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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Der Kampf zwischen Rom und den Germanen

es wahr sein sollte, was sich freilich nicht leicht wird beweisen lassen, daß es
vorzugsweise Nachkommen longobardischer und andrer deutscher Grundbesitzer
seien, die im Auslande als Tagelöhner ihr Brot suchen müssen, während die
eouti, lUÄrvdksi und xrineixi Sprößlinge der chaosgebornen Krämer wären, so
würde das der Ansicht, wonach die Herrschaft allemal den Menschen der bessern
Nasse zufällt, sehr abträglich sein. Vorläufig beanstanden wir nur die Be¬
zeichnung "germanisch" für schöne Jtcilienerköpfe, wie für die großen italie¬
nischen Dichter und Maler; italienisch ist eben italienisch und nicht germanisch,
wenn auch, was kein Mensch leugnet, das Italienische eben eine Mischung aus
Altitalischcm und Germanischen ist. Und ist denn überhaupt der Nieder¬
gang eine unzweifelhafte Thatsache? In moralischer und politischer Beziehung
hat das italienische Leben niemals schöner ausgesehen, als es heute aussieht,
und ob es mit der italienischen Kunst und Wissenschaft für immer vorbei sei,
das muß doch erst abgewartet werden. An die Griechen, die nicht in diesen
Zusammenhang gehören, und die Chamberlain auch gar uicht erwähnt, erinnern
wir aus dein Grunde, weil nicht wenig Reisende unsrer Tage versichern, sie
fänden die Charakterzüge der alten Hellenen an diesem angeblich slawischen
Volke. Es könnte wohl sein, daß das Chaos nicht so arg gewesen wäre, wie
es uns Chamberlain nulle, und daß sich außerhalb der allerdings von einem
chaotischen Pöbel bevölkerten Großstädte in Griechenland wie in Italien viel
rassenreines Volk durch die Kaiserzeit und durch die Völkerwandrung erhalten
hätte; aus der Mischung rassenreiner Jtaliker mit rassenreinen Germanen würden
sich dann die schönen Gesichter und die hohe" Geistesanlagen der Italiener
erklären, während ihre moralischen Mängel vielleicht ihrer durch historische und
geographische Verhältnisse verschuldete" politischen Ohnmacht auf Rechnung
gesetzt werden könnten.

Sehen wir nun auf die andre Gruppe, so bleiben wir zunächst allerdings
dabei, daß die Germanen die meisten und die besten Znkunftsanssichten haben,
dürfen uns aber weder eine ganz rosige, noch eine unbedingt gewisse Zukunft
vortäuschen. Die Skandinavier sind wahrscheinlich die rassenreinsten, besten
und tüchtigsten Germanen, können aber ihrer geringen Zahl wegen keine
Führerrolle übernehmen. Die Jankees erfreuen sich geographisch der günstigsten
Lage, die man sich denken kann, aber ihr Nationalcharakter weist so unerfreu¬
liche Eigentümlichkeiten auf, daß man von ihrer Drittelweltherrschaft nicht viel
Gutes erwarten darf. Die Engländer sind, wenn man nur ihre höhern Stände
berücksichtigt, körperlich ein herrliches Volk von echt germanischem Typus;
aber der Burenkrieg enthüllt, nicht bloß durch die militärischen Niederlagen,
sondern auch durch die Politik, die zu ihm geführt hat, und durch das ganze
Benehmen der Engländer.darin, einen hohen Grad sittlicher Verdorbenheit
und eröffnet die Aussicht auf den Zerfall der englischen Weltherrschaft. Wer
heute von London nach Rom reist, schreibt Chamberlain Seite 693, "tritt aus
Nebel in Sonnenschein, doch zugleich aus raffiniertester Zivilisation und hoher
Kultur in halbe Barbarei --- in Schmutz, Roheit, Ignoranz, Lüge, Armut."


Der Kampf zwischen Rom und den Germanen

es wahr sein sollte, was sich freilich nicht leicht wird beweisen lassen, daß es
vorzugsweise Nachkommen longobardischer und andrer deutscher Grundbesitzer
seien, die im Auslande als Tagelöhner ihr Brot suchen müssen, während die
eouti, lUÄrvdksi und xrineixi Sprößlinge der chaosgebornen Krämer wären, so
würde das der Ansicht, wonach die Herrschaft allemal den Menschen der bessern
Nasse zufällt, sehr abträglich sein. Vorläufig beanstanden wir nur die Be¬
zeichnung „germanisch" für schöne Jtcilienerköpfe, wie für die großen italie¬
nischen Dichter und Maler; italienisch ist eben italienisch und nicht germanisch,
wenn auch, was kein Mensch leugnet, das Italienische eben eine Mischung aus
Altitalischcm und Germanischen ist. Und ist denn überhaupt der Nieder¬
gang eine unzweifelhafte Thatsache? In moralischer und politischer Beziehung
hat das italienische Leben niemals schöner ausgesehen, als es heute aussieht,
und ob es mit der italienischen Kunst und Wissenschaft für immer vorbei sei,
das muß doch erst abgewartet werden. An die Griechen, die nicht in diesen
Zusammenhang gehören, und die Chamberlain auch gar uicht erwähnt, erinnern
wir aus dein Grunde, weil nicht wenig Reisende unsrer Tage versichern, sie
fänden die Charakterzüge der alten Hellenen an diesem angeblich slawischen
Volke. Es könnte wohl sein, daß das Chaos nicht so arg gewesen wäre, wie
es uns Chamberlain nulle, und daß sich außerhalb der allerdings von einem
chaotischen Pöbel bevölkerten Großstädte in Griechenland wie in Italien viel
rassenreines Volk durch die Kaiserzeit und durch die Völkerwandrung erhalten
hätte; aus der Mischung rassenreiner Jtaliker mit rassenreinen Germanen würden
sich dann die schönen Gesichter und die hohe» Geistesanlagen der Italiener
erklären, während ihre moralischen Mängel vielleicht ihrer durch historische und
geographische Verhältnisse verschuldete« politischen Ohnmacht auf Rechnung
gesetzt werden könnten.

Sehen wir nun auf die andre Gruppe, so bleiben wir zunächst allerdings
dabei, daß die Germanen die meisten und die besten Znkunftsanssichten haben,
dürfen uns aber weder eine ganz rosige, noch eine unbedingt gewisse Zukunft
vortäuschen. Die Skandinavier sind wahrscheinlich die rassenreinsten, besten
und tüchtigsten Germanen, können aber ihrer geringen Zahl wegen keine
Führerrolle übernehmen. Die Jankees erfreuen sich geographisch der günstigsten
Lage, die man sich denken kann, aber ihr Nationalcharakter weist so unerfreu¬
liche Eigentümlichkeiten auf, daß man von ihrer Drittelweltherrschaft nicht viel
Gutes erwarten darf. Die Engländer sind, wenn man nur ihre höhern Stände
berücksichtigt, körperlich ein herrliches Volk von echt germanischem Typus;
aber der Burenkrieg enthüllt, nicht bloß durch die militärischen Niederlagen,
sondern auch durch die Politik, die zu ihm geführt hat, und durch das ganze
Benehmen der Engländer.darin, einen hohen Grad sittlicher Verdorbenheit
und eröffnet die Aussicht auf den Zerfall der englischen Weltherrschaft. Wer
heute von London nach Rom reist, schreibt Chamberlain Seite 693, „tritt aus
Nebel in Sonnenschein, doch zugleich aus raffiniertester Zivilisation und hoher
Kultur in halbe Barbarei —- in Schmutz, Roheit, Ignoranz, Lüge, Armut."


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[0158] Der Kampf zwischen Rom und den Germanen es wahr sein sollte, was sich freilich nicht leicht wird beweisen lassen, daß es vorzugsweise Nachkommen longobardischer und andrer deutscher Grundbesitzer seien, die im Auslande als Tagelöhner ihr Brot suchen müssen, während die eouti, lUÄrvdksi und xrineixi Sprößlinge der chaosgebornen Krämer wären, so würde das der Ansicht, wonach die Herrschaft allemal den Menschen der bessern Nasse zufällt, sehr abträglich sein. Vorläufig beanstanden wir nur die Be¬ zeichnung „germanisch" für schöne Jtcilienerköpfe, wie für die großen italie¬ nischen Dichter und Maler; italienisch ist eben italienisch und nicht germanisch, wenn auch, was kein Mensch leugnet, das Italienische eben eine Mischung aus Altitalischcm und Germanischen ist. Und ist denn überhaupt der Nieder¬ gang eine unzweifelhafte Thatsache? In moralischer und politischer Beziehung hat das italienische Leben niemals schöner ausgesehen, als es heute aussieht, und ob es mit der italienischen Kunst und Wissenschaft für immer vorbei sei, das muß doch erst abgewartet werden. An die Griechen, die nicht in diesen Zusammenhang gehören, und die Chamberlain auch gar uicht erwähnt, erinnern wir aus dein Grunde, weil nicht wenig Reisende unsrer Tage versichern, sie fänden die Charakterzüge der alten Hellenen an diesem angeblich slawischen Volke. Es könnte wohl sein, daß das Chaos nicht so arg gewesen wäre, wie es uns Chamberlain nulle, und daß sich außerhalb der allerdings von einem chaotischen Pöbel bevölkerten Großstädte in Griechenland wie in Italien viel rassenreines Volk durch die Kaiserzeit und durch die Völkerwandrung erhalten hätte; aus der Mischung rassenreiner Jtaliker mit rassenreinen Germanen würden sich dann die schönen Gesichter und die hohe» Geistesanlagen der Italiener erklären, während ihre moralischen Mängel vielleicht ihrer durch historische und geographische Verhältnisse verschuldete« politischen Ohnmacht auf Rechnung gesetzt werden könnten. Sehen wir nun auf die andre Gruppe, so bleiben wir zunächst allerdings dabei, daß die Germanen die meisten und die besten Znkunftsanssichten haben, dürfen uns aber weder eine ganz rosige, noch eine unbedingt gewisse Zukunft vortäuschen. Die Skandinavier sind wahrscheinlich die rassenreinsten, besten und tüchtigsten Germanen, können aber ihrer geringen Zahl wegen keine Führerrolle übernehmen. Die Jankees erfreuen sich geographisch der günstigsten Lage, die man sich denken kann, aber ihr Nationalcharakter weist so unerfreu¬ liche Eigentümlichkeiten auf, daß man von ihrer Drittelweltherrschaft nicht viel Gutes erwarten darf. Die Engländer sind, wenn man nur ihre höhern Stände berücksichtigt, körperlich ein herrliches Volk von echt germanischem Typus; aber der Burenkrieg enthüllt, nicht bloß durch die militärischen Niederlagen, sondern auch durch die Politik, die zu ihm geführt hat, und durch das ganze Benehmen der Engländer.darin, einen hohen Grad sittlicher Verdorbenheit und eröffnet die Aussicht auf den Zerfall der englischen Weltherrschaft. Wer heute von London nach Rom reist, schreibt Chamberlain Seite 693, „tritt aus Nebel in Sonnenschein, doch zugleich aus raffiniertester Zivilisation und hoher Kultur in halbe Barbarei —- in Schmutz, Roheit, Ignoranz, Lüge, Armut."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/158>, abgerufen am 03.07.2024.