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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die Banmwolleichungersnot von Lancashire

Die gesamten Verluste und Einbußen der Unternehmer und der Arbeiter
lassen sich auch nur annähernd berechnen. In Manchester allein verzeichnete man

1861 1862 1863 1864
175 370 261 387

Bankerotte.

Bazley berechnet die Verluste der Unternehmer in den drei Jahren 1862
bis 1864 auf 28500000 Pfund Sterling, die der Arbeiter auf 33000000 Pfund
Sterling, die der Ladenbesitzer auf 4625000 Pfund Sterling, im ganzen
66225000 Pfund Sterling oder mehr als 1300 Millionen Mark in drei
Jahren. Auf den Kopf der Bevölkerung von Lancashire berechnet, ergab dies
einen Verlust von 600 Mark, oder 200 Mark für das Jahr, einen Verlust, der
in den folgenden Jahren noch weiter zunahm.

Angesichts der Thatsache, daß die übrigen Industrien von England
blühten und zum Teil gerade durch den amerikanischen Krieg Beschäftigung
fanden, auch die Zufuhren aller übrigen Rohmaterialien ununterbrochen fort¬
dauerten, die Ein- und Ausfuhrwege des Landes offen standen und die eng¬
lische Gesamtwirtschaft im übrigen in einem blühenden Zustande war, hat man
der Bevölkerung von Lancashire über die schwere Zeit hinweghelfen können,
und hat sich die Industrie wieder einigermaßen zu erholen vermocht.

Immerhin aber haben die Erfahrungen der Baumwollenhungersnot ganz
besonders dazu beigetragen, in der ganzen englischen Bevölkerung und vor allem
in dem Arbeiterstande das Verständnis für die Bedeutung einer ungehinderten
Ein- und Ausfuhr, einer Offenhaltung der Seewege und des Seehandels mehr
als je zu verstärken und zu vertiefen.

Wenn die englische Arbeiterschaft heute mit großer Energie für die Auf¬
rechterhaltung der britischen Suprematie auf dem Meere und für die Schaffung
einer starken Flotte eintritt, so denkt sie hierbei all die Leiden der Väter im
Lancashiredistrikt, auf die man immer wieder erinnernd zurückverweist.

Darum finden auch Bewilligungen für militärische und maritime Auf¬
wendungen keinen nennenswerten Widerspruch, denn der englische Arbeiter ist
verständig genug, einzusehen, daß Erhöhungen der Abgaben von wenigen
Shillingen zur Verstärkung der Rüstungen des Landes nicht in Betracht
kommen gegenüber den Gefahren, die ans den Kopf des Einwohners von
Lancashire in drei Jahren 600 Mark oder für eine Familie von drei bis fünf
Köpfen jährlich 600 bis 1000 Mark, in den drei amerikanischen Kriegsjahren
1800 bis 3000 Mark betragen haben.

Ein ähnlicher Schlag gegen eine Bevölkerung mit starkem Ge¬
werbebetrieb während eines Kriegs, in den das eigne Land ver¬
wickelt ist, würde für diese verhängnisvoll sein und im Fall eines
unglücklichen Ausgangs ganz unübersehbare Folgen haben.




Die Banmwolleichungersnot von Lancashire

Die gesamten Verluste und Einbußen der Unternehmer und der Arbeiter
lassen sich auch nur annähernd berechnen. In Manchester allein verzeichnete man

1861 1862 1863 1864
175 370 261 387

Bankerotte.

Bazley berechnet die Verluste der Unternehmer in den drei Jahren 1862
bis 1864 auf 28500000 Pfund Sterling, die der Arbeiter auf 33000000 Pfund
Sterling, die der Ladenbesitzer auf 4625000 Pfund Sterling, im ganzen
66225000 Pfund Sterling oder mehr als 1300 Millionen Mark in drei
Jahren. Auf den Kopf der Bevölkerung von Lancashire berechnet, ergab dies
einen Verlust von 600 Mark, oder 200 Mark für das Jahr, einen Verlust, der
in den folgenden Jahren noch weiter zunahm.

Angesichts der Thatsache, daß die übrigen Industrien von England
blühten und zum Teil gerade durch den amerikanischen Krieg Beschäftigung
fanden, auch die Zufuhren aller übrigen Rohmaterialien ununterbrochen fort¬
dauerten, die Ein- und Ausfuhrwege des Landes offen standen und die eng¬
lische Gesamtwirtschaft im übrigen in einem blühenden Zustande war, hat man
der Bevölkerung von Lancashire über die schwere Zeit hinweghelfen können,
und hat sich die Industrie wieder einigermaßen zu erholen vermocht.

Immerhin aber haben die Erfahrungen der Baumwollenhungersnot ganz
besonders dazu beigetragen, in der ganzen englischen Bevölkerung und vor allem
in dem Arbeiterstande das Verständnis für die Bedeutung einer ungehinderten
Ein- und Ausfuhr, einer Offenhaltung der Seewege und des Seehandels mehr
als je zu verstärken und zu vertiefen.

Wenn die englische Arbeiterschaft heute mit großer Energie für die Auf¬
rechterhaltung der britischen Suprematie auf dem Meere und für die Schaffung
einer starken Flotte eintritt, so denkt sie hierbei all die Leiden der Väter im
Lancashiredistrikt, auf die man immer wieder erinnernd zurückverweist.

Darum finden auch Bewilligungen für militärische und maritime Auf¬
wendungen keinen nennenswerten Widerspruch, denn der englische Arbeiter ist
verständig genug, einzusehen, daß Erhöhungen der Abgaben von wenigen
Shillingen zur Verstärkung der Rüstungen des Landes nicht in Betracht
kommen gegenüber den Gefahren, die ans den Kopf des Einwohners von
Lancashire in drei Jahren 600 Mark oder für eine Familie von drei bis fünf
Köpfen jährlich 600 bis 1000 Mark, in den drei amerikanischen Kriegsjahren
1800 bis 3000 Mark betragen haben.

Ein ähnlicher Schlag gegen eine Bevölkerung mit starkem Ge¬
werbebetrieb während eines Kriegs, in den das eigne Land ver¬
wickelt ist, würde für diese verhängnisvoll sein und im Fall eines
unglücklichen Ausgangs ganz unübersehbare Folgen haben.




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[0197] Die Banmwolleichungersnot von Lancashire Die gesamten Verluste und Einbußen der Unternehmer und der Arbeiter lassen sich auch nur annähernd berechnen. In Manchester allein verzeichnete man 1861 1862 1863 1864 175 370 261 387 Bankerotte. Bazley berechnet die Verluste der Unternehmer in den drei Jahren 1862 bis 1864 auf 28500000 Pfund Sterling, die der Arbeiter auf 33000000 Pfund Sterling, die der Ladenbesitzer auf 4625000 Pfund Sterling, im ganzen 66225000 Pfund Sterling oder mehr als 1300 Millionen Mark in drei Jahren. Auf den Kopf der Bevölkerung von Lancashire berechnet, ergab dies einen Verlust von 600 Mark, oder 200 Mark für das Jahr, einen Verlust, der in den folgenden Jahren noch weiter zunahm. Angesichts der Thatsache, daß die übrigen Industrien von England blühten und zum Teil gerade durch den amerikanischen Krieg Beschäftigung fanden, auch die Zufuhren aller übrigen Rohmaterialien ununterbrochen fort¬ dauerten, die Ein- und Ausfuhrwege des Landes offen standen und die eng¬ lische Gesamtwirtschaft im übrigen in einem blühenden Zustande war, hat man der Bevölkerung von Lancashire über die schwere Zeit hinweghelfen können, und hat sich die Industrie wieder einigermaßen zu erholen vermocht. Immerhin aber haben die Erfahrungen der Baumwollenhungersnot ganz besonders dazu beigetragen, in der ganzen englischen Bevölkerung und vor allem in dem Arbeiterstande das Verständnis für die Bedeutung einer ungehinderten Ein- und Ausfuhr, einer Offenhaltung der Seewege und des Seehandels mehr als je zu verstärken und zu vertiefen. Wenn die englische Arbeiterschaft heute mit großer Energie für die Auf¬ rechterhaltung der britischen Suprematie auf dem Meere und für die Schaffung einer starken Flotte eintritt, so denkt sie hierbei all die Leiden der Väter im Lancashiredistrikt, auf die man immer wieder erinnernd zurückverweist. Darum finden auch Bewilligungen für militärische und maritime Auf¬ wendungen keinen nennenswerten Widerspruch, denn der englische Arbeiter ist verständig genug, einzusehen, daß Erhöhungen der Abgaben von wenigen Shillingen zur Verstärkung der Rüstungen des Landes nicht in Betracht kommen gegenüber den Gefahren, die ans den Kopf des Einwohners von Lancashire in drei Jahren 600 Mark oder für eine Familie von drei bis fünf Köpfen jährlich 600 bis 1000 Mark, in den drei amerikanischen Kriegsjahren 1800 bis 3000 Mark betragen haben. Ein ähnlicher Schlag gegen eine Bevölkerung mit starkem Ge¬ werbebetrieb während eines Kriegs, in den das eigne Land ver¬ wickelt ist, würde für diese verhängnisvoll sein und im Fall eines unglücklichen Ausgangs ganz unübersehbare Folgen haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/197>, abgerufen am 01.07.2024.