Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.Zur ^um'iifnigo mit den Logikern, Metaphysiken,, Neligionsphilvsophei? und Psychophysikem Zur ^um'iifnigo mit den Logikern, Metaphysiken,, Neligionsphilvsophei? und Psychophysikem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/290554"/> <fw type="header" place="top"> Zur ^um'iifnigo</fw><lb/> <p xml:id="ID_675" prev="#ID_674" next="#ID_676"> mit den Logikern, Metaphysiken,, Neligionsphilvsophei? und Psychophysikem<lb/> einträchtig oder auch feindselig zusammen. Es war früher ein schöner Zug der<lb/> deutschen Universitäten, daß jeder Student, der sich als Theolog, Jurist oder<lb/> Mediziner immatrikulieren ließ, zugleich bei der philosophischen Fakultät ein¬<lb/> geschrieben wurde. Das war der Ausdruck der Würdigung der allgemeinen<lb/> Bildung als unerläßlicher Grundlage lind Ergänzung jedes spezialwissenschaft¬<lb/> lichen Studiums, In der That wird man zugeben müssen, daß es Frauen<lb/> geben kann und giebt, die in einem oder mehreren Fächern der philosophischen<lb/> Fakultät eine wissenschaftliche Ausbildung erstreben und auch die Fähigkeit<lb/> haben können, sie zu erlangen. Ich will nur an Sonja Kowalewska erinnern,<lb/> die gelehrteste Frau auf dem Gebiete der Mathematik, die es je gegeben hat.<lb/> Sie hat mit phänomenaler Genialität wissenschaftliche Probleme gelöst, an<lb/> denen die gelehrtesten Männer ihres Faches gescheitert waren. Das sind ver¬<lb/> einzelte Ausnahmen; gewiß. Aber solche Ausnahmen kommen vor, und es<lb/> wäre eine unerhörte Philistrositüt, vor den Frauen solcher Art die Hörsäle der<lb/> akademischen Wissenschaft ein für allemal zuzuschließen. Nur daß man um<lb/> dieser verhältnismäßig seltnen Ausnahmen willen uicht die höhere Mädchen¬<lb/> schule mit ihren grundsätzlich richtigen weiblichen Bilduugswegeu und Bildungs¬<lb/> zielen desorganisiere und sie in eine gymnasiale Schablone hineinzwänge, die<lb/> für die große Mehrzahl gebildeter und bilduugsbedürftiger Mädchen nicht paßt,<lb/> sie vielmehr leiblich, seelisch und geistig ruinieren würde. Geniale, willens¬<lb/> starke Frauen, die für solche wissenschaftliche Arbeit befähigt sind, werden sich<lb/> auch ohne Mädchengymnasium die Vorbildung zu verschaffen wissen, deren sie<lb/> für das Universitätsstudium bedürfen. Um diese Vorbildung darthun zu können,<lb/> hat man ihnen in Preußen erlaubt, als Extrnueermnen an einem Gymnasium<lb/> die Reifeprüfung abzulegen. Davon wird auch mit gutem Erfolge Gebrauch<lb/> gemacht, und diese Konzession genügt vollkommen, daS Bedürfnis zu befriedigen.<lb/> Die Vorbereitung zur Reifeprüfung aber verschaffen sich die wissenschafts-<lb/> dnrstigen Mädchen privatim, wie das ja auch unter dem Zwange besondrer<lb/> Lebensverhältnisse eine Reihe junger Männer thut. Die besondern Kurse, die<lb/> man in Berlin unter der Leitung des bekannten Fräulein Helene Lange ein¬<lb/> gerichtet hat, siud eine Privatveranstaltuug, die vollkommen ausreicht, und die<lb/> mau wohl hie und da als Mädchengymnasinm bezeichnet hat, auf die aber<lb/> diese Bezeichnung nicht zutrifft. Denn die jungen Mädchen, die diese Kurse<lb/> besuchen, haben sämtlich die höhere Mädchenschule durchlaufen und sind jeden¬<lb/> falls nicht als Kinder vor der Zeit ihrer Entwicklung auf Lateinisch, Griechisch,<lb/> Mathematik usw. dressiert worden. Sie haben den Entschluß, die wissenschaft¬<lb/> liche Arbeit auf sich zu nehmen, erst zu einer Zeit gefaßt, in der sie und ihre<lb/> Eltern oder deren Stellvertreter die Voraussetzungen und die Tragweite dieses<lb/> Entschlusses wenigstens einigermaßen zu übersehen in der Lage waren. Nicht<lb/> wenige von ihnen fallen gleichwohl nachträglich wieder ab, und wohl ihnen,<lb/> wenn sie zur rechte» Zeit erkennen, was zu ihrem Frieden dient. Die starken<lb/> und tüchtigen aber, die es aushalten und durchsetzen, werden dann auch den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
Zur ^um'iifnigo
mit den Logikern, Metaphysiken,, Neligionsphilvsophei? und Psychophysikem
einträchtig oder auch feindselig zusammen. Es war früher ein schöner Zug der
deutschen Universitäten, daß jeder Student, der sich als Theolog, Jurist oder
Mediziner immatrikulieren ließ, zugleich bei der philosophischen Fakultät ein¬
geschrieben wurde. Das war der Ausdruck der Würdigung der allgemeinen
Bildung als unerläßlicher Grundlage lind Ergänzung jedes spezialwissenschaft¬
lichen Studiums, In der That wird man zugeben müssen, daß es Frauen
geben kann und giebt, die in einem oder mehreren Fächern der philosophischen
Fakultät eine wissenschaftliche Ausbildung erstreben und auch die Fähigkeit
haben können, sie zu erlangen. Ich will nur an Sonja Kowalewska erinnern,
die gelehrteste Frau auf dem Gebiete der Mathematik, die es je gegeben hat.
Sie hat mit phänomenaler Genialität wissenschaftliche Probleme gelöst, an
denen die gelehrtesten Männer ihres Faches gescheitert waren. Das sind ver¬
einzelte Ausnahmen; gewiß. Aber solche Ausnahmen kommen vor, und es
wäre eine unerhörte Philistrositüt, vor den Frauen solcher Art die Hörsäle der
akademischen Wissenschaft ein für allemal zuzuschließen. Nur daß man um
dieser verhältnismäßig seltnen Ausnahmen willen uicht die höhere Mädchen¬
schule mit ihren grundsätzlich richtigen weiblichen Bilduugswegeu und Bildungs¬
zielen desorganisiere und sie in eine gymnasiale Schablone hineinzwänge, die
für die große Mehrzahl gebildeter und bilduugsbedürftiger Mädchen nicht paßt,
sie vielmehr leiblich, seelisch und geistig ruinieren würde. Geniale, willens¬
starke Frauen, die für solche wissenschaftliche Arbeit befähigt sind, werden sich
auch ohne Mädchengymnasium die Vorbildung zu verschaffen wissen, deren sie
für das Universitätsstudium bedürfen. Um diese Vorbildung darthun zu können,
hat man ihnen in Preußen erlaubt, als Extrnueermnen an einem Gymnasium
die Reifeprüfung abzulegen. Davon wird auch mit gutem Erfolge Gebrauch
gemacht, und diese Konzession genügt vollkommen, daS Bedürfnis zu befriedigen.
Die Vorbereitung zur Reifeprüfung aber verschaffen sich die wissenschafts-
dnrstigen Mädchen privatim, wie das ja auch unter dem Zwange besondrer
Lebensverhältnisse eine Reihe junger Männer thut. Die besondern Kurse, die
man in Berlin unter der Leitung des bekannten Fräulein Helene Lange ein¬
gerichtet hat, siud eine Privatveranstaltuug, die vollkommen ausreicht, und die
mau wohl hie und da als Mädchengymnasinm bezeichnet hat, auf die aber
diese Bezeichnung nicht zutrifft. Denn die jungen Mädchen, die diese Kurse
besuchen, haben sämtlich die höhere Mädchenschule durchlaufen und sind jeden¬
falls nicht als Kinder vor der Zeit ihrer Entwicklung auf Lateinisch, Griechisch,
Mathematik usw. dressiert worden. Sie haben den Entschluß, die wissenschaft¬
liche Arbeit auf sich zu nehmen, erst zu einer Zeit gefaßt, in der sie und ihre
Eltern oder deren Stellvertreter die Voraussetzungen und die Tragweite dieses
Entschlusses wenigstens einigermaßen zu übersehen in der Lage waren. Nicht
wenige von ihnen fallen gleichwohl nachträglich wieder ab, und wohl ihnen,
wenn sie zur rechte» Zeit erkennen, was zu ihrem Frieden dient. Die starken
und tüchtigen aber, die es aushalten und durchsetzen, werden dann auch den
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |