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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vorliegen, und keine "gewerbsmäßige" Verwendung des Hausgeschlachteteil Fleisches
geschieht. So wichtig an sich die Frage sein mag, ob nicht auch für die Haus-
schlnchtungen allgemein eine amtliche Untersuchung vorgeschrieben werden sollte, so
ist, wie es scheint, nicht zu befürchten, daß der Gesetzentwurf an der Ablehnung
dieses Punktes der Regierungsfassung scheitern könnte. Der eigentliche easus bslli
liegt in den Bestimmungen über die Behandlung des aus dem Auslande ein¬
geführten Fleisches.

Der Gesetzentwurf bestimmt darüber in den ßH 14 bis 16 in der Hauptsache
folgendes:

Fleisch, das in das Zollinland eingeführt wird, unterliegt bei der Einfuhr einer amtlichen
Untersuchung unter Mitwirkung der Zollbehörden. Der Bundesrat ordnet an, inwieweit das
Fleisch nur in zusammenhängenden Tierkörpern, Tierteilen oder in Stücken von bestimmter
Größe und in natürlichem Zusammenhangs mit innern Organen eingeführt werden darf. . . .
Die Untersuchung hat sich bei Schweinefleisch auch auf Trichinen zu erstrecken.... Der Bundesrat
ist ermächtigt: 1. die Einfuhr von Fleisch, dessen Unschädlichkeit sür die menschliche Gesundheit
in zuverlässiger Weise bei der Einfuhr nicht mehr festgestellt werden kann, zu verbieten; 2. zu
bestimmen, daß bei der Einfuhr von Fleisch, das nach der Art seiner Gewinnung und Zu¬
bereitung erhebliche Gefahren für die menschliche Gesundheit erfahrungsgemäß nicht bietet, die
Untersuchung unterbleiben oder eingeschränkt werden darf.

Wie der Reichskanzler schon vor längerer Zeit in der bestimmtesten Form er¬
klärt hatte, ist es selbstverständlich der Regierung nicht in den Sinn gekommen,
das ausländische Fleisch irgendwie milder behandeln zu wollen als das inländische.
Aber ebenso selbstverständlich mußte es ihr fern liegen, den hier allein in Betracht
kommenden hygienischen und Veterinär-polizeilichen Zweck des Gesetzes durch die
völlige Aussperrung des im Ausland geschlachteten Fleisches erreichen zu wollen.
Die deutsche Viehzucht ist nun einmal nicht, oder noch nicht imstande, dem Bedürfnis
des deutschen Volks nach Fleischnahrung zu genügen, und zwar zu angemessenen,
für die weniger Bemittelten erschwinglichen Preisen. Einer Erleichterung der Ein¬
fuhr von lebendem Vieh aus dem Auslande, wodurch vielleicht einer Fleischnot
vorgebeugt werden könnte, steht die Verseuchungsgefahr, wie die Agrarier selbst
behaupten, immer noch im Wege. Das Verbot der Einfuhr von fremdem Fleisch,
wie es die Reichstagsmehrheit herbeiführen möchte, wäre eine Kur nach Doktor
Eisenbart und im Prinzip fast ebenso sinnreich, als wenn die Regierung, um das
deutsche Volk vor dem Genuß schädlichen Fleisches zu bewahren, das Schlachten von
Vieh auch im Inlands, d. h. die Fleischnahrung überhaupt, verbieten wollte.

Außerdem verstand es sich von selbst, daß die deutsche Reichsgesetzgebung nicht
Vorschriften über die amtliche Untersuchung des für den Export nach Deutschland
im Auslande zu schlachtenden Viehs vor der Schlachtung erlassen, sondern immer
nur die Untersuchung nach der Schlachtung, d. h. des importierten Fleisches an¬
ordnen und regeln konnte. In der Würdigung dieser Grenze der deutschen Gesetz¬
gebung will der Regierungsentwurf dem Bundesrat das Recht vorbehalten, je nach
der Zuverlässigkeit der Fleischbeschau im Herkunftslande und nach andern Umständen
besondre Anordnungen zu treffen, um die dem Zweck des Gesetzes entsprechende
Wirkung der Nachuntersuchung zu sichern, in gewissen Fällen auch die Fleischeinfuhr
ganz verbieten zu können. Andrerseits sollte der Bundesrat aber auch die Befugnis
haben, importierte Fleischwaren, deren Zubereitungsart -- z, B. durch Abkochen
bei hohen Hitzegraden -- die Gesundheitsschädlichkeit unwahrscheinlich macht, milder
zu behandeln. Es soll ja nach dem Entwurf (§ 11) auch im Inlande geschlachtetes
an sich untaugliches -- sogenanntes "bedingt taugliches" -- Fleisch nach An¬
wendung derartiger Zubereitungsmethoden zur Verwendung als Nahrungsmittel
zugelassen werden. So mancherlei Kritik auch sonst an dem Entwurf und seiner
Begründung zu üben sein mag, von einer Bevorzugung des ausländischen Fleisches
durch ihn zum Nachteil der inländischen Viehzucht kann auf keinen Fall die Rede


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Vorliegen, und keine „gewerbsmäßige" Verwendung des Hausgeschlachteteil Fleisches
geschieht. So wichtig an sich die Frage sein mag, ob nicht auch für die Haus-
schlnchtungen allgemein eine amtliche Untersuchung vorgeschrieben werden sollte, so
ist, wie es scheint, nicht zu befürchten, daß der Gesetzentwurf an der Ablehnung
dieses Punktes der Regierungsfassung scheitern könnte. Der eigentliche easus bslli
liegt in den Bestimmungen über die Behandlung des aus dem Auslande ein¬
geführten Fleisches.

Der Gesetzentwurf bestimmt darüber in den ßH 14 bis 16 in der Hauptsache
folgendes:

Fleisch, das in das Zollinland eingeführt wird, unterliegt bei der Einfuhr einer amtlichen
Untersuchung unter Mitwirkung der Zollbehörden. Der Bundesrat ordnet an, inwieweit das
Fleisch nur in zusammenhängenden Tierkörpern, Tierteilen oder in Stücken von bestimmter
Größe und in natürlichem Zusammenhangs mit innern Organen eingeführt werden darf. . . .
Die Untersuchung hat sich bei Schweinefleisch auch auf Trichinen zu erstrecken.... Der Bundesrat
ist ermächtigt: 1. die Einfuhr von Fleisch, dessen Unschädlichkeit sür die menschliche Gesundheit
in zuverlässiger Weise bei der Einfuhr nicht mehr festgestellt werden kann, zu verbieten; 2. zu
bestimmen, daß bei der Einfuhr von Fleisch, das nach der Art seiner Gewinnung und Zu¬
bereitung erhebliche Gefahren für die menschliche Gesundheit erfahrungsgemäß nicht bietet, die
Untersuchung unterbleiben oder eingeschränkt werden darf.

Wie der Reichskanzler schon vor längerer Zeit in der bestimmtesten Form er¬
klärt hatte, ist es selbstverständlich der Regierung nicht in den Sinn gekommen,
das ausländische Fleisch irgendwie milder behandeln zu wollen als das inländische.
Aber ebenso selbstverständlich mußte es ihr fern liegen, den hier allein in Betracht
kommenden hygienischen und Veterinär-polizeilichen Zweck des Gesetzes durch die
völlige Aussperrung des im Ausland geschlachteten Fleisches erreichen zu wollen.
Die deutsche Viehzucht ist nun einmal nicht, oder noch nicht imstande, dem Bedürfnis
des deutschen Volks nach Fleischnahrung zu genügen, und zwar zu angemessenen,
für die weniger Bemittelten erschwinglichen Preisen. Einer Erleichterung der Ein¬
fuhr von lebendem Vieh aus dem Auslande, wodurch vielleicht einer Fleischnot
vorgebeugt werden könnte, steht die Verseuchungsgefahr, wie die Agrarier selbst
behaupten, immer noch im Wege. Das Verbot der Einfuhr von fremdem Fleisch,
wie es die Reichstagsmehrheit herbeiführen möchte, wäre eine Kur nach Doktor
Eisenbart und im Prinzip fast ebenso sinnreich, als wenn die Regierung, um das
deutsche Volk vor dem Genuß schädlichen Fleisches zu bewahren, das Schlachten von
Vieh auch im Inlands, d. h. die Fleischnahrung überhaupt, verbieten wollte.

Außerdem verstand es sich von selbst, daß die deutsche Reichsgesetzgebung nicht
Vorschriften über die amtliche Untersuchung des für den Export nach Deutschland
im Auslande zu schlachtenden Viehs vor der Schlachtung erlassen, sondern immer
nur die Untersuchung nach der Schlachtung, d. h. des importierten Fleisches an¬
ordnen und regeln konnte. In der Würdigung dieser Grenze der deutschen Gesetz¬
gebung will der Regierungsentwurf dem Bundesrat das Recht vorbehalten, je nach
der Zuverlässigkeit der Fleischbeschau im Herkunftslande und nach andern Umständen
besondre Anordnungen zu treffen, um die dem Zweck des Gesetzes entsprechende
Wirkung der Nachuntersuchung zu sichern, in gewissen Fällen auch die Fleischeinfuhr
ganz verbieten zu können. Andrerseits sollte der Bundesrat aber auch die Befugnis
haben, importierte Fleischwaren, deren Zubereitungsart — z, B. durch Abkochen
bei hohen Hitzegraden — die Gesundheitsschädlichkeit unwahrscheinlich macht, milder
zu behandeln. Es soll ja nach dem Entwurf (§ 11) auch im Inlande geschlachtetes
an sich untaugliches — sogenanntes „bedingt taugliches" — Fleisch nach An¬
wendung derartiger Zubereitungsmethoden zur Verwendung als Nahrungsmittel
zugelassen werden. So mancherlei Kritik auch sonst an dem Entwurf und seiner
Begründung zu üben sein mag, von einer Bevorzugung des ausländischen Fleisches
durch ihn zum Nachteil der inländischen Viehzucht kann auf keinen Fall die Rede


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[0214] Maßgebliches und Unmaßgebliches Vorliegen, und keine „gewerbsmäßige" Verwendung des Hausgeschlachteteil Fleisches geschieht. So wichtig an sich die Frage sein mag, ob nicht auch für die Haus- schlnchtungen allgemein eine amtliche Untersuchung vorgeschrieben werden sollte, so ist, wie es scheint, nicht zu befürchten, daß der Gesetzentwurf an der Ablehnung dieses Punktes der Regierungsfassung scheitern könnte. Der eigentliche easus bslli liegt in den Bestimmungen über die Behandlung des aus dem Auslande ein¬ geführten Fleisches. Der Gesetzentwurf bestimmt darüber in den ßH 14 bis 16 in der Hauptsache folgendes: Fleisch, das in das Zollinland eingeführt wird, unterliegt bei der Einfuhr einer amtlichen Untersuchung unter Mitwirkung der Zollbehörden. Der Bundesrat ordnet an, inwieweit das Fleisch nur in zusammenhängenden Tierkörpern, Tierteilen oder in Stücken von bestimmter Größe und in natürlichem Zusammenhangs mit innern Organen eingeführt werden darf. . . . Die Untersuchung hat sich bei Schweinefleisch auch auf Trichinen zu erstrecken.... Der Bundesrat ist ermächtigt: 1. die Einfuhr von Fleisch, dessen Unschädlichkeit sür die menschliche Gesundheit in zuverlässiger Weise bei der Einfuhr nicht mehr festgestellt werden kann, zu verbieten; 2. zu bestimmen, daß bei der Einfuhr von Fleisch, das nach der Art seiner Gewinnung und Zu¬ bereitung erhebliche Gefahren für die menschliche Gesundheit erfahrungsgemäß nicht bietet, die Untersuchung unterbleiben oder eingeschränkt werden darf. Wie der Reichskanzler schon vor längerer Zeit in der bestimmtesten Form er¬ klärt hatte, ist es selbstverständlich der Regierung nicht in den Sinn gekommen, das ausländische Fleisch irgendwie milder behandeln zu wollen als das inländische. Aber ebenso selbstverständlich mußte es ihr fern liegen, den hier allein in Betracht kommenden hygienischen und Veterinär-polizeilichen Zweck des Gesetzes durch die völlige Aussperrung des im Ausland geschlachteten Fleisches erreichen zu wollen. Die deutsche Viehzucht ist nun einmal nicht, oder noch nicht imstande, dem Bedürfnis des deutschen Volks nach Fleischnahrung zu genügen, und zwar zu angemessenen, für die weniger Bemittelten erschwinglichen Preisen. Einer Erleichterung der Ein¬ fuhr von lebendem Vieh aus dem Auslande, wodurch vielleicht einer Fleischnot vorgebeugt werden könnte, steht die Verseuchungsgefahr, wie die Agrarier selbst behaupten, immer noch im Wege. Das Verbot der Einfuhr von fremdem Fleisch, wie es die Reichstagsmehrheit herbeiführen möchte, wäre eine Kur nach Doktor Eisenbart und im Prinzip fast ebenso sinnreich, als wenn die Regierung, um das deutsche Volk vor dem Genuß schädlichen Fleisches zu bewahren, das Schlachten von Vieh auch im Inlands, d. h. die Fleischnahrung überhaupt, verbieten wollte. Außerdem verstand es sich von selbst, daß die deutsche Reichsgesetzgebung nicht Vorschriften über die amtliche Untersuchung des für den Export nach Deutschland im Auslande zu schlachtenden Viehs vor der Schlachtung erlassen, sondern immer nur die Untersuchung nach der Schlachtung, d. h. des importierten Fleisches an¬ ordnen und regeln konnte. In der Würdigung dieser Grenze der deutschen Gesetz¬ gebung will der Regierungsentwurf dem Bundesrat das Recht vorbehalten, je nach der Zuverlässigkeit der Fleischbeschau im Herkunftslande und nach andern Umständen besondre Anordnungen zu treffen, um die dem Zweck des Gesetzes entsprechende Wirkung der Nachuntersuchung zu sichern, in gewissen Fällen auch die Fleischeinfuhr ganz verbieten zu können. Andrerseits sollte der Bundesrat aber auch die Befugnis haben, importierte Fleischwaren, deren Zubereitungsart — z, B. durch Abkochen bei hohen Hitzegraden — die Gesundheitsschädlichkeit unwahrscheinlich macht, milder zu behandeln. Es soll ja nach dem Entwurf (§ 11) auch im Inlande geschlachtetes an sich untaugliches — sogenanntes „bedingt taugliches" — Fleisch nach An¬ wendung derartiger Zubereitungsmethoden zur Verwendung als Nahrungsmittel zugelassen werden. So mancherlei Kritik auch sonst an dem Entwurf und seiner Begründung zu üben sein mag, von einer Bevorzugung des ausländischen Fleisches durch ihn zum Nachteil der inländischen Viehzucht kann auf keinen Fall die Rede

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/214>, abgerufen am 01.07.2024.