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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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lvohin gehen wir?

machen uns damit vor uns selbst und andern längst lächerlich. Vom
Stallknecht auf dem Rennplatz bis zum Hofmarschall putzt sich heute alles
englisch auf, wie vor zweihundert Jahren alles französisch wurde. Wenn die
Engländer, die uns nachsagen, wir haßten sie, nach Berlin oder Köln kämen,
könnten sie sich überzeugen, mit welcher Selbstzufriedenheit man in Sprache,
Kleidung, schlechten Manieren, in dem plötzlich erwachten Trieb nach körperlichen
Übungen, in der Vorliebe für englische Litteratur seine Verehrung des Englischen
und seine Mißachtung des Eignen zur Schau trägt. Bengel. die noch nie eine
Zeile englisch gelesen haben, verstehn auf dem ..Lawn Tennis"-Platz schon alles
englisch vorzutragen, was zu dem Spiel gehört, sogar die Zahlen kennen sie.
Und in den höchsten Kreisen der Gesellschaft ist die englische Sprache, die in
Klang und Bau an Stelle ästhetischer und systematischer Ordnung die Tendenz
hat. ihren praktischen Zweck mit möglichst geringem Aufwande von Zungen-
und Lippenarbeit zu erreichen, bald ebenso gebräuchlich, wie es vordem die
eleganteste, die französische war. Lange schon kann man den Niedergang der
feinen gesellschaftlichen Formen beobachten, der die romanischen Volker und
besonders die Franzosen der alten gesellschaftlichen Schule auszeichnete! Aber
doch ist bei den Romanen noch wirkliche Höflichkeit zu finden, und ^konnten
in Frankreich etwas davon lernen, wenn uns Frankreich nicht leider die Gast¬
freundschaft gekündigt hätte. Aber was sollen wir hierin von dem Engländer
lernen? Der Engländer hält im allgemeinen von der Höflichkeit wenig, denn
sie hat ja eigentlich keinen praktischen Zweck, sie bringt nichts Münzbares ein:
wie in der Sprache, so berechnet er instinktiv auch im Verkehr lebe Äußerung
und findet, daß es eine Verschwendung wäre, sich zu erheben, oder eme Ver¬
beugung zu machen, oder sonst von seiner MuskelMtanz etwas zu veraus¬
gaben ohne bessern Zweck, als um einem andern Menschen ge alKg zu se n.
Er zahlt lieber Geld und hält das für die einzig vernnnf Kge Ar wu H -
Achten. Natwr cet kack ist alles. Und diese vergröberte, schwere klotzige Art
wponiert uns. diese kalte, passive Höflichkeit scheint uns vornehmer zu sem
als die Zuvorkommenheit des Franzosen. Ja. bequemer! D"v :se sie. de n
man braucht dazu weit weniger Selbstzucht und besonder weit ^eng^Gu .
als es die Art des Romanen verlangt. Aber zur tour en Vo^sind"
Höflichkeit, Feinheit des Umgangs eher von ^em ?a ^einem arabischen Schneider, von einem spanischen Eseltreiber l rnen als vo
einem englischen Gek sack. Das Geld, das versöhnt uns. da zwingt uns en
Besitzer zu bewundern Und doch hätten wir allen Grund, uus ^ erinnern, da
wir bisher noch keinen passenden deutschen Namen für den englischen Typu.
haben, der am meisten Anspruch auf unsre MMg verdient ich in^vornehmen englischen Gentleman. Bei uus. "ud esouders in Norddeuts^langte der Main in der obern Gesellschaft Ansehen mehr durch auße e
militärische oder zivilistische Attnbute. als durch innere Werte. ^ dem es
bin das" lag versteckt a t immer ein Geheimrat. em Mazor. em P ofessor^ohne den man sich einen Gentleman schwer denken konnte. Nun haben sich


lvohin gehen wir?

machen uns damit vor uns selbst und andern längst lächerlich. Vom
Stallknecht auf dem Rennplatz bis zum Hofmarschall putzt sich heute alles
englisch auf, wie vor zweihundert Jahren alles französisch wurde. Wenn die
Engländer, die uns nachsagen, wir haßten sie, nach Berlin oder Köln kämen,
könnten sie sich überzeugen, mit welcher Selbstzufriedenheit man in Sprache,
Kleidung, schlechten Manieren, in dem plötzlich erwachten Trieb nach körperlichen
Übungen, in der Vorliebe für englische Litteratur seine Verehrung des Englischen
und seine Mißachtung des Eignen zur Schau trägt. Bengel. die noch nie eine
Zeile englisch gelesen haben, verstehn auf dem ..Lawn Tennis"-Platz schon alles
englisch vorzutragen, was zu dem Spiel gehört, sogar die Zahlen kennen sie.
Und in den höchsten Kreisen der Gesellschaft ist die englische Sprache, die in
Klang und Bau an Stelle ästhetischer und systematischer Ordnung die Tendenz
hat. ihren praktischen Zweck mit möglichst geringem Aufwande von Zungen-
und Lippenarbeit zu erreichen, bald ebenso gebräuchlich, wie es vordem die
eleganteste, die französische war. Lange schon kann man den Niedergang der
feinen gesellschaftlichen Formen beobachten, der die romanischen Volker und
besonders die Franzosen der alten gesellschaftlichen Schule auszeichnete! Aber
doch ist bei den Romanen noch wirkliche Höflichkeit zu finden, und ^konnten
in Frankreich etwas davon lernen, wenn uns Frankreich nicht leider die Gast¬
freundschaft gekündigt hätte. Aber was sollen wir hierin von dem Engländer
lernen? Der Engländer hält im allgemeinen von der Höflichkeit wenig, denn
sie hat ja eigentlich keinen praktischen Zweck, sie bringt nichts Münzbares ein:
wie in der Sprache, so berechnet er instinktiv auch im Verkehr lebe Äußerung
und findet, daß es eine Verschwendung wäre, sich zu erheben, oder eme Ver¬
beugung zu machen, oder sonst von seiner MuskelMtanz etwas zu veraus¬
gaben ohne bessern Zweck, als um einem andern Menschen ge alKg zu se n.
Er zahlt lieber Geld und hält das für die einzig vernnnf Kge Ar wu H -
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man braucht dazu weit weniger Selbstzucht und besonder weit ^eng^Gu .
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wir bisher noch keinen passenden deutschen Namen für den englischen Typu.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/231>, abgerufen am 03.07.2024.