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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Europa und England

Frankreich hineintrieb, und was die Südafrikanische Kompagnie in Se> James
vermag, sehen wir ja eben an dem Kriege um Gold und Suprematie in Süd¬
afrika. Wenn auch noch nicht alle Einzelheiten, deren Verbindung diesen
Krieg zu Wege gebracht hat, aufgedeckt sind, so sind doch die treibenden Kräfte
im großen schon genügend erkennbar geworden. Es sind ihrer drei. Erst die
Geldspckulanten, die die Goldfelder ganz in ihre Hände zu bekommen wünschten,
eine Gruppe meist jüdischen Blutes, aber in ihrem Einfluß gesichert durch hoch¬
aristokratische Genossenschaft. Die afrikanische" Goldminenanteile dominieren
seit Jahren an der Londoner Börse, und die Londoner Börse dominiert seit
Jahrhunderten sehr stark in der englischen Negierung. Als die ersten Flücht¬
linge aus Johannesburg in Southampton landeten, war man erstaunt, in
dieser Schar von Uitlanderu, für die England zu den Waffen gegriffen hatte,
meist Juden, und nicht einmal meist englische Juden zu finden. Daß dieses
Volk die Hilfe von England nicht verschmäht, um Geschäfte zu machen, wird
niemand wundern; eher schon werden sich manche darüber wandern, daß sich
England herbeiläßt, Gut und Blut für jüdische und andre Spekulanten ein¬
zusetzen.

Eine zweite Gruppe von Kriegsleuten haben die naiv jingoistischcn
"Athleten" tun Sinne von Steffen) ausgemacht, die meinten, nach Transvaal
und uach ganz Afrika die Zivilisation bringen zu müssen. Der Historiker
MeCarthy sagt in einem Romanes von einem Manne, den er als den
Typus des englischen realistisch kühlen Geschäftsmannes darstellt, folgendes:
"Nach seiner Meinung war für England der beste Weg, um irgend ein un-
zivilisiertes Land zu heben, der, es zu annektieren." Dieses war und ist in
der That die Meinung eines sehr großen Teiles der im übrigen ganz wohl¬
wollenden und verständigen Leute, die nach Annexion der beiden Republiken
in Südafrika schreien. Es sind Doktoren der Zivilisation, die in der Methode
etwas Verwandtschaft haben mit dem alten Doktor Eisenbart, aber die wirklich
meinen, was sie sagen.

Die dritte Gruppe, zu der man auch Rhodes rechnen darf, sind die
wirklichen Politiker. Sie ließen es zum Krieg kommen, weil sie hinter Lüge,
Geldgier, Rechtsbruch, Blut lind Elend ein wirklich großes Ziel sahen: die
englische Suprematie in Afrika vom Kap bis Kairo. Der eben zitierte Geschäfts¬
mann in dem Roman wird von MeCarthy um einer andern Stelle so ge¬
zeichnet: "Seine allgemeine Vorstellung von dem Wege, auf dem England
irgend welche schwierige Frage in auswärtigen Angelegenheiten lösen müsse,
war, irgend einen Ort zu okkupieren." 1c> ooouM soins Mo"z, das haben
die Engländer von jeher gern und ohne viel Besinnen gethan, und nnn schien
der Augenblick gekommen, um gegenüber den in Europa immer deutlicher
werdenden Drohungen, sich dein englischen Übermut zur See zu widersetzen,
zuvorzukommen durch Okkupation eines sehr wichtigen Platzes, nämlich ganz
Südafrikas. Dazu bedürfte es vorerst der Besetzung von Transvaal, um da-



*) l'Jeti Lvwvt ok ", 8vU,L(M.
Europa und England

Frankreich hineintrieb, und was die Südafrikanische Kompagnie in Se> James
vermag, sehen wir ja eben an dem Kriege um Gold und Suprematie in Süd¬
afrika. Wenn auch noch nicht alle Einzelheiten, deren Verbindung diesen
Krieg zu Wege gebracht hat, aufgedeckt sind, so sind doch die treibenden Kräfte
im großen schon genügend erkennbar geworden. Es sind ihrer drei. Erst die
Geldspckulanten, die die Goldfelder ganz in ihre Hände zu bekommen wünschten,
eine Gruppe meist jüdischen Blutes, aber in ihrem Einfluß gesichert durch hoch¬
aristokratische Genossenschaft. Die afrikanische» Goldminenanteile dominieren
seit Jahren an der Londoner Börse, und die Londoner Börse dominiert seit
Jahrhunderten sehr stark in der englischen Negierung. Als die ersten Flücht¬
linge aus Johannesburg in Southampton landeten, war man erstaunt, in
dieser Schar von Uitlanderu, für die England zu den Waffen gegriffen hatte,
meist Juden, und nicht einmal meist englische Juden zu finden. Daß dieses
Volk die Hilfe von England nicht verschmäht, um Geschäfte zu machen, wird
niemand wundern; eher schon werden sich manche darüber wandern, daß sich
England herbeiläßt, Gut und Blut für jüdische und andre Spekulanten ein¬
zusetzen.

Eine zweite Gruppe von Kriegsleuten haben die naiv jingoistischcn
„Athleten" tun Sinne von Steffen) ausgemacht, die meinten, nach Transvaal
und uach ganz Afrika die Zivilisation bringen zu müssen. Der Historiker
MeCarthy sagt in einem Romanes von einem Manne, den er als den
Typus des englischen realistisch kühlen Geschäftsmannes darstellt, folgendes:
„Nach seiner Meinung war für England der beste Weg, um irgend ein un-
zivilisiertes Land zu heben, der, es zu annektieren." Dieses war und ist in
der That die Meinung eines sehr großen Teiles der im übrigen ganz wohl¬
wollenden und verständigen Leute, die nach Annexion der beiden Republiken
in Südafrika schreien. Es sind Doktoren der Zivilisation, die in der Methode
etwas Verwandtschaft haben mit dem alten Doktor Eisenbart, aber die wirklich
meinen, was sie sagen.

Die dritte Gruppe, zu der man auch Rhodes rechnen darf, sind die
wirklichen Politiker. Sie ließen es zum Krieg kommen, weil sie hinter Lüge,
Geldgier, Rechtsbruch, Blut lind Elend ein wirklich großes Ziel sahen: die
englische Suprematie in Afrika vom Kap bis Kairo. Der eben zitierte Geschäfts¬
mann in dem Roman wird von MeCarthy um einer andern Stelle so ge¬
zeichnet: „Seine allgemeine Vorstellung von dem Wege, auf dem England
irgend welche schwierige Frage in auswärtigen Angelegenheiten lösen müsse,
war, irgend einen Ort zu okkupieren." 1c> ooouM soins Mo«z, das haben
die Engländer von jeher gern und ohne viel Besinnen gethan, und nnn schien
der Augenblick gekommen, um gegenüber den in Europa immer deutlicher
werdenden Drohungen, sich dein englischen Übermut zur See zu widersetzen,
zuvorzukommen durch Okkupation eines sehr wichtigen Platzes, nämlich ganz
Südafrikas. Dazu bedürfte es vorerst der Besetzung von Transvaal, um da-



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[0380] Europa und England Frankreich hineintrieb, und was die Südafrikanische Kompagnie in Se> James vermag, sehen wir ja eben an dem Kriege um Gold und Suprematie in Süd¬ afrika. Wenn auch noch nicht alle Einzelheiten, deren Verbindung diesen Krieg zu Wege gebracht hat, aufgedeckt sind, so sind doch die treibenden Kräfte im großen schon genügend erkennbar geworden. Es sind ihrer drei. Erst die Geldspckulanten, die die Goldfelder ganz in ihre Hände zu bekommen wünschten, eine Gruppe meist jüdischen Blutes, aber in ihrem Einfluß gesichert durch hoch¬ aristokratische Genossenschaft. Die afrikanische» Goldminenanteile dominieren seit Jahren an der Londoner Börse, und die Londoner Börse dominiert seit Jahrhunderten sehr stark in der englischen Negierung. Als die ersten Flücht¬ linge aus Johannesburg in Southampton landeten, war man erstaunt, in dieser Schar von Uitlanderu, für die England zu den Waffen gegriffen hatte, meist Juden, und nicht einmal meist englische Juden zu finden. Daß dieses Volk die Hilfe von England nicht verschmäht, um Geschäfte zu machen, wird niemand wundern; eher schon werden sich manche darüber wandern, daß sich England herbeiläßt, Gut und Blut für jüdische und andre Spekulanten ein¬ zusetzen. Eine zweite Gruppe von Kriegsleuten haben die naiv jingoistischcn „Athleten" tun Sinne von Steffen) ausgemacht, die meinten, nach Transvaal und uach ganz Afrika die Zivilisation bringen zu müssen. Der Historiker MeCarthy sagt in einem Romanes von einem Manne, den er als den Typus des englischen realistisch kühlen Geschäftsmannes darstellt, folgendes: „Nach seiner Meinung war für England der beste Weg, um irgend ein un- zivilisiertes Land zu heben, der, es zu annektieren." Dieses war und ist in der That die Meinung eines sehr großen Teiles der im übrigen ganz wohl¬ wollenden und verständigen Leute, die nach Annexion der beiden Republiken in Südafrika schreien. Es sind Doktoren der Zivilisation, die in der Methode etwas Verwandtschaft haben mit dem alten Doktor Eisenbart, aber die wirklich meinen, was sie sagen. Die dritte Gruppe, zu der man auch Rhodes rechnen darf, sind die wirklichen Politiker. Sie ließen es zum Krieg kommen, weil sie hinter Lüge, Geldgier, Rechtsbruch, Blut lind Elend ein wirklich großes Ziel sahen: die englische Suprematie in Afrika vom Kap bis Kairo. Der eben zitierte Geschäfts¬ mann in dem Roman wird von MeCarthy um einer andern Stelle so ge¬ zeichnet: „Seine allgemeine Vorstellung von dem Wege, auf dem England irgend welche schwierige Frage in auswärtigen Angelegenheiten lösen müsse, war, irgend einen Ort zu okkupieren." 1c> ooouM soins Mo«z, das haben die Engländer von jeher gern und ohne viel Besinnen gethan, und nnn schien der Augenblick gekommen, um gegenüber den in Europa immer deutlicher werdenden Drohungen, sich dein englischen Übermut zur See zu widersetzen, zuvorzukommen durch Okkupation eines sehr wichtigen Platzes, nämlich ganz Südafrikas. Dazu bedürfte es vorerst der Besetzung von Transvaal, um da- *) l'Jeti Lvwvt ok », 8vU,L(M.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/380>, abgerufen am 22.07.2024.