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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Luroxa und England

über, was Friedrich für alle englische Allianz fernerhin den Geschmack verdarb.
Der Frieden aber kam trotz Butes Bemühen vorläufig noch nicht, vielmehr
erklärte Spanien 1762 wiederum Krieg, und erst das folgende Jahr beendete
diesen für Frankreich unheilvollsten aller bisherigen Kämpfe. Denn es hatte
gegen Preußen seinen militärischen Ruf, gegen England Flotte und Kolonien
verloren.

Der Übermut Englands war durch die großen Erfolge des siebenjährigen
Krieges so gestiegen, daß die Rücksichtslosigkeit seiner Kriegsschiffe gegen den
Handel fremder Völker unerträglich wurde, sodaß Nußland die bewaffnete
Neutralität der Seemächte gegen England ins Leben rief, was wiederum den
Zorn dieser Macht gegen alle reizte, die sich der Neutralität anschlössen oder
dazu Miene machten. So mußte Preußen im Jahre 1781 Rußland um Schutz
bitten für seine Handelsschiffe gegen englische und spanische Kriegsschiffe oder
Kaper, die unter dem Vorwande, nach Kriegskontrebande zu suchen, dem
Preußischen Handel Gewalt anthaten.*) Nußland gab das Versprechen, worauf
erst Preußen wagte, der Neutralitütsakte beizutreten. Dieser Vertrag wurde
dann am 18. Dezember 1800 unter Beitritt von Schweden und Dänemark
erneuert, nachdem die Engländer ass xrojsts rövoltants cis äösxotisinö gefaßt
hatten (a. a. O., S. 295). Und nicht lange vorher hatte Preußen wieder die
Erfahrung gemacht, wie wenig man sich in kontinentalen politischen Ange¬
legenheiten auf England verlassen konnte, eben weil diese Macht schon damals
die kontinentalen Beziehungen nur von seinen maritimen Interessen aus be¬
handelte. Als im Jahre 1791 Preußen im Begriff war, Rußland mit über¬
legner Macht und unter versprochner Beihilfe Englands anzugreifen, wurde
Pitt gestürzt, und statt einer Flotte kam eine englische außerordentliche Ge¬
sandtschaft nach Rußland, die sich mit dieser Macht auseinandersetzte und
Preußen wiederum im Stich ließ. Preußen hat die Folgen in den polnischen
Händeln dann jahrelang gespürt. England geht eben immer die Wege des
augenblicklichen Vorteils, auf denen ein Kontinentalstaat nicht immer gehn
darf, weil er sich nie so vollkommen isolieren kann wie das meernmgürtete
und flottensichre England. Wäre England nicht durch Wasser und Flotte seit
Wilhelm dem Eroberer vor aller fremden Invasion geschützt, so sähe es sich
alsbald gezwungen, seinem politischen Gewebe einen festern, dauerhaftem Auf-
Zug unterzulegen. Aber umgekehrt würde sich auch jede Kontinentalmacht, die
gegen Angriffe auf ihr Land so geschützt wäre wie England, dieselbe Taktik
freien Hand aneignen.

Der Pariser Frieden von 1763 machte England zur größten Kolonial¬
macht der Welt. Durch die Eroberung von ganz Kanada und von Florida
^>n es in den Besitz des ganzen nicht spanischen Kontinents von Nordamerika,
^u Ostindien, wo längre Zeit Holländer mit Engländern, dann beide mit
Franzosen um die Vorherrschaft stritten, verzichtete Frankreich schon 1754 in



*) U-"tWs, Ksousil, Band VIII, Note des Grafen Görtz vom ö. März 1781.
Luroxa und England

über, was Friedrich für alle englische Allianz fernerhin den Geschmack verdarb.
Der Frieden aber kam trotz Butes Bemühen vorläufig noch nicht, vielmehr
erklärte Spanien 1762 wiederum Krieg, und erst das folgende Jahr beendete
diesen für Frankreich unheilvollsten aller bisherigen Kämpfe. Denn es hatte
gegen Preußen seinen militärischen Ruf, gegen England Flotte und Kolonien
verloren.

Der Übermut Englands war durch die großen Erfolge des siebenjährigen
Krieges so gestiegen, daß die Rücksichtslosigkeit seiner Kriegsschiffe gegen den
Handel fremder Völker unerträglich wurde, sodaß Nußland die bewaffnete
Neutralität der Seemächte gegen England ins Leben rief, was wiederum den
Zorn dieser Macht gegen alle reizte, die sich der Neutralität anschlössen oder
dazu Miene machten. So mußte Preußen im Jahre 1781 Rußland um Schutz
bitten für seine Handelsschiffe gegen englische und spanische Kriegsschiffe oder
Kaper, die unter dem Vorwande, nach Kriegskontrebande zu suchen, dem
Preußischen Handel Gewalt anthaten.*) Nußland gab das Versprechen, worauf
erst Preußen wagte, der Neutralitütsakte beizutreten. Dieser Vertrag wurde
dann am 18. Dezember 1800 unter Beitritt von Schweden und Dänemark
erneuert, nachdem die Engländer ass xrojsts rövoltants cis äösxotisinö gefaßt
hatten (a. a. O., S. 295). Und nicht lange vorher hatte Preußen wieder die
Erfahrung gemacht, wie wenig man sich in kontinentalen politischen Ange¬
legenheiten auf England verlassen konnte, eben weil diese Macht schon damals
die kontinentalen Beziehungen nur von seinen maritimen Interessen aus be¬
handelte. Als im Jahre 1791 Preußen im Begriff war, Rußland mit über¬
legner Macht und unter versprochner Beihilfe Englands anzugreifen, wurde
Pitt gestürzt, und statt einer Flotte kam eine englische außerordentliche Ge¬
sandtschaft nach Rußland, die sich mit dieser Macht auseinandersetzte und
Preußen wiederum im Stich ließ. Preußen hat die Folgen in den polnischen
Händeln dann jahrelang gespürt. England geht eben immer die Wege des
augenblicklichen Vorteils, auf denen ein Kontinentalstaat nicht immer gehn
darf, weil er sich nie so vollkommen isolieren kann wie das meernmgürtete
und flottensichre England. Wäre England nicht durch Wasser und Flotte seit
Wilhelm dem Eroberer vor aller fremden Invasion geschützt, so sähe es sich
alsbald gezwungen, seinem politischen Gewebe einen festern, dauerhaftem Auf-
Zug unterzulegen. Aber umgekehrt würde sich auch jede Kontinentalmacht, die
gegen Angriffe auf ihr Land so geschützt wäre wie England, dieselbe Taktik
freien Hand aneignen.

Der Pariser Frieden von 1763 machte England zur größten Kolonial¬
macht der Welt. Durch die Eroberung von ganz Kanada und von Florida
^>n es in den Besitz des ganzen nicht spanischen Kontinents von Nordamerika,
^u Ostindien, wo längre Zeit Holländer mit Engländern, dann beide mit
Franzosen um die Vorherrschaft stritten, verzichtete Frankreich schon 1754 in



*) U-»tWs, Ksousil, Band VIII, Note des Grafen Görtz vom ö. März 1781.
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[0327] Luroxa und England über, was Friedrich für alle englische Allianz fernerhin den Geschmack verdarb. Der Frieden aber kam trotz Butes Bemühen vorläufig noch nicht, vielmehr erklärte Spanien 1762 wiederum Krieg, und erst das folgende Jahr beendete diesen für Frankreich unheilvollsten aller bisherigen Kämpfe. Denn es hatte gegen Preußen seinen militärischen Ruf, gegen England Flotte und Kolonien verloren. Der Übermut Englands war durch die großen Erfolge des siebenjährigen Krieges so gestiegen, daß die Rücksichtslosigkeit seiner Kriegsschiffe gegen den Handel fremder Völker unerträglich wurde, sodaß Nußland die bewaffnete Neutralität der Seemächte gegen England ins Leben rief, was wiederum den Zorn dieser Macht gegen alle reizte, die sich der Neutralität anschlössen oder dazu Miene machten. So mußte Preußen im Jahre 1781 Rußland um Schutz bitten für seine Handelsschiffe gegen englische und spanische Kriegsschiffe oder Kaper, die unter dem Vorwande, nach Kriegskontrebande zu suchen, dem Preußischen Handel Gewalt anthaten.*) Nußland gab das Versprechen, worauf erst Preußen wagte, der Neutralitütsakte beizutreten. Dieser Vertrag wurde dann am 18. Dezember 1800 unter Beitritt von Schweden und Dänemark erneuert, nachdem die Engländer ass xrojsts rövoltants cis äösxotisinö gefaßt hatten (a. a. O., S. 295). Und nicht lange vorher hatte Preußen wieder die Erfahrung gemacht, wie wenig man sich in kontinentalen politischen Ange¬ legenheiten auf England verlassen konnte, eben weil diese Macht schon damals die kontinentalen Beziehungen nur von seinen maritimen Interessen aus be¬ handelte. Als im Jahre 1791 Preußen im Begriff war, Rußland mit über¬ legner Macht und unter versprochner Beihilfe Englands anzugreifen, wurde Pitt gestürzt, und statt einer Flotte kam eine englische außerordentliche Ge¬ sandtschaft nach Rußland, die sich mit dieser Macht auseinandersetzte und Preußen wiederum im Stich ließ. Preußen hat die Folgen in den polnischen Händeln dann jahrelang gespürt. England geht eben immer die Wege des augenblicklichen Vorteils, auf denen ein Kontinentalstaat nicht immer gehn darf, weil er sich nie so vollkommen isolieren kann wie das meernmgürtete und flottensichre England. Wäre England nicht durch Wasser und Flotte seit Wilhelm dem Eroberer vor aller fremden Invasion geschützt, so sähe es sich alsbald gezwungen, seinem politischen Gewebe einen festern, dauerhaftem Auf- Zug unterzulegen. Aber umgekehrt würde sich auch jede Kontinentalmacht, die gegen Angriffe auf ihr Land so geschützt wäre wie England, dieselbe Taktik freien Hand aneignen. Der Pariser Frieden von 1763 machte England zur größten Kolonial¬ macht der Welt. Durch die Eroberung von ganz Kanada und von Florida ^>n es in den Besitz des ganzen nicht spanischen Kontinents von Nordamerika, ^u Ostindien, wo längre Zeit Holländer mit Engländern, dann beide mit Franzosen um die Vorherrschaft stritten, verzichtete Frankreich schon 1754 in *) U-»tWs, Ksousil, Band VIII, Note des Grafen Görtz vom ö. März 1781.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/327>, abgerufen am 01.07.2024.