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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

der Organisation der Streitkräfte, der Aufstellung von Freikorps, der Sicherung
der Eisenbahnen und der Aufstapelung von Lebensmitteln war der erste Monat
der Anwesenheit des Oberkommandos in Kapstadt gewidmet. Die 6. und
7. Division wurden verständigerweise nicht mehr dem gleich einem Moloch
Bataillone, Schwadronen und Batterien verschlingenden Natal in den Rachen
geworfen, sondern auf der Seite gehalten, auf der unbedingt die Entscheidung
fallen mußte. Daß die ganze 5. Division noch nach Natal ging, vermochte
Roberts nicht mehr zu hindern; zum Teil war sie schon dort gelandet, als
er in See stach.




Generalmajor Bengough verkündete im Lr. vom 6. Januar ex oatueära:
"Die Buren können uns nicht zwingen zu fechten, bevor wir bereit sind." In
diesem Satze ist wieder das Wort "können" grundfalsch; es hätte heißen
müssen: sie werden uns wahrscheinlich nicht zwingen, denn ihre Vorliebe für
eine abwartende Kriegführung ist bekannt. Derselbe Herr äußert sich höchlichst
entrüstet: "Es ist in der That unverantwortlich, daß dieser Schritt (die Be¬
freiung von Ladysmith) noch nicht gethan ist. Im übrigen wird der Ort ans
jeden Fall entsetzt, und die Buren werden zwischen Sir Redvers Butter und
Sir George White jämmerlich zermalmt werden. Die Gefahr solcher Opera¬
tionen (Einschließung eines stark besetzten festen Platzes und zugleich die Ab¬
wehr eines Entsatzheeres nicht mehr als einen Tagemarsch von der Ein¬
schließungslinie) ist sehr groß, und die Buren werden eine so gewagte Unter¬
nehmung teuer zu bezahlen haben." Es war auch heillos, daß sich die Buren
in einer Kriegführung ergingen, die in den längst veralteten taktischen Lehr¬
büchern des englischen Heeres nicht vorgesehen war, und für die nun das
maschinenmäßig anzuwendende Rezept fehlte!

Butter hatte allen Grund, trotz der ernsten Verwarnungen Bengvughs
mit einem neuen Entsatzversuch zu zögern. Kürzlich hat der Nadir eine sehr
abfällige Beurteilung des französischen Militärattaches auf englischer Seite über
die Mannszucht in Butters Lager gebracht. Wenn die darüber aufgeregten
Engländer dem Franzosen (Hauptmann d'Amade) Indiskretion vorwerfen, so
sind sie dazu bis zu einem gewissen Grade berechtigt: nur braucht die Indis¬
kretion durchaus nicht von der Person des Attaches ausgegangen zu sein.
Obendrein begeben sich die englischen Blätter auf ein gefährliches Gebiet, wenn
sie die Mängel an Mannszucht einfach in Abrede stellen. Die Militärattaches
der fremden Mächte hatte man englischerseits auf den östlichen Kriegsschauplatz
gnädigst zugelassen, als die Schlacht bei Colenso geschlagen war, und man
schob sie klugerweise unmittelbar vor dem zweiten Entsatzversuch Butters wieder
ab, sodaß sie in Kapstadt einen Monat auf die persönliche Vorbewegung von
Lord Roberts warten konnten. Eine hübsche Nasführung! Aus derselben
Zeit nun. wo die fremden Attaches im nördlichen Natal waren, rührt die
Meldung eines englischen Berichterstatters her (leider haben wir die Quelle zu


Militärische Randglossen zum Burenkriege

der Organisation der Streitkräfte, der Aufstellung von Freikorps, der Sicherung
der Eisenbahnen und der Aufstapelung von Lebensmitteln war der erste Monat
der Anwesenheit des Oberkommandos in Kapstadt gewidmet. Die 6. und
7. Division wurden verständigerweise nicht mehr dem gleich einem Moloch
Bataillone, Schwadronen und Batterien verschlingenden Natal in den Rachen
geworfen, sondern auf der Seite gehalten, auf der unbedingt die Entscheidung
fallen mußte. Daß die ganze 5. Division noch nach Natal ging, vermochte
Roberts nicht mehr zu hindern; zum Teil war sie schon dort gelandet, als
er in See stach.




Generalmajor Bengough verkündete im Lr. vom 6. Januar ex oatueära:
„Die Buren können uns nicht zwingen zu fechten, bevor wir bereit sind." In
diesem Satze ist wieder das Wort „können" grundfalsch; es hätte heißen
müssen: sie werden uns wahrscheinlich nicht zwingen, denn ihre Vorliebe für
eine abwartende Kriegführung ist bekannt. Derselbe Herr äußert sich höchlichst
entrüstet: „Es ist in der That unverantwortlich, daß dieser Schritt (die Be¬
freiung von Ladysmith) noch nicht gethan ist. Im übrigen wird der Ort ans
jeden Fall entsetzt, und die Buren werden zwischen Sir Redvers Butter und
Sir George White jämmerlich zermalmt werden. Die Gefahr solcher Opera¬
tionen (Einschließung eines stark besetzten festen Platzes und zugleich die Ab¬
wehr eines Entsatzheeres nicht mehr als einen Tagemarsch von der Ein¬
schließungslinie) ist sehr groß, und die Buren werden eine so gewagte Unter¬
nehmung teuer zu bezahlen haben." Es war auch heillos, daß sich die Buren
in einer Kriegführung ergingen, die in den längst veralteten taktischen Lehr¬
büchern des englischen Heeres nicht vorgesehen war, und für die nun das
maschinenmäßig anzuwendende Rezept fehlte!

Butter hatte allen Grund, trotz der ernsten Verwarnungen Bengvughs
mit einem neuen Entsatzversuch zu zögern. Kürzlich hat der Nadir eine sehr
abfällige Beurteilung des französischen Militärattaches auf englischer Seite über
die Mannszucht in Butters Lager gebracht. Wenn die darüber aufgeregten
Engländer dem Franzosen (Hauptmann d'Amade) Indiskretion vorwerfen, so
sind sie dazu bis zu einem gewissen Grade berechtigt: nur braucht die Indis¬
kretion durchaus nicht von der Person des Attaches ausgegangen zu sein.
Obendrein begeben sich die englischen Blätter auf ein gefährliches Gebiet, wenn
sie die Mängel an Mannszucht einfach in Abrede stellen. Die Militärattaches
der fremden Mächte hatte man englischerseits auf den östlichen Kriegsschauplatz
gnädigst zugelassen, als die Schlacht bei Colenso geschlagen war, und man
schob sie klugerweise unmittelbar vor dem zweiten Entsatzversuch Butters wieder
ab, sodaß sie in Kapstadt einen Monat auf die persönliche Vorbewegung von
Lord Roberts warten konnten. Eine hübsche Nasführung! Aus derselben
Zeit nun. wo die fremden Attaches im nördlichen Natal waren, rührt die
Meldung eines englischen Berichterstatters her (leider haben wir die Quelle zu


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[0389] Militärische Randglossen zum Burenkriege der Organisation der Streitkräfte, der Aufstellung von Freikorps, der Sicherung der Eisenbahnen und der Aufstapelung von Lebensmitteln war der erste Monat der Anwesenheit des Oberkommandos in Kapstadt gewidmet. Die 6. und 7. Division wurden verständigerweise nicht mehr dem gleich einem Moloch Bataillone, Schwadronen und Batterien verschlingenden Natal in den Rachen geworfen, sondern auf der Seite gehalten, auf der unbedingt die Entscheidung fallen mußte. Daß die ganze 5. Division noch nach Natal ging, vermochte Roberts nicht mehr zu hindern; zum Teil war sie schon dort gelandet, als er in See stach. Generalmajor Bengough verkündete im Lr. vom 6. Januar ex oatueära: „Die Buren können uns nicht zwingen zu fechten, bevor wir bereit sind." In diesem Satze ist wieder das Wort „können" grundfalsch; es hätte heißen müssen: sie werden uns wahrscheinlich nicht zwingen, denn ihre Vorliebe für eine abwartende Kriegführung ist bekannt. Derselbe Herr äußert sich höchlichst entrüstet: „Es ist in der That unverantwortlich, daß dieser Schritt (die Be¬ freiung von Ladysmith) noch nicht gethan ist. Im übrigen wird der Ort ans jeden Fall entsetzt, und die Buren werden zwischen Sir Redvers Butter und Sir George White jämmerlich zermalmt werden. Die Gefahr solcher Opera¬ tionen (Einschließung eines stark besetzten festen Platzes und zugleich die Ab¬ wehr eines Entsatzheeres nicht mehr als einen Tagemarsch von der Ein¬ schließungslinie) ist sehr groß, und die Buren werden eine so gewagte Unter¬ nehmung teuer zu bezahlen haben." Es war auch heillos, daß sich die Buren in einer Kriegführung ergingen, die in den längst veralteten taktischen Lehr¬ büchern des englischen Heeres nicht vorgesehen war, und für die nun das maschinenmäßig anzuwendende Rezept fehlte! Butter hatte allen Grund, trotz der ernsten Verwarnungen Bengvughs mit einem neuen Entsatzversuch zu zögern. Kürzlich hat der Nadir eine sehr abfällige Beurteilung des französischen Militärattaches auf englischer Seite über die Mannszucht in Butters Lager gebracht. Wenn die darüber aufgeregten Engländer dem Franzosen (Hauptmann d'Amade) Indiskretion vorwerfen, so sind sie dazu bis zu einem gewissen Grade berechtigt: nur braucht die Indis¬ kretion durchaus nicht von der Person des Attaches ausgegangen zu sein. Obendrein begeben sich die englischen Blätter auf ein gefährliches Gebiet, wenn sie die Mängel an Mannszucht einfach in Abrede stellen. Die Militärattaches der fremden Mächte hatte man englischerseits auf den östlichen Kriegsschauplatz gnädigst zugelassen, als die Schlacht bei Colenso geschlagen war, und man schob sie klugerweise unmittelbar vor dem zweiten Entsatzversuch Butters wieder ab, sodaß sie in Kapstadt einen Monat auf die persönliche Vorbewegung von Lord Roberts warten konnten. Eine hübsche Nasführung! Aus derselben Zeit nun. wo die fremden Attaches im nördlichen Natal waren, rührt die Meldung eines englischen Berichterstatters her (leider haben wir die Quelle zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/389>, abgerufen am 22.07.2024.