bar, wer um solchem Besuche hindert, sagt ein
altes siebenbürgisches Gesetz. Aus diesen deutschen Studienjahren aber bringt
der Sachse eine tiefe, nun persönlich gewordne Liebe zum deutschen Wesen mit
nach Haus und pflegt sie als ein Heiligtum seines innern Lebens. Malt kann
sagen, daß infolgedessen dieses kleine Volk in seinen besten Männern mit dem
großen deutschen Volke wirklich innerlich mit- und weitergelebt hat, seiner
Entwicklung aus der Ferne in Treue gefolgt ist. Es ist gewiß interessant,
daß, als 1849 in Osterreich eine Neuorganisation der höhern Schulen nach
preußischem Muster eingeführt wurde, diese Neuordnung mit ihrem Fachlehrer¬
system, der stärkern Betonung der Realien, dem Griechischen, der philosophischen
Propädeutik und anderen, ans den sächsischen Gymnasien im äußersten Osten
Ungarns längst eingeführte Dinge anordnete und diese also weit mehr vor¬
bereitet traf als die österreichischen Schulen. Wenn wir deutschen Professoren,
wo wir uns nur sehen ließen, in Siebenbürgen mit einem Strom der Liebe
und Vegeisteruug überschüttet wurden, so grüßte das treue Volk in uns aller¬
dings das Mutterland und die Quelle ihrer Kraft, die deutschen Universitäten.
Immer waren sie zu uus gekommen, min kamen wir, sechs deutsche Pro¬
fessoren auf einmal, zu ihnen, nach dem fernen Transsilvanien! In dieser
Treue, dieser Sehnsucht nach der alten Heimat liegt schließlich der entscheidende
Grund, warum dieses kleine Völkchen so deutsch geblieben ist.

Dennoch bedrückte uus fortwährend die andre Frage: Wird es so bleiben?
Denn die Lage ist heute in der That schwerer als irgend je in der stnrmvollen
Vergangenheit. Man muß die Gefahren und Angriffe unterscheiden, die von
den Magyaren ausgehn, lind die von den Rumänen.

Die ganze geschichtliche Lage, die das Deutschtum überhaupt und die
selbständige Geltung des siebenbürgisch-sächsischen Deutschtums im besondern bis
dahin trug, hat sich seit der Mitte unsers Jahrhunderts verändert. Im Grunde
ist die Revolution vou 1848/49 auch hier die Umgestalterin gewesen mit den
drei Gedanken: mit dem alten Privilegienwesen muß aufgeräumt werden,
gleiches politisches Recht für alle, also auch auf dem alten Sachsenboden, so¬
dann Siebenbürgen, das Großfürstentum und selbständige Krvuland, muß mit
Ungarn vereinigt werden, dem Hort des Liberalismus, drittens aber, dieser
Liberalismus ist identisch mit der Pflege des iiational-magynrischeu Geistes.


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[0423] geschlossen sind, sich ein Solideres Wissen zu verschaffen. Man begreift dann die stolze Inschrift, die ich auf einer Dorfschule bei Kronstäbe las: „Wissen ist Macht." Endlich aber haben sich die siebenbürgischen Sachsen dadurch ihre deutsche Art erhalten, daß sie sich den Quell immer offen erhielten, aus dem sie gespeist wurde und wird, die Verbindung mit dem deutschen Mutter- lande. Seit der Reformationszeit sind die sächsischen Studenten eine stehende Erscheinung auf den deutscheu Universitäten: sie müssen wenigstens zwei Jahre hier studiert haben, sonst stellt das Konsistorium sie weder im Schul¬ dienst noch im Pfarrdienst an. Verdammt sei vor Gott im zukünftigen Leben und in dieser Welt aller Ehren bar, wer um solchem Besuche hindert, sagt ein altes siebenbürgisches Gesetz. Aus diesen deutschen Studienjahren aber bringt der Sachse eine tiefe, nun persönlich gewordne Liebe zum deutschen Wesen mit nach Haus und pflegt sie als ein Heiligtum seines innern Lebens. Malt kann sagen, daß infolgedessen dieses kleine Volk in seinen besten Männern mit dem großen deutschen Volke wirklich innerlich mit- und weitergelebt hat, seiner Entwicklung aus der Ferne in Treue gefolgt ist. Es ist gewiß interessant, daß, als 1849 in Osterreich eine Neuorganisation der höhern Schulen nach preußischem Muster eingeführt wurde, diese Neuordnung mit ihrem Fachlehrer¬ system, der stärkern Betonung der Realien, dem Griechischen, der philosophischen Propädeutik und anderen, ans den sächsischen Gymnasien im äußersten Osten Ungarns längst eingeführte Dinge anordnete und diese also weit mehr vor¬ bereitet traf als die österreichischen Schulen. Wenn wir deutschen Professoren, wo wir uns nur sehen ließen, in Siebenbürgen mit einem Strom der Liebe und Vegeisteruug überschüttet wurden, so grüßte das treue Volk in uns aller¬ dings das Mutterland und die Quelle ihrer Kraft, die deutschen Universitäten. Immer waren sie zu uus gekommen, min kamen wir, sechs deutsche Pro¬ fessoren auf einmal, zu ihnen, nach dem fernen Transsilvanien! In dieser Treue, dieser Sehnsucht nach der alten Heimat liegt schließlich der entscheidende Grund, warum dieses kleine Völkchen so deutsch geblieben ist. Dennoch bedrückte uus fortwährend die andre Frage: Wird es so bleiben? Denn die Lage ist heute in der That schwerer als irgend je in der stnrmvollen Vergangenheit. Man muß die Gefahren und Angriffe unterscheiden, die von den Magyaren ausgehn, lind die von den Rumänen. Die ganze geschichtliche Lage, die das Deutschtum überhaupt und die selbständige Geltung des siebenbürgisch-sächsischen Deutschtums im besondern bis dahin trug, hat sich seit der Mitte unsers Jahrhunderts verändert. Im Grunde ist die Revolution vou 1848/49 auch hier die Umgestalterin gewesen mit den drei Gedanken: mit dem alten Privilegienwesen muß aufgeräumt werden, gleiches politisches Recht für alle, also auch auf dem alten Sachsenboden, so¬ dann Siebenbürgen, das Großfürstentum und selbständige Krvuland, muß mit Ungarn vereinigt werden, dem Hort des Liberalismus, drittens aber, dieser Liberalismus ist identisch mit der Pflege des iiational-magynrischeu Geistes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/423>, abgerufen am 03.07.2024.