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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kcikcw, so lange sie an ihrem Ursprungsorte liegen, wie Beckmann selbst zugesteht,
für uns gar nicht vorhanden sind. Alten Unsinn aufwärmend, will er, daß der
Staat den Auslandshandel betreibe und so den Händlergewinn ausschalte. Der
Staat würde sich aber für das Kaffeemonopol noch lebhafter bedanken, als er sich
für das Getreidemonopol bedankt hat -- zum Glück für die Konsumenten. Aller¬
dings würde sich der Reichskaffeehauspräsident nicht so hoch stehn wie ein Ham¬
burger Senator, aber diese kleine Ersparnis würde reichlich aufgewogen werden
durch andre Ausgaben und Verluste, denn die allzu ehrlichen Reichsbeamten, die
auf Java und Ceylon den Kaffee einzukaufen hätten, würden sich dort übers Ohr
hauen lassen, und jedes Pfund würde von unsrer gewissenhaften Bureaukratie so
oft gebucht, beschrieben, revidiert und superrevidiert werden, daß dazu ein ganzes
Heer von Schreibstubenbeamteu erfordert würde. Geld soll die einzige Art von
Besitz sein, die der Notwendigkeit der Arbeit überhebe. Als wenn ein Fürst
Schwarzenberg nötig hätte, seine Äcker selbst zu pflügen und seine Kühe selbst zu
melken; nicht einmal die Rechnungsbücher seiner zahlreichen Renteieu zu prüfen hat
er nötig. Nur der Geldbesitzer soll der Mann sein, für den ein andrer arbeiten
muß; als ob nicht alle Großgrundbesitzer Sklaven oder Hörige oder Knechte oder
Pächter für sich arbeiten ließen! Es giebt englische Lords, die nie in ihrem Leben
ihre Güter in Irland gesehen haben, von denen sie die Pacht beziehn; es giebt
rumänische Bojaren, die ihre ganze Zeit in Paris und Monaco totschlagen. Daß
ein Leben ohne Arbeit unsittlich ist, leugnen wir natürlich uicht, aber wie diese Art
Leben nicht auf die Kapitalrentner beschränkt ist, so haben diese auch keineswegs
nötig, ein solches zu führen; sie brauchen nur, ebenso wie die Gutsrentner, un-
besoldete Ehrenämter zu übernehmen oder ihre Zeit gemeinnützigen Unternehmungen
zu widmen, so verdienen sie ihr Einkommen. Beckmnnn findet die Nichtswürdigkeit
des Geldkapitals besonders darin, daß es sich von selbst vermehre, wahrend jedes
Renlkapital dnrch den Gebrauch abgenützt, also vermindert werde. Welcher haar¬
sträubende Unsinn! Die Rinderherde vermehrt sich von selbst, und die geschlachteten
Exemplare werden durch den neuen Zuwachs weit überwogen, der Thaler hingegen
heckt Junge nicht für sich allein, sondern nur, wenn er produktiv angelegt wird
in Rindern, Ackern oder Bergwerken; das Leihkapital, das Beckmann verabscheut,
und das Produktivknpital, das er liebt, sind ein und dasselbe Ding; er stellt sich
das Geldkapital inimer als Wucherkapital vor, aber dieses spielt heute neben dem
Produktivkapital gnr keine Rolle mehr, außer etwa in Halbnsien jenseits der Kar¬
pathen und bei uns in den Kreisen der liederlichen Kavaliere, die glücklicherweise
keinen wesentlichen Bestandteil unsers Volks ausmachen. Zwischen dem Wucherzins
und dem Zins des Prodnktivkapitals, die Beckmann miteinander verwechselt, be¬
steht ein himmelweiter Unterschied. Daß ein Gutsbesitzer einem mittellosen Knechte
sein Gut abtreten soll, ohne eine jährliche Pacht zu beanspruchen, und sich bloß das
Recht vorbehalten soll, das Gut nach zwanzig Jahren im alten Zustande zurück¬
zufordern, wird auch Beckmnnn nicht verlangen, da er das Privateigentum nicht
aufheben will. Sieht er wirklich nicht ein, daß es ganz dasselbe wäre, wenn er
Verlangte, ein Geldbesitzer solle dem Knechte 30000 Mark zum Ankauf des Gutes
ohne Zins leihen? Denn diese Forderung liegt doch in der grundsätzlichen Ver¬
werfung des Kapitalzinses. Wenn man alle Trugschlüsse aufdecken wollte, die dieses
Verfitzte Gewebe von Proudhonismus, Marxismus und Nationalismus -- Beckmann
will das Kapital rationalisieren und jeden Staat vom Auslande vollkommen un¬
abhängig machen -- enthält, gehörig aufdecken wollte, müßte man über die 80 Seiten
800 schreiben. Die Übel des heutigen Gesellschaftszustandes können und sollen ja
nicht geleugnet, nicht einmal verkleinert werden, aber die Elemente der Kultur selbst
angreifen ist die denkbar schlechteste Heilmethode. -- Eine nützliche Schrift ist da-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Kcikcw, so lange sie an ihrem Ursprungsorte liegen, wie Beckmann selbst zugesteht,
für uns gar nicht vorhanden sind. Alten Unsinn aufwärmend, will er, daß der
Staat den Auslandshandel betreibe und so den Händlergewinn ausschalte. Der
Staat würde sich aber für das Kaffeemonopol noch lebhafter bedanken, als er sich
für das Getreidemonopol bedankt hat — zum Glück für die Konsumenten. Aller¬
dings würde sich der Reichskaffeehauspräsident nicht so hoch stehn wie ein Ham¬
burger Senator, aber diese kleine Ersparnis würde reichlich aufgewogen werden
durch andre Ausgaben und Verluste, denn die allzu ehrlichen Reichsbeamten, die
auf Java und Ceylon den Kaffee einzukaufen hätten, würden sich dort übers Ohr
hauen lassen, und jedes Pfund würde von unsrer gewissenhaften Bureaukratie so
oft gebucht, beschrieben, revidiert und superrevidiert werden, daß dazu ein ganzes
Heer von Schreibstubenbeamteu erfordert würde. Geld soll die einzige Art von
Besitz sein, die der Notwendigkeit der Arbeit überhebe. Als wenn ein Fürst
Schwarzenberg nötig hätte, seine Äcker selbst zu pflügen und seine Kühe selbst zu
melken; nicht einmal die Rechnungsbücher seiner zahlreichen Renteieu zu prüfen hat
er nötig. Nur der Geldbesitzer soll der Mann sein, für den ein andrer arbeiten
muß; als ob nicht alle Großgrundbesitzer Sklaven oder Hörige oder Knechte oder
Pächter für sich arbeiten ließen! Es giebt englische Lords, die nie in ihrem Leben
ihre Güter in Irland gesehen haben, von denen sie die Pacht beziehn; es giebt
rumänische Bojaren, die ihre ganze Zeit in Paris und Monaco totschlagen. Daß
ein Leben ohne Arbeit unsittlich ist, leugnen wir natürlich uicht, aber wie diese Art
Leben nicht auf die Kapitalrentner beschränkt ist, so haben diese auch keineswegs
nötig, ein solches zu führen; sie brauchen nur, ebenso wie die Gutsrentner, un-
besoldete Ehrenämter zu übernehmen oder ihre Zeit gemeinnützigen Unternehmungen
zu widmen, so verdienen sie ihr Einkommen. Beckmnnn findet die Nichtswürdigkeit
des Geldkapitals besonders darin, daß es sich von selbst vermehre, wahrend jedes
Renlkapital dnrch den Gebrauch abgenützt, also vermindert werde. Welcher haar¬
sträubende Unsinn! Die Rinderherde vermehrt sich von selbst, und die geschlachteten
Exemplare werden durch den neuen Zuwachs weit überwogen, der Thaler hingegen
heckt Junge nicht für sich allein, sondern nur, wenn er produktiv angelegt wird
in Rindern, Ackern oder Bergwerken; das Leihkapital, das Beckmann verabscheut,
und das Produktivknpital, das er liebt, sind ein und dasselbe Ding; er stellt sich
das Geldkapital inimer als Wucherkapital vor, aber dieses spielt heute neben dem
Produktivkapital gnr keine Rolle mehr, außer etwa in Halbnsien jenseits der Kar¬
pathen und bei uns in den Kreisen der liederlichen Kavaliere, die glücklicherweise
keinen wesentlichen Bestandteil unsers Volks ausmachen. Zwischen dem Wucherzins
und dem Zins des Prodnktivkapitals, die Beckmann miteinander verwechselt, be¬
steht ein himmelweiter Unterschied. Daß ein Gutsbesitzer einem mittellosen Knechte
sein Gut abtreten soll, ohne eine jährliche Pacht zu beanspruchen, und sich bloß das
Recht vorbehalten soll, das Gut nach zwanzig Jahren im alten Zustande zurück¬
zufordern, wird auch Beckmnnn nicht verlangen, da er das Privateigentum nicht
aufheben will. Sieht er wirklich nicht ein, daß es ganz dasselbe wäre, wenn er
Verlangte, ein Geldbesitzer solle dem Knechte 30000 Mark zum Ankauf des Gutes
ohne Zins leihen? Denn diese Forderung liegt doch in der grundsätzlichen Ver¬
werfung des Kapitalzinses. Wenn man alle Trugschlüsse aufdecken wollte, die dieses
Verfitzte Gewebe von Proudhonismus, Marxismus und Nationalismus — Beckmann
will das Kapital rationalisieren und jeden Staat vom Auslande vollkommen un¬
abhängig machen — enthält, gehörig aufdecken wollte, müßte man über die 80 Seiten
800 schreiben. Die Übel des heutigen Gesellschaftszustandes können und sollen ja
nicht geleugnet, nicht einmal verkleinert werden, aber die Elemente der Kultur selbst
angreifen ist die denkbar schlechteste Heilmethode. — Eine nützliche Schrift ist da-


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[0411] Maßgebliches und Unmaßgebliches Kcikcw, so lange sie an ihrem Ursprungsorte liegen, wie Beckmann selbst zugesteht, für uns gar nicht vorhanden sind. Alten Unsinn aufwärmend, will er, daß der Staat den Auslandshandel betreibe und so den Händlergewinn ausschalte. Der Staat würde sich aber für das Kaffeemonopol noch lebhafter bedanken, als er sich für das Getreidemonopol bedankt hat — zum Glück für die Konsumenten. Aller¬ dings würde sich der Reichskaffeehauspräsident nicht so hoch stehn wie ein Ham¬ burger Senator, aber diese kleine Ersparnis würde reichlich aufgewogen werden durch andre Ausgaben und Verluste, denn die allzu ehrlichen Reichsbeamten, die auf Java und Ceylon den Kaffee einzukaufen hätten, würden sich dort übers Ohr hauen lassen, und jedes Pfund würde von unsrer gewissenhaften Bureaukratie so oft gebucht, beschrieben, revidiert und superrevidiert werden, daß dazu ein ganzes Heer von Schreibstubenbeamteu erfordert würde. Geld soll die einzige Art von Besitz sein, die der Notwendigkeit der Arbeit überhebe. Als wenn ein Fürst Schwarzenberg nötig hätte, seine Äcker selbst zu pflügen und seine Kühe selbst zu melken; nicht einmal die Rechnungsbücher seiner zahlreichen Renteieu zu prüfen hat er nötig. Nur der Geldbesitzer soll der Mann sein, für den ein andrer arbeiten muß; als ob nicht alle Großgrundbesitzer Sklaven oder Hörige oder Knechte oder Pächter für sich arbeiten ließen! Es giebt englische Lords, die nie in ihrem Leben ihre Güter in Irland gesehen haben, von denen sie die Pacht beziehn; es giebt rumänische Bojaren, die ihre ganze Zeit in Paris und Monaco totschlagen. Daß ein Leben ohne Arbeit unsittlich ist, leugnen wir natürlich uicht, aber wie diese Art Leben nicht auf die Kapitalrentner beschränkt ist, so haben diese auch keineswegs nötig, ein solches zu führen; sie brauchen nur, ebenso wie die Gutsrentner, un- besoldete Ehrenämter zu übernehmen oder ihre Zeit gemeinnützigen Unternehmungen zu widmen, so verdienen sie ihr Einkommen. Beckmnnn findet die Nichtswürdigkeit des Geldkapitals besonders darin, daß es sich von selbst vermehre, wahrend jedes Renlkapital dnrch den Gebrauch abgenützt, also vermindert werde. Welcher haar¬ sträubende Unsinn! Die Rinderherde vermehrt sich von selbst, und die geschlachteten Exemplare werden durch den neuen Zuwachs weit überwogen, der Thaler hingegen heckt Junge nicht für sich allein, sondern nur, wenn er produktiv angelegt wird in Rindern, Ackern oder Bergwerken; das Leihkapital, das Beckmann verabscheut, und das Produktivknpital, das er liebt, sind ein und dasselbe Ding; er stellt sich das Geldkapital inimer als Wucherkapital vor, aber dieses spielt heute neben dem Produktivkapital gnr keine Rolle mehr, außer etwa in Halbnsien jenseits der Kar¬ pathen und bei uns in den Kreisen der liederlichen Kavaliere, die glücklicherweise keinen wesentlichen Bestandteil unsers Volks ausmachen. Zwischen dem Wucherzins und dem Zins des Prodnktivkapitals, die Beckmann miteinander verwechselt, be¬ steht ein himmelweiter Unterschied. Daß ein Gutsbesitzer einem mittellosen Knechte sein Gut abtreten soll, ohne eine jährliche Pacht zu beanspruchen, und sich bloß das Recht vorbehalten soll, das Gut nach zwanzig Jahren im alten Zustande zurück¬ zufordern, wird auch Beckmnnn nicht verlangen, da er das Privateigentum nicht aufheben will. Sieht er wirklich nicht ein, daß es ganz dasselbe wäre, wenn er Verlangte, ein Geldbesitzer solle dem Knechte 30000 Mark zum Ankauf des Gutes ohne Zins leihen? Denn diese Forderung liegt doch in der grundsätzlichen Ver¬ werfung des Kapitalzinses. Wenn man alle Trugschlüsse aufdecken wollte, die dieses Verfitzte Gewebe von Proudhonismus, Marxismus und Nationalismus — Beckmann will das Kapital rationalisieren und jeden Staat vom Auslande vollkommen un¬ abhängig machen — enthält, gehörig aufdecken wollte, müßte man über die 80 Seiten 800 schreiben. Die Übel des heutigen Gesellschaftszustandes können und sollen ja nicht geleugnet, nicht einmal verkleinert werden, aber die Elemente der Kultur selbst angreifen ist die denkbar schlechteste Heilmethode. — Eine nützliche Schrift ist da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/411>, abgerufen am 01.07.2024.