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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Militärische Randglossen zum Burenkriege

9, Dezember: Gatacre und French sind zurückgehalten worden, damit sie
später Methuen beim Vormarsch auf Bloemfontein gerade zur rechten Zeit
die Hand reichen; es hat nicht den Anschein, als ob im Norden der Kapkolonie
nennenswerte Streitkräfte der Buren stünden. Wir erwarten in kürzester Frist
von der Vereinigung der mittlern Kolonnen bei Springfontein, auf dem Boden
des Freistaats, zu hören. -- Bisher haben der Heroismus und der Schwung
unsrer Soldaten im Verein mit der tüchtigen Führung (ZaUlmt log-äinss) durch
unsre Offiziere den Feind aus einer Stellung nach der andern gejagt, wenn
auch unter verhältnismäßig starken Verlusten. Die Schlacht am Modderfluß
zeigt wieder einmal die Tapferkeit unsrer Truppen und beweist, daß die Buren
ebenso wenig Neigung haben, unserm Artillerie- und Gewehrfeuer, wie unserm
Bajonett stand zu halten. Es ist wahr, daß sie beweglich sind, aber sie haben
ihre Beweglichkeit bisher nur zu Retiraden ausgenutzt. -- Der Druck unsrer
westlichen Kolonnen macht sich schon fühlbar, und es heißt, daß der um Pre¬
toria besorgte Präsident Krüger den Rückzug seiner Leute von Ladysmith
wünscht. Ein solcher Rückzug ist jetzt, im Angesicht der Streitmittel Butters,
ohne schwere Verluste nicht mehr ausführbar, obgleich es ja dem General
Joubert durch einen zeitigen Abzug noch gelingen mag, der Katastrophe zu
entgehn, die schwer über ihn hereinbricht, wenn er die Einschließung so lange
aufrecht erhalt, bis unsre vereinigten Kolonnen gegen ihn operieren.

Doch genug von den Stilblüten dieses seltsamen Kriegslehrers. Es läßt
keinen günstigen Schluß auf die militärische Bildungsstufe des englischen Offi¬
zierkorps zu, daß er sich in einer angesehenen Zeitschrift breit machen darf.

Hand in Hand mit einer solchen kindlich eiteln und selbstgefälligen Ver-
kennung der Lage geht natürlich eine andauernde Unterschätzung und Ver¬
unglimpfung des Gegners. Wie die ^. a. <A. unter dem 25. November
triumphierend urbi se orbi verkündet, ist "der Mythus, daß die Buren gute
Schützen seien, jetzt endgiltig zerstört." Und die Ausländer ans feiten der
Buren? Nach demselben Blatt hat das deutsche Korps beim Auszuge aus
Pretoria einen so erbärmlichen Eindruck gemacht, daß ein Augenzeuge -- sicher
doch ein Engländer! -- zu seinem Nachbar -- ebenso sicher ein Engländer! --
äußerte: "Wenn Tommy euch sähe, würde er sich schämen, mit solchen Kerlen
zu kämpfen."")

Ganz besonders amüsant erscheint uns, was die drei genannten englischen
Militärzeitschriften am 9. Dezember schrieben, denn gleich hinterher erfolgte
der völlige Zusammenbruch der englischen Hoffnungen bei Stormberg, Magers-
fontein und Colenso. Es war also am Vorabend dieser schweren englischen
Niederlagen zu lesen:

II. L. 6.: Mr. Powell Williams, N. ?., Finanzsekretär im Kriegs¬
ministerium (also ein hoher Beamter) hielt eine Rede über den Ernst des



*) ^Vn^ it loirun^ 8S68 z?on, Ils pill do ÄStiWisä to Lixlit suol ttünAL. Dieses Wort
ist mit "Kerle" noch viel zu gelinde übersetzt; Tommy ist ein Scherzname für den englischen
Soldaten.
Militärische Randglossen zum Burenkriege

9, Dezember: Gatacre und French sind zurückgehalten worden, damit sie
später Methuen beim Vormarsch auf Bloemfontein gerade zur rechten Zeit
die Hand reichen; es hat nicht den Anschein, als ob im Norden der Kapkolonie
nennenswerte Streitkräfte der Buren stünden. Wir erwarten in kürzester Frist
von der Vereinigung der mittlern Kolonnen bei Springfontein, auf dem Boden
des Freistaats, zu hören. — Bisher haben der Heroismus und der Schwung
unsrer Soldaten im Verein mit der tüchtigen Führung (ZaUlmt log-äinss) durch
unsre Offiziere den Feind aus einer Stellung nach der andern gejagt, wenn
auch unter verhältnismäßig starken Verlusten. Die Schlacht am Modderfluß
zeigt wieder einmal die Tapferkeit unsrer Truppen und beweist, daß die Buren
ebenso wenig Neigung haben, unserm Artillerie- und Gewehrfeuer, wie unserm
Bajonett stand zu halten. Es ist wahr, daß sie beweglich sind, aber sie haben
ihre Beweglichkeit bisher nur zu Retiraden ausgenutzt. — Der Druck unsrer
westlichen Kolonnen macht sich schon fühlbar, und es heißt, daß der um Pre¬
toria besorgte Präsident Krüger den Rückzug seiner Leute von Ladysmith
wünscht. Ein solcher Rückzug ist jetzt, im Angesicht der Streitmittel Butters,
ohne schwere Verluste nicht mehr ausführbar, obgleich es ja dem General
Joubert durch einen zeitigen Abzug noch gelingen mag, der Katastrophe zu
entgehn, die schwer über ihn hereinbricht, wenn er die Einschließung so lange
aufrecht erhalt, bis unsre vereinigten Kolonnen gegen ihn operieren.

Doch genug von den Stilblüten dieses seltsamen Kriegslehrers. Es läßt
keinen günstigen Schluß auf die militärische Bildungsstufe des englischen Offi¬
zierkorps zu, daß er sich in einer angesehenen Zeitschrift breit machen darf.

Hand in Hand mit einer solchen kindlich eiteln und selbstgefälligen Ver-
kennung der Lage geht natürlich eine andauernde Unterschätzung und Ver¬
unglimpfung des Gegners. Wie die ^. a. <A. unter dem 25. November
triumphierend urbi se orbi verkündet, ist „der Mythus, daß die Buren gute
Schützen seien, jetzt endgiltig zerstört." Und die Ausländer ans feiten der
Buren? Nach demselben Blatt hat das deutsche Korps beim Auszuge aus
Pretoria einen so erbärmlichen Eindruck gemacht, daß ein Augenzeuge — sicher
doch ein Engländer! — zu seinem Nachbar — ebenso sicher ein Engländer! —
äußerte: „Wenn Tommy euch sähe, würde er sich schämen, mit solchen Kerlen
zu kämpfen."")

Ganz besonders amüsant erscheint uns, was die drei genannten englischen
Militärzeitschriften am 9. Dezember schrieben, denn gleich hinterher erfolgte
der völlige Zusammenbruch der englischen Hoffnungen bei Stormberg, Magers-
fontein und Colenso. Es war also am Vorabend dieser schweren englischen
Niederlagen zu lesen:

II. L. 6.: Mr. Powell Williams, N. ?., Finanzsekretär im Kriegs¬
ministerium (also ein hoher Beamter) hielt eine Rede über den Ernst des



*) ^Vn^ it loirun^ 8S68 z?on, Ils pill do ÄStiWisä to Lixlit suol ttünAL. Dieses Wort
ist mit „Kerle" noch viel zu gelinde übersetzt; Tommy ist ein Scherzname für den englischen
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[0292] Militärische Randglossen zum Burenkriege 9, Dezember: Gatacre und French sind zurückgehalten worden, damit sie später Methuen beim Vormarsch auf Bloemfontein gerade zur rechten Zeit die Hand reichen; es hat nicht den Anschein, als ob im Norden der Kapkolonie nennenswerte Streitkräfte der Buren stünden. Wir erwarten in kürzester Frist von der Vereinigung der mittlern Kolonnen bei Springfontein, auf dem Boden des Freistaats, zu hören. — Bisher haben der Heroismus und der Schwung unsrer Soldaten im Verein mit der tüchtigen Führung (ZaUlmt log-äinss) durch unsre Offiziere den Feind aus einer Stellung nach der andern gejagt, wenn auch unter verhältnismäßig starken Verlusten. Die Schlacht am Modderfluß zeigt wieder einmal die Tapferkeit unsrer Truppen und beweist, daß die Buren ebenso wenig Neigung haben, unserm Artillerie- und Gewehrfeuer, wie unserm Bajonett stand zu halten. Es ist wahr, daß sie beweglich sind, aber sie haben ihre Beweglichkeit bisher nur zu Retiraden ausgenutzt. — Der Druck unsrer westlichen Kolonnen macht sich schon fühlbar, und es heißt, daß der um Pre¬ toria besorgte Präsident Krüger den Rückzug seiner Leute von Ladysmith wünscht. Ein solcher Rückzug ist jetzt, im Angesicht der Streitmittel Butters, ohne schwere Verluste nicht mehr ausführbar, obgleich es ja dem General Joubert durch einen zeitigen Abzug noch gelingen mag, der Katastrophe zu entgehn, die schwer über ihn hereinbricht, wenn er die Einschließung so lange aufrecht erhalt, bis unsre vereinigten Kolonnen gegen ihn operieren. Doch genug von den Stilblüten dieses seltsamen Kriegslehrers. Es läßt keinen günstigen Schluß auf die militärische Bildungsstufe des englischen Offi¬ zierkorps zu, daß er sich in einer angesehenen Zeitschrift breit machen darf. Hand in Hand mit einer solchen kindlich eiteln und selbstgefälligen Ver- kennung der Lage geht natürlich eine andauernde Unterschätzung und Ver¬ unglimpfung des Gegners. Wie die ^. a. <A. unter dem 25. November triumphierend urbi se orbi verkündet, ist „der Mythus, daß die Buren gute Schützen seien, jetzt endgiltig zerstört." Und die Ausländer ans feiten der Buren? Nach demselben Blatt hat das deutsche Korps beim Auszuge aus Pretoria einen so erbärmlichen Eindruck gemacht, daß ein Augenzeuge — sicher doch ein Engländer! — zu seinem Nachbar — ebenso sicher ein Engländer! — äußerte: „Wenn Tommy euch sähe, würde er sich schämen, mit solchen Kerlen zu kämpfen."") Ganz besonders amüsant erscheint uns, was die drei genannten englischen Militärzeitschriften am 9. Dezember schrieben, denn gleich hinterher erfolgte der völlige Zusammenbruch der englischen Hoffnungen bei Stormberg, Magers- fontein und Colenso. Es war also am Vorabend dieser schweren englischen Niederlagen zu lesen: II. L. 6.: Mr. Powell Williams, N. ?., Finanzsekretär im Kriegs¬ ministerium (also ein hoher Beamter) hielt eine Rede über den Ernst des *) ^Vn^ it loirun^ 8S68 z?on, Ils pill do ÄStiWisä to Lixlit suol ttünAL. Dieses Wort ist mit „Kerle" noch viel zu gelinde übersetzt; Tommy ist ein Scherzname für den englischen Soldaten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/292>, abgerufen am 23.07.2024.