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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Losou, Schreiben und Sprachen

die lsttros av mon moulin verdienten, ein Schullesebuch zu werde". Auch
Fenelon gehört noch zu seineu Klassikern, er schreibt rein, aber er hat schon
z. B, in seinem Telemach zu viel Trivialitäten. Das wahre Relief hat Bossuet,
der ungesucht das Material darbietet zu einer Sammlung vou Redewendungen,
die das Gegenteil von banal sind. Voller Banalitäten, ganz sylo
schreibt dagegen trotz ihres lebhaften Geistes George Sand. Schon frühere
haben ihr die Vorliebe für verbrauchte Bilder vorgeworfen; der Verfasser
korrigiert zur Belehrung seiner Leser Proben von ihr und einigen andern
Schriftstellern, ihrem Freunde Jules Sandeau, Thiers nud Merimee, mit dem
Bemerken, daß man das nicht mit allen z. B. nicht mit Pascal oder la Brnycre
so machen könne.

Albalnt ist im Grunde seiner Seele Klassiker, wie es jeder gut schreibende
Franzose sein muß; die Sprünge der Modernen werden drüben bei weitem
nicht so bewundert wie bei uns. Wie einsichtig er über sie urteilt, mag eine
kleine Probe aus dem Kapitel "zlcxzutioir veranschaulichen; es ist vom ersten
und vom zweiten Wurf und vom Korrigieren die Rede, dann folgt ein Kapitel
über Änderungen und den dritten Wurf. "Es giebt sicher Schriftsteller, die
wenig oder gar nicht korrigieren. Zola könnte nicht alle Jahre einen Vaud
vou fünfhundert Seiten schreiben, wenn er seine Wendungen aufs neue vor¬
nähme. Der Romanschreiber Balzac korrigierte seinen Stil nur auf deu Druck¬
fahnen, und Stendhal bemühte sich immer seine tiefste Verachtung gegen alle
litterarische Formarbeit kund zu geben. Man kauu sich darüber seine Gedanken
"rächen. Sicher ist, daß, wenn Balzac uus zwei oder drei formvollendete Bücher
wie Flnuberts Madame Bovary geschrieben Hütte, er heute ebenso berühmt
wäre wie mit deu fünfzig, die er uns hinterlassen hat. La Bruyöre hat uns
einen Vaud geschrieben, der länger leben wird als alle Zolas. Übrigens darf
^ in einen/Buche über die Kunst zu schreiben wohl ausgesprochen werden,
daß mau keineswegs zu schreiben braucht wie Balzac, und daß mau auch uoch
besser schreiben kann als Zoln oder Stendhal. Den Stil soll man bei den
großen Meistern der Form lernen, die im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet
und immer aufs neue an sich verbessert haben. Gegen diesen Satz läßt sich
gewiß nichts einwenden." In lebendiger Methode mit einer Menge vou Bei¬
spielen zeigt Albalat den Unterschied der frischen, eigentümlichen und der ver¬
brauchten Ausdrucksweise, des Omuibusstils. Diesen keunzeichnen nicht etwa
einfache, gewöhnliche, oft gebrauchte Ausdrücke, sondern solche, die man durch
einfachere ersetzen kann, ja ersetzen muß, weil diese noch einfachern die emzrg
wahren sind, die mau immer wieder anwenden muß, und hätte man sie tausend¬
mal gebraucht; für "es regnet" wird man niemals etwas andres sagen als
"es regnet." Lamartines 'beredte Schilderung seiner verstorbne" Mutter ist
farblos, ganz Klischee, warum? weil sie nur aussagt, was dieser Frau mit vielen
andern gemeinsam, nichts was ihr ausschließlich eigen ist; dies hätte anders
ausgedrückt, vielleicht auch schon unters wahrgenommen werden müsse".

Zu eiuer guten Erzählung oder Beschreibung ist nicht erforderlich, daß


Losou, Schreiben und Sprachen

die lsttros av mon moulin verdienten, ein Schullesebuch zu werde». Auch
Fenelon gehört noch zu seineu Klassikern, er schreibt rein, aber er hat schon
z. B, in seinem Telemach zu viel Trivialitäten. Das wahre Relief hat Bossuet,
der ungesucht das Material darbietet zu einer Sammlung vou Redewendungen,
die das Gegenteil von banal sind. Voller Banalitäten, ganz sylo
schreibt dagegen trotz ihres lebhaften Geistes George Sand. Schon frühere
haben ihr die Vorliebe für verbrauchte Bilder vorgeworfen; der Verfasser
korrigiert zur Belehrung seiner Leser Proben von ihr und einigen andern
Schriftstellern, ihrem Freunde Jules Sandeau, Thiers nud Merimee, mit dem
Bemerken, daß man das nicht mit allen z. B. nicht mit Pascal oder la Brnycre
so machen könne.

Albalnt ist im Grunde seiner Seele Klassiker, wie es jeder gut schreibende
Franzose sein muß; die Sprünge der Modernen werden drüben bei weitem
nicht so bewundert wie bei uns. Wie einsichtig er über sie urteilt, mag eine
kleine Probe aus dem Kapitel «zlcxzutioir veranschaulichen; es ist vom ersten
und vom zweiten Wurf und vom Korrigieren die Rede, dann folgt ein Kapitel
über Änderungen und den dritten Wurf. „Es giebt sicher Schriftsteller, die
wenig oder gar nicht korrigieren. Zola könnte nicht alle Jahre einen Vaud
vou fünfhundert Seiten schreiben, wenn er seine Wendungen aufs neue vor¬
nähme. Der Romanschreiber Balzac korrigierte seinen Stil nur auf deu Druck¬
fahnen, und Stendhal bemühte sich immer seine tiefste Verachtung gegen alle
litterarische Formarbeit kund zu geben. Man kauu sich darüber seine Gedanken
»rächen. Sicher ist, daß, wenn Balzac uus zwei oder drei formvollendete Bücher
wie Flnuberts Madame Bovary geschrieben Hütte, er heute ebenso berühmt
wäre wie mit deu fünfzig, die er uns hinterlassen hat. La Bruyöre hat uns
einen Vaud geschrieben, der länger leben wird als alle Zolas. Übrigens darf
^ in einen/Buche über die Kunst zu schreiben wohl ausgesprochen werden,
daß mau keineswegs zu schreiben braucht wie Balzac, und daß mau auch uoch
besser schreiben kann als Zoln oder Stendhal. Den Stil soll man bei den
großen Meistern der Form lernen, die im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet
und immer aufs neue an sich verbessert haben. Gegen diesen Satz läßt sich
gewiß nichts einwenden." In lebendiger Methode mit einer Menge vou Bei¬
spielen zeigt Albalat den Unterschied der frischen, eigentümlichen und der ver¬
brauchten Ausdrucksweise, des Omuibusstils. Diesen keunzeichnen nicht etwa
einfache, gewöhnliche, oft gebrauchte Ausdrücke, sondern solche, die man durch
einfachere ersetzen kann, ja ersetzen muß, weil diese noch einfachern die emzrg
wahren sind, die mau immer wieder anwenden muß, und hätte man sie tausend¬
mal gebraucht; für „es regnet" wird man niemals etwas andres sagen als
»es regnet." Lamartines 'beredte Schilderung seiner verstorbne» Mutter ist
farblos, ganz Klischee, warum? weil sie nur aussagt, was dieser Frau mit vielen
andern gemeinsam, nichts was ihr ausschließlich eigen ist; dies hätte anders
ausgedrückt, vielleicht auch schon unters wahrgenommen werden müsse».

Zu eiuer guten Erzählung oder Beschreibung ist nicht erforderlich, daß


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[0397] Losou, Schreiben und Sprachen die lsttros av mon moulin verdienten, ein Schullesebuch zu werde». Auch Fenelon gehört noch zu seineu Klassikern, er schreibt rein, aber er hat schon z. B, in seinem Telemach zu viel Trivialitäten. Das wahre Relief hat Bossuet, der ungesucht das Material darbietet zu einer Sammlung vou Redewendungen, die das Gegenteil von banal sind. Voller Banalitäten, ganz sylo schreibt dagegen trotz ihres lebhaften Geistes George Sand. Schon frühere haben ihr die Vorliebe für verbrauchte Bilder vorgeworfen; der Verfasser korrigiert zur Belehrung seiner Leser Proben von ihr und einigen andern Schriftstellern, ihrem Freunde Jules Sandeau, Thiers nud Merimee, mit dem Bemerken, daß man das nicht mit allen z. B. nicht mit Pascal oder la Brnycre so machen könne. Albalnt ist im Grunde seiner Seele Klassiker, wie es jeder gut schreibende Franzose sein muß; die Sprünge der Modernen werden drüben bei weitem nicht so bewundert wie bei uns. Wie einsichtig er über sie urteilt, mag eine kleine Probe aus dem Kapitel «zlcxzutioir veranschaulichen; es ist vom ersten und vom zweiten Wurf und vom Korrigieren die Rede, dann folgt ein Kapitel über Änderungen und den dritten Wurf. „Es giebt sicher Schriftsteller, die wenig oder gar nicht korrigieren. Zola könnte nicht alle Jahre einen Vaud vou fünfhundert Seiten schreiben, wenn er seine Wendungen aufs neue vor¬ nähme. Der Romanschreiber Balzac korrigierte seinen Stil nur auf deu Druck¬ fahnen, und Stendhal bemühte sich immer seine tiefste Verachtung gegen alle litterarische Formarbeit kund zu geben. Man kauu sich darüber seine Gedanken »rächen. Sicher ist, daß, wenn Balzac uus zwei oder drei formvollendete Bücher wie Flnuberts Madame Bovary geschrieben Hütte, er heute ebenso berühmt wäre wie mit deu fünfzig, die er uns hinterlassen hat. La Bruyöre hat uns einen Vaud geschrieben, der länger leben wird als alle Zolas. Übrigens darf ^ in einen/Buche über die Kunst zu schreiben wohl ausgesprochen werden, daß mau keineswegs zu schreiben braucht wie Balzac, und daß mau auch uoch besser schreiben kann als Zoln oder Stendhal. Den Stil soll man bei den großen Meistern der Form lernen, die im Schweiße ihres Angesichts gearbeitet und immer aufs neue an sich verbessert haben. Gegen diesen Satz läßt sich gewiß nichts einwenden." In lebendiger Methode mit einer Menge vou Bei¬ spielen zeigt Albalat den Unterschied der frischen, eigentümlichen und der ver¬ brauchten Ausdrucksweise, des Omuibusstils. Diesen keunzeichnen nicht etwa einfache, gewöhnliche, oft gebrauchte Ausdrücke, sondern solche, die man durch einfachere ersetzen kann, ja ersetzen muß, weil diese noch einfachern die emzrg wahren sind, die mau immer wieder anwenden muß, und hätte man sie tausend¬ mal gebraucht; für „es regnet" wird man niemals etwas andres sagen als »es regnet." Lamartines 'beredte Schilderung seiner verstorbne» Mutter ist farblos, ganz Klischee, warum? weil sie nur aussagt, was dieser Frau mit vielen andern gemeinsam, nichts was ihr ausschließlich eigen ist; dies hätte anders ausgedrückt, vielleicht auch schon unters wahrgenommen werden müsse». Zu eiuer guten Erzählung oder Beschreibung ist nicht erforderlich, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/397>, abgerufen am 22.07.2024.