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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die Frau in der venezianischen Malerei

derzufolge um 1460 ein ^oannöt, äiows Aoriionus aus Vedellago als Bürger
^n Castelfranco lebte, für unsre Frage gar nichts bedeutet. Giorgione, vene¬
zianisch Zorzone, ist eine Erweiterung von Georg, wie für unsern Maler sein
Zeitgenosse Castiglione ausdrücklich bezeugt, der ihn Georgio aus Castelfranco
nennt. Ist dem so, so konnte es noch manchen andern großen Georg selbst
in einem einzigen Dorf wie Vedellago geben, und jener Zorzonus braucht nicht
unsers Künstlers Vater zu sein.

Wenig ergiebig sind dem Verfasser Prima Vecchio und Paolo Veronese
gewesen; zuviel Umstände macht er mit Tiepolo und seinen Vorgängern. Es
ist übrigens nicht richtig, daß erst "wir von heute" Tiepolo wieder entdeckt
hätten. Als Makart seine ersten Triumphe feierte und die Reklame ihn einen
zweiten Paolo Veronese nannte, konnte man die verständigem sagen hören:
Der reicht noch nicht um Tiepolo. Das sind nun fünfunddreißig Jahre her!

Aber nun genug des Einzelnen. Schaeffer hat seinen empfänglichen Sinn
und sein schönes Formtalent aus Quellen gespeist, die ungesund sind, und
weil es sich da um ein Prinzip handelt, so habe ich aussprechen wollen, daß,
was Vurkhardt und Springer, Janitschek und Lücke und noch manche andre
über die venezianische Malerei gesagt haben, besser ist als diese ganze fremd¬
ländische Weisheit. Sein Buch hat er Mulder gewidmet, seinem großen lieben
Meister, wie er sagt. Man kann keinem vorschreiben, was er sich nnter dem
Worte groß denken soll, und jeder, der eine Wahnvorstellung hat, wird sich
danach seinen Sprachgebrauch einrichten. Ich würde deswegen darüber kein
Wort verlieren, wäre mir nicht zufällig in den Tagen, als ich Schaeffers
Buch las, eine Nummer der Wiener "Zeit" in die Hand gekommen, worin
sich sein Meister unter der Überschrift "Gurlitt und ich" (warum nicht gleich:
Ich und Gurlitt?) gegen einen Dritten, Adolf Rosenberg, in Ausdrücken ergeht,
wie sie most noch nicht gehört worden sind, wo sich Fachgenossen vor dem
großen Publikum begegneten. Gerade in kunstwissenschaftlicher Kreisen hält
steh die Polemik, soweit ich darauf geachtet habe, immer in anständigen Formen.
-Kosenbergs Verdienste sind so anerkannt, daß keine Schmähung an sie heran-
rercht. Wer aber auf seinem Arbeitsgebiete Vorwürfe hat hinnehmen müssen,
Une der Verfasser des Artikels: Gurlitt und ich, der hat schwerlich Grund,
Reh ein besondres Nenommierpferd zu satteln, um damit andre über den Haufen
Zu A. p. rennen.




Die Frau in der venezianischen Malerei

derzufolge um 1460 ein ^oannöt, äiows Aoriionus aus Vedellago als Bürger
^n Castelfranco lebte, für unsre Frage gar nichts bedeutet. Giorgione, vene¬
zianisch Zorzone, ist eine Erweiterung von Georg, wie für unsern Maler sein
Zeitgenosse Castiglione ausdrücklich bezeugt, der ihn Georgio aus Castelfranco
nennt. Ist dem so, so konnte es noch manchen andern großen Georg selbst
in einem einzigen Dorf wie Vedellago geben, und jener Zorzonus braucht nicht
unsers Künstlers Vater zu sein.

Wenig ergiebig sind dem Verfasser Prima Vecchio und Paolo Veronese
gewesen; zuviel Umstände macht er mit Tiepolo und seinen Vorgängern. Es
ist übrigens nicht richtig, daß erst „wir von heute" Tiepolo wieder entdeckt
hätten. Als Makart seine ersten Triumphe feierte und die Reklame ihn einen
zweiten Paolo Veronese nannte, konnte man die verständigem sagen hören:
Der reicht noch nicht um Tiepolo. Das sind nun fünfunddreißig Jahre her!

Aber nun genug des Einzelnen. Schaeffer hat seinen empfänglichen Sinn
und sein schönes Formtalent aus Quellen gespeist, die ungesund sind, und
weil es sich da um ein Prinzip handelt, so habe ich aussprechen wollen, daß,
was Vurkhardt und Springer, Janitschek und Lücke und noch manche andre
über die venezianische Malerei gesagt haben, besser ist als diese ganze fremd¬
ländische Weisheit. Sein Buch hat er Mulder gewidmet, seinem großen lieben
Meister, wie er sagt. Man kann keinem vorschreiben, was er sich nnter dem
Worte groß denken soll, und jeder, der eine Wahnvorstellung hat, wird sich
danach seinen Sprachgebrauch einrichten. Ich würde deswegen darüber kein
Wort verlieren, wäre mir nicht zufällig in den Tagen, als ich Schaeffers
Buch las, eine Nummer der Wiener „Zeit" in die Hand gekommen, worin
sich sein Meister unter der Überschrift „Gurlitt und ich" (warum nicht gleich:
Ich und Gurlitt?) gegen einen Dritten, Adolf Rosenberg, in Ausdrücken ergeht,
wie sie most noch nicht gehört worden sind, wo sich Fachgenossen vor dem
großen Publikum begegneten. Gerade in kunstwissenschaftlicher Kreisen hält
steh die Polemik, soweit ich darauf geachtet habe, immer in anständigen Formen.
-Kosenbergs Verdienste sind so anerkannt, daß keine Schmähung an sie heran-
rercht. Wer aber auf seinem Arbeitsgebiete Vorwürfe hat hinnehmen müssen,
Une der Verfasser des Artikels: Gurlitt und ich, der hat schwerlich Grund,
Reh ein besondres Nenommierpferd zu satteln, um damit andre über den Haufen
Zu A. p. rennen.




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[0301] Die Frau in der venezianischen Malerei derzufolge um 1460 ein ^oannöt, äiows Aoriionus aus Vedellago als Bürger ^n Castelfranco lebte, für unsre Frage gar nichts bedeutet. Giorgione, vene¬ zianisch Zorzone, ist eine Erweiterung von Georg, wie für unsern Maler sein Zeitgenosse Castiglione ausdrücklich bezeugt, der ihn Georgio aus Castelfranco nennt. Ist dem so, so konnte es noch manchen andern großen Georg selbst in einem einzigen Dorf wie Vedellago geben, und jener Zorzonus braucht nicht unsers Künstlers Vater zu sein. Wenig ergiebig sind dem Verfasser Prima Vecchio und Paolo Veronese gewesen; zuviel Umstände macht er mit Tiepolo und seinen Vorgängern. Es ist übrigens nicht richtig, daß erst „wir von heute" Tiepolo wieder entdeckt hätten. Als Makart seine ersten Triumphe feierte und die Reklame ihn einen zweiten Paolo Veronese nannte, konnte man die verständigem sagen hören: Der reicht noch nicht um Tiepolo. Das sind nun fünfunddreißig Jahre her! Aber nun genug des Einzelnen. Schaeffer hat seinen empfänglichen Sinn und sein schönes Formtalent aus Quellen gespeist, die ungesund sind, und weil es sich da um ein Prinzip handelt, so habe ich aussprechen wollen, daß, was Vurkhardt und Springer, Janitschek und Lücke und noch manche andre über die venezianische Malerei gesagt haben, besser ist als diese ganze fremd¬ ländische Weisheit. Sein Buch hat er Mulder gewidmet, seinem großen lieben Meister, wie er sagt. Man kann keinem vorschreiben, was er sich nnter dem Worte groß denken soll, und jeder, der eine Wahnvorstellung hat, wird sich danach seinen Sprachgebrauch einrichten. Ich würde deswegen darüber kein Wort verlieren, wäre mir nicht zufällig in den Tagen, als ich Schaeffers Buch las, eine Nummer der Wiener „Zeit" in die Hand gekommen, worin sich sein Meister unter der Überschrift „Gurlitt und ich" (warum nicht gleich: Ich und Gurlitt?) gegen einen Dritten, Adolf Rosenberg, in Ausdrücken ergeht, wie sie most noch nicht gehört worden sind, wo sich Fachgenossen vor dem großen Publikum begegneten. Gerade in kunstwissenschaftlicher Kreisen hält steh die Polemik, soweit ich darauf geachtet habe, immer in anständigen Formen. -Kosenbergs Verdienste sind so anerkannt, daß keine Schmähung an sie heran- rercht. Wer aber auf seinem Arbeitsgebiete Vorwürfe hat hinnehmen müssen, Une der Verfasser des Artikels: Gurlitt und ich, der hat schwerlich Grund, Reh ein besondres Nenommierpferd zu satteln, um damit andre über den Haufen Zu A. p. rennen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/301>, abgerufen am 01.07.2024.