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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

genötigt ist, mit einem größern Kreise gebildeter Menschen gesellschaftlich zu Ver¬
kehren, anders anfangen?

Er hatte mich ruhig angehört und war stehn geblieben. Dann sagte er mit
einem Seufzer: Harmlos und kindlich sind Sie, das muß ich sagen. Sie habe" ja
Ihre kleine Theorie von gestern förmlich ausgewechselt.

Jawohl, erwiderte ich, ich habe sie an der Hand der Erfahrung berichtigt.
Finden Sie das denn nicht ganz richtig und vernünftig?

Nein, zürnte er ini Weitergehn, nein und abermals nein. Wie kaun man ans
Grund einer flüchtigen Stimmung verständige Grundsätze aufgeben und sie in ihr
Gegenteil Verkehren? Das ist ja eine ganz -- verkehrte Oberflächlichkeit. Ihre
gestrigen Monologe gegen die Unnatur unsrer konventionellen Gesellschaften waren
vollkommen begründet. Ich bin von meinem Optimismus gründlich kuriert und
mache nicht wieder mit. Diese ganze konventionelle Geselligkeit ist Unsinn, und an¬
ständige, freie Leute, wie Sie und ich, sollten sich davon los machen.

Das kann nicht Ihr Ernst sein, sagte ich. Ich erkenne Sie ja kaum wieder.
Sie sind ja heute ein persönlich voreingenommner, ungerechter Richter. Sie haben
gestern bei Müller Ihre Rechnung nicht gefunden, sind dnrch das Zusammentreffen
zufälliger, gerade für Sie ungünstiger Umstände einigermaßen enttäuscht gewesen,
haben vielleicht von dem sehr gut besetzten Tisch ein wenig zu viel gegessen oder
auch von dem feurigen dreiundneunziger Forster Freundstück, der gut schmeckt aber
ins Blut geht, ein Glas mehr getrunken, als Ihnen gut war. Sie haben von
Ihren Nachbarn, mit denen Sie sich anscheinend sehr angelegentlich unterhielten,
wohl nicht gerade das gehört, worauf Sie rechnen zu dürfen meinten, haben schlecht
geschlafen, sind mit Unbehagen aufgestanden, und nun machen Sie sich aus diesem
einmaligen, ganz persönlichen Erlebnis -- echt theoretisch und doktrinär -- ein all¬
gemeines, abfälliges Urteil über diese ganze Art von Geselligkeit zurecht, das viel
zu weit geht. Sie sind damit -- nehmen Sie es mir nicht übel -- auch gegen
Müller und seine Frau, die uns auf ihre Art doch sehr aufmerksam, freundlich und
nicht ohne Opfer bewirtet haben, ungerecht und undankbar. Das ist nicht hübsch
und nicht recht. Das müßten Sie bei ruhiger Nachprüfung selbst zugeben.

Ich will Ihnen etwas sagen, entgegnete er; in zwei Punkten haben Sie recht.
Erstens müssen wir Müllers aus dem Spiel lassen. Die haben es er ihrer Art
gut gemeint, und es wäre ordinär, sich erst von ihnen abfüttern zu lassen und
hinterher über sie zu räsonnieren. Die meisten Gäste bei solchen Festen thun das
zwar ungeniert, aber das fällt mir nicht ein. Zweitens ist es richtig, daß meine
Wut auf unsre falsche Geselligkeit, die ich längst in mir herumtrage, und gegen die
ich mich gestern mit einer forcierten Dosis guten Willens und guter Laune ge¬
wappnet zu haben vermeinte, durch allerhand persönliches Mißgeschick ausgelöst
worden ist. Aber dieses Mißgeschick ist nicht vereinzelt, sondern ist die Regel, und
diese ganze Form der Geselligkeit, die wir bei Müller gestern -- sogar unter ver¬
hältnismäßig günstigen äußern Umständen -- ausgekostet haben, paßt nicht für Leute
unsers Schlags und unsrer Verhältnisse, weder aktiv noch passiv. Wir müßten uns
entschließen, damit zu brechen, und müßten uns zusammenthun, um diesen Gesell¬
schaftsdummheiten den Krieg zu erklären.

Ja, was ist denn so dumm und falsch daran? fragte ich. Ich wenigstens habe
viel mehr von dieser Gesellschaft gehabt, als ich erwartet hatte, und die andern
Herren sahen doch auch befriedigt und vergnügt genug aus. Sie, Verehrtester,
sind wahrscheinlich der einzige Gast gewesen, der innerlich unwirsch war. Und
da liegt doch die Annahme nahe genug, daß das Ihre und nicht die Schuld der
Geselligkeit war.

Nein, sagte er, diese Berufung auf die andern zieht nicht. Können Sie ihnen
ins Herz sehen? Und so unanständig, sich in dem gastlichen Hause selbst die Ent-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

genötigt ist, mit einem größern Kreise gebildeter Menschen gesellschaftlich zu Ver¬
kehren, anders anfangen?

Er hatte mich ruhig angehört und war stehn geblieben. Dann sagte er mit
einem Seufzer: Harmlos und kindlich sind Sie, das muß ich sagen. Sie habe» ja
Ihre kleine Theorie von gestern förmlich ausgewechselt.

Jawohl, erwiderte ich, ich habe sie an der Hand der Erfahrung berichtigt.
Finden Sie das denn nicht ganz richtig und vernünftig?

Nein, zürnte er ini Weitergehn, nein und abermals nein. Wie kaun man ans
Grund einer flüchtigen Stimmung verständige Grundsätze aufgeben und sie in ihr
Gegenteil Verkehren? Das ist ja eine ganz — verkehrte Oberflächlichkeit. Ihre
gestrigen Monologe gegen die Unnatur unsrer konventionellen Gesellschaften waren
vollkommen begründet. Ich bin von meinem Optimismus gründlich kuriert und
mache nicht wieder mit. Diese ganze konventionelle Geselligkeit ist Unsinn, und an¬
ständige, freie Leute, wie Sie und ich, sollten sich davon los machen.

Das kann nicht Ihr Ernst sein, sagte ich. Ich erkenne Sie ja kaum wieder.
Sie sind ja heute ein persönlich voreingenommner, ungerechter Richter. Sie haben
gestern bei Müller Ihre Rechnung nicht gefunden, sind dnrch das Zusammentreffen
zufälliger, gerade für Sie ungünstiger Umstände einigermaßen enttäuscht gewesen,
haben vielleicht von dem sehr gut besetzten Tisch ein wenig zu viel gegessen oder
auch von dem feurigen dreiundneunziger Forster Freundstück, der gut schmeckt aber
ins Blut geht, ein Glas mehr getrunken, als Ihnen gut war. Sie haben von
Ihren Nachbarn, mit denen Sie sich anscheinend sehr angelegentlich unterhielten,
wohl nicht gerade das gehört, worauf Sie rechnen zu dürfen meinten, haben schlecht
geschlafen, sind mit Unbehagen aufgestanden, und nun machen Sie sich aus diesem
einmaligen, ganz persönlichen Erlebnis — echt theoretisch und doktrinär — ein all¬
gemeines, abfälliges Urteil über diese ganze Art von Geselligkeit zurecht, das viel
zu weit geht. Sie sind damit — nehmen Sie es mir nicht übel — auch gegen
Müller und seine Frau, die uns auf ihre Art doch sehr aufmerksam, freundlich und
nicht ohne Opfer bewirtet haben, ungerecht und undankbar. Das ist nicht hübsch
und nicht recht. Das müßten Sie bei ruhiger Nachprüfung selbst zugeben.

Ich will Ihnen etwas sagen, entgegnete er; in zwei Punkten haben Sie recht.
Erstens müssen wir Müllers aus dem Spiel lassen. Die haben es er ihrer Art
gut gemeint, und es wäre ordinär, sich erst von ihnen abfüttern zu lassen und
hinterher über sie zu räsonnieren. Die meisten Gäste bei solchen Festen thun das
zwar ungeniert, aber das fällt mir nicht ein. Zweitens ist es richtig, daß meine
Wut auf unsre falsche Geselligkeit, die ich längst in mir herumtrage, und gegen die
ich mich gestern mit einer forcierten Dosis guten Willens und guter Laune ge¬
wappnet zu haben vermeinte, durch allerhand persönliches Mißgeschick ausgelöst
worden ist. Aber dieses Mißgeschick ist nicht vereinzelt, sondern ist die Regel, und
diese ganze Form der Geselligkeit, die wir bei Müller gestern — sogar unter ver¬
hältnismäßig günstigen äußern Umständen — ausgekostet haben, paßt nicht für Leute
unsers Schlags und unsrer Verhältnisse, weder aktiv noch passiv. Wir müßten uns
entschließen, damit zu brechen, und müßten uns zusammenthun, um diesen Gesell¬
schaftsdummheiten den Krieg zu erklären.

Ja, was ist denn so dumm und falsch daran? fragte ich. Ich wenigstens habe
viel mehr von dieser Gesellschaft gehabt, als ich erwartet hatte, und die andern
Herren sahen doch auch befriedigt und vergnügt genug aus. Sie, Verehrtester,
sind wahrscheinlich der einzige Gast gewesen, der innerlich unwirsch war. Und
da liegt doch die Annahme nahe genug, daß das Ihre und nicht die Schuld der
Geselligkeit war.

Nein, sagte er, diese Berufung auf die andern zieht nicht. Können Sie ihnen
ins Herz sehen? Und so unanständig, sich in dem gastlichen Hause selbst die Ent-


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[0316] Maßgebliches und Unmaßgebliches genötigt ist, mit einem größern Kreise gebildeter Menschen gesellschaftlich zu Ver¬ kehren, anders anfangen? Er hatte mich ruhig angehört und war stehn geblieben. Dann sagte er mit einem Seufzer: Harmlos und kindlich sind Sie, das muß ich sagen. Sie habe» ja Ihre kleine Theorie von gestern förmlich ausgewechselt. Jawohl, erwiderte ich, ich habe sie an der Hand der Erfahrung berichtigt. Finden Sie das denn nicht ganz richtig und vernünftig? Nein, zürnte er ini Weitergehn, nein und abermals nein. Wie kaun man ans Grund einer flüchtigen Stimmung verständige Grundsätze aufgeben und sie in ihr Gegenteil Verkehren? Das ist ja eine ganz — verkehrte Oberflächlichkeit. Ihre gestrigen Monologe gegen die Unnatur unsrer konventionellen Gesellschaften waren vollkommen begründet. Ich bin von meinem Optimismus gründlich kuriert und mache nicht wieder mit. Diese ganze konventionelle Geselligkeit ist Unsinn, und an¬ ständige, freie Leute, wie Sie und ich, sollten sich davon los machen. Das kann nicht Ihr Ernst sein, sagte ich. Ich erkenne Sie ja kaum wieder. Sie sind ja heute ein persönlich voreingenommner, ungerechter Richter. Sie haben gestern bei Müller Ihre Rechnung nicht gefunden, sind dnrch das Zusammentreffen zufälliger, gerade für Sie ungünstiger Umstände einigermaßen enttäuscht gewesen, haben vielleicht von dem sehr gut besetzten Tisch ein wenig zu viel gegessen oder auch von dem feurigen dreiundneunziger Forster Freundstück, der gut schmeckt aber ins Blut geht, ein Glas mehr getrunken, als Ihnen gut war. Sie haben von Ihren Nachbarn, mit denen Sie sich anscheinend sehr angelegentlich unterhielten, wohl nicht gerade das gehört, worauf Sie rechnen zu dürfen meinten, haben schlecht geschlafen, sind mit Unbehagen aufgestanden, und nun machen Sie sich aus diesem einmaligen, ganz persönlichen Erlebnis — echt theoretisch und doktrinär — ein all¬ gemeines, abfälliges Urteil über diese ganze Art von Geselligkeit zurecht, das viel zu weit geht. Sie sind damit — nehmen Sie es mir nicht übel — auch gegen Müller und seine Frau, die uns auf ihre Art doch sehr aufmerksam, freundlich und nicht ohne Opfer bewirtet haben, ungerecht und undankbar. Das ist nicht hübsch und nicht recht. Das müßten Sie bei ruhiger Nachprüfung selbst zugeben. Ich will Ihnen etwas sagen, entgegnete er; in zwei Punkten haben Sie recht. Erstens müssen wir Müllers aus dem Spiel lassen. Die haben es er ihrer Art gut gemeint, und es wäre ordinär, sich erst von ihnen abfüttern zu lassen und hinterher über sie zu räsonnieren. Die meisten Gäste bei solchen Festen thun das zwar ungeniert, aber das fällt mir nicht ein. Zweitens ist es richtig, daß meine Wut auf unsre falsche Geselligkeit, die ich längst in mir herumtrage, und gegen die ich mich gestern mit einer forcierten Dosis guten Willens und guter Laune ge¬ wappnet zu haben vermeinte, durch allerhand persönliches Mißgeschick ausgelöst worden ist. Aber dieses Mißgeschick ist nicht vereinzelt, sondern ist die Regel, und diese ganze Form der Geselligkeit, die wir bei Müller gestern — sogar unter ver¬ hältnismäßig günstigen äußern Umständen — ausgekostet haben, paßt nicht für Leute unsers Schlags und unsrer Verhältnisse, weder aktiv noch passiv. Wir müßten uns entschließen, damit zu brechen, und müßten uns zusammenthun, um diesen Gesell¬ schaftsdummheiten den Krieg zu erklären. Ja, was ist denn so dumm und falsch daran? fragte ich. Ich wenigstens habe viel mehr von dieser Gesellschaft gehabt, als ich erwartet hatte, und die andern Herren sahen doch auch befriedigt und vergnügt genug aus. Sie, Verehrtester, sind wahrscheinlich der einzige Gast gewesen, der innerlich unwirsch war. Und da liegt doch die Annahme nahe genug, daß das Ihre und nicht die Schuld der Geselligkeit war. Nein, sagte er, diese Berufung auf die andern zieht nicht. Können Sie ihnen ins Herz sehen? Und so unanständig, sich in dem gastlichen Hause selbst die Ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/316>, abgerufen am 22.07.2024.