Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Auf Sizilien von hellblauen, feingezcichneten Berglinien begrenzt; im Osten erschien als In tiefem Blau leuchtete das Ionische Meer unter der hellen Nachmittags¬ Ein weites Panorama eröffnete sich dort oben am nächsten Morgen, am Auf Sizilien von hellblauen, feingezcichneten Berglinien begrenzt; im Osten erschien als In tiefem Blau leuchtete das Ionische Meer unter der hellen Nachmittags¬ Ein weites Panorama eröffnete sich dort oben am nächsten Morgen, am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0205" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290616"/> <fw type="header" place="top"> Auf Sizilien</fw><lb/> <p xml:id="ID_845" prev="#ID_844"> von hellblauen, feingezcichneten Berglinien begrenzt; im Osten erschien als<lb/> dunkelblauer Streifen das Ionische Meer. Bei Bicocca, kurz vor Catania, wo<lb/> mau nach Syrakus umsteigt, wendet sich die dorthin, also südwärts führende<lb/> Linie zunächst wieder vom Meere weg und mehr ins Land hinein und erreicht<lb/> an einem kleinen, sumpfigen See, dem größten Siziliens, vorüber Lentini,<lb/> das antike Leontinoi, das terrassenförmig an einem Berghange liegt; dann<lb/> tritt sie wieder dicht an die hier flache Küste heran.</p><lb/> <p xml:id="ID_846"> In tiefem Blau leuchtete das Ionische Meer unter der hellen Nachmittags¬<lb/> sonne, ans langgestreckter Halbinsel drüben am herrlich geschwuugueu Meer¬<lb/> busen von Megara lag in blendenden, Sonnenschein weißglänzend Augusta,<lb/> eine Gründung Kaiser Friedrichs II. und jetzt noch befestigt; längs des<lb/> Strandes dehnten sich die Salinen ans, flache, durch schmale Dämme ge¬<lb/> trennte Meeresbecken, in denen das Salz durch Verdunstung gewonnen wird;<lb/> die unter hellen Ziegeldächern regelmüßig aufgeschütteten Haufen schimmerten<lb/> wie frischgefalluer Schnee. Bald kamen langgestreckte Höhenzüge in Sicht;<lb/> an einem einförmigen, mauerartigen, felsgraueu, kahlen AbHange hin, dann<lb/> durch einen tiefen Einschnitt mit senkrechten Wänden flog der Zug und hielt<lb/> endlich gegen Uhr nachmittags in einem kleinen Bahnhofe. Der Ruf der<lb/> Schaffner: Siraeusa! kündigte mir an, daß ich das südlichste Ziel meiner Reise<lb/> erreicht hatte. In dem Menschengedränge auf dem Bahnsteig rief mir ein<lb/> Knabe: Villa Politi! entgegen, und da ich diesen Gasthof gewühlt hatte, ver¬<lb/> traute ich mich ihm an. Wenige Minuten später führte mich eine elegante<lb/> Droschke inmitten aufwirbelnden Stands eine rasch ansteigende Straße auf¬<lb/> wärts; ich sah links kahle Felsboden, rechts blaue Wasserflüchen, ragende<lb/> Masten und eine terrassenförmig aufsteigende Häusermasse und war in einer<lb/> Viertelstunde an der Villa Politi hoch oben auf dem Felsplateau der Achra¬<lb/> dina, eine halbe Stunde von der Jnselstadt entfernt. Wieder ging mir ein<lb/> Jugendtraum in Erfüllung; von meinem Fenster aus sah ich wirklich jetzt<lb/> „schimmern in Abendroth Strahlen von ferne die Zinnen von Syrakus."</p><lb/> <p xml:id="ID_847" next="#ID_848"> Ein weites Panorama eröffnete sich dort oben am nächsten Morgen, am<lb/> schönsten vom Altan des Hauses aus. Links nach Osten hin liegt tief unter<lb/> dem alten Kapuzinerkloster, das jetzt städtisches Armenhaus ist, die Latomia<lb/> de'Cappucini mit senkrecht abstürzenden graugelben Felswänden, zwischen denen,<lb/> begünstigt von der dort sich sammelnden Feuchtigkeit und der glühenden Sonne,<lb/> eine reiche Vegetation emporsteigt, Orangen, Citronen, Feigen, Cypressen, Kakteen<lb/> und dichte Massen von Epheu; weiterhin dehnt sich endlos der flimmernde<lb/> Spiegel des Ionischen Meeres, die Straße nach Griechenland und dem Osten,<lb/> grad vor nach Süden hin füllt in mauerartigen Schichten die verwitterte gelbe<lb/> Felsküste steil zur See hin ab, davor ragen zernagte Klippen, an denen die blaue<lb/> Flut in weißschäumenden Spritzwellen emporsprang. Dann erscheint über einer<lb/> tief nach Westen einschneidenden Bucht, dem „kleinen Hafen" der Alten, die<lb/> uralte Jnselstadt Ortygia, das jetzige Syrnkns, mit weißen Ufermauern und<lb/> Hüuserlinien terrassenförmig aufgebaut, jenseits das weite Becken des „großen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0205]
Auf Sizilien
von hellblauen, feingezcichneten Berglinien begrenzt; im Osten erschien als
dunkelblauer Streifen das Ionische Meer. Bei Bicocca, kurz vor Catania, wo
mau nach Syrakus umsteigt, wendet sich die dorthin, also südwärts führende
Linie zunächst wieder vom Meere weg und mehr ins Land hinein und erreicht
an einem kleinen, sumpfigen See, dem größten Siziliens, vorüber Lentini,
das antike Leontinoi, das terrassenförmig an einem Berghange liegt; dann
tritt sie wieder dicht an die hier flache Küste heran.
In tiefem Blau leuchtete das Ionische Meer unter der hellen Nachmittags¬
sonne, ans langgestreckter Halbinsel drüben am herrlich geschwuugueu Meer¬
busen von Megara lag in blendenden, Sonnenschein weißglänzend Augusta,
eine Gründung Kaiser Friedrichs II. und jetzt noch befestigt; längs des
Strandes dehnten sich die Salinen ans, flache, durch schmale Dämme ge¬
trennte Meeresbecken, in denen das Salz durch Verdunstung gewonnen wird;
die unter hellen Ziegeldächern regelmüßig aufgeschütteten Haufen schimmerten
wie frischgefalluer Schnee. Bald kamen langgestreckte Höhenzüge in Sicht;
an einem einförmigen, mauerartigen, felsgraueu, kahlen AbHange hin, dann
durch einen tiefen Einschnitt mit senkrechten Wänden flog der Zug und hielt
endlich gegen Uhr nachmittags in einem kleinen Bahnhofe. Der Ruf der
Schaffner: Siraeusa! kündigte mir an, daß ich das südlichste Ziel meiner Reise
erreicht hatte. In dem Menschengedränge auf dem Bahnsteig rief mir ein
Knabe: Villa Politi! entgegen, und da ich diesen Gasthof gewühlt hatte, ver¬
traute ich mich ihm an. Wenige Minuten später führte mich eine elegante
Droschke inmitten aufwirbelnden Stands eine rasch ansteigende Straße auf¬
wärts; ich sah links kahle Felsboden, rechts blaue Wasserflüchen, ragende
Masten und eine terrassenförmig aufsteigende Häusermasse und war in einer
Viertelstunde an der Villa Politi hoch oben auf dem Felsplateau der Achra¬
dina, eine halbe Stunde von der Jnselstadt entfernt. Wieder ging mir ein
Jugendtraum in Erfüllung; von meinem Fenster aus sah ich wirklich jetzt
„schimmern in Abendroth Strahlen von ferne die Zinnen von Syrakus."
Ein weites Panorama eröffnete sich dort oben am nächsten Morgen, am
schönsten vom Altan des Hauses aus. Links nach Osten hin liegt tief unter
dem alten Kapuzinerkloster, das jetzt städtisches Armenhaus ist, die Latomia
de'Cappucini mit senkrecht abstürzenden graugelben Felswänden, zwischen denen,
begünstigt von der dort sich sammelnden Feuchtigkeit und der glühenden Sonne,
eine reiche Vegetation emporsteigt, Orangen, Citronen, Feigen, Cypressen, Kakteen
und dichte Massen von Epheu; weiterhin dehnt sich endlos der flimmernde
Spiegel des Ionischen Meeres, die Straße nach Griechenland und dem Osten,
grad vor nach Süden hin füllt in mauerartigen Schichten die verwitterte gelbe
Felsküste steil zur See hin ab, davor ragen zernagte Klippen, an denen die blaue
Flut in weißschäumenden Spritzwellen emporsprang. Dann erscheint über einer
tief nach Westen einschneidenden Bucht, dem „kleinen Hafen" der Alten, die
uralte Jnselstadt Ortygia, das jetzige Syrnkns, mit weißen Ufermauern und
Hüuserlinien terrassenförmig aufgebaut, jenseits das weite Becken des „großen
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