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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Zur Frauenfrage

machenden Schritt im Sinne der modernen Frauenbewegung bedeutet habe"
würde, die über die bloße Erweiterung unständiger Erwerbsthätigkeiten für
Frauen, wie wir gesehen habe", mehr oder weniger "zielbewußt" hinausgeht
und in das gefährliche Fahrwasser der unnatürlichen Franenemanzipntion mit
vollen Segeln hineinsteuert.

Von den wissenschaftlichen Berufen, die neuerdings von Frauen ergriffen
und erstrebt werden, erweist sich bei nähern Zusehen nur ein verhältnismäßig
Keiner Teil als geeignet, weiblichen Personen eine" dauernden Erwerb und
eine Stellung im öffentlichen Dienst zu gewähren. Die Theologie scheidet
selbstverständlich aus. Wenigstens bei uns in Deutschland wird die Gemeinde
aller menschlichen Voraussicht nach weibliche Prediger, Superintendenten und
Konsistorialräte sich noch auf lange Zeit hinaus, ja hoffentlich für immer ver¬
bitten. Es fehlte gerade noch, daß zu den zahlreichen, nicht genügend erzognen
und vorgebildeten Geistlichen nun auch in der evangelischen Kirche noch Frauen
auf die Kanzeln und an die Altäre kämen. Das Nulisr tÄ"zskr> in soolsZis. ent¬
spricht durchaus unserm Volksbewußtsein, Daß sich Frauen für obrigkeitliche und
richterliche Ämter nicht eignen, ist fast allgemein wenigstens bei uns in Deutsch¬
land anerkannt. Die Frau ist ihrer ganzen Naturanlage nach auf ihr Gefühl
angewiesen; ihr Urteil wird fast immer durch Sympathie oder Antipathie
prüotknpiert sein, und deshalb ist sie für richterliche oder obrigkeitliche Ämter
durchgehend?' ungeeignet. Weniger ins Auge fallend ist der Einfluß der
spezifisch weiblichen Naturanlage auf die Thätigkeit der Frau als Anwalt,
Notar und Rechtstonsulent; allein die Advokatur ist bei nus in Deutschland,
seitdem wir die Neichsjustizgesetze und durch sie die sogenannte freie Advokatur
haben, zum Nachteil der Anwälte und des Publikums so überfüllt, daß in ab¬
sehbarer Zeit an die Zulassung von Frauen zur Advokatur sicher nicht zu
denken ist. Hiernach bleiben nur noch zwei Fakultäten für die Frauen übrig,
die philosophische und die medizinische. Beide kommen in der That für
das Studium der Frauen in Betracht, beide können unter gewissen Ein¬
schränkungen den Frauen geöffnet werden, und beide umschließen Wege, auf
denen eine Frau unter Währung ihrer natürlichen Weiblichkeit zu einer wissen¬
schaftlichen Thätigkeit und zu einem ausreichenden, hochanständigen Erwerbe
gelangen kann. In diesen beiden Fakultäten werden denn auch thatsächlich
auf zahlreichen Universitäten schon jetzt Frauen zum Kollegienbesuch wie zu
den Seminarübungen zugelassen.

Die philosophischen Fakultäten unsrer Universitäten sind Sammelsurien
sehr verschiedner Wissenschaften, die sich in den andern Fakultäten nicht
unterbringen lassen. In ihnen finden sich die Historiker, Geographen und
Ethnographen, die Astronomen und Mathematiker, die Nationalökonomen
und Statistiker, die klassischen Philologen, die Neusprachler und die ver¬
gleichenden Sprachforscher, die Orientalisten und Litterarhistoriter, die Ver¬
treter der Naturwissenschaften, also Chemiker, Physiker, Botaniker, Zoologen,
die Geologen nud Mineralogen mit den Vertretern der spekulativen Philosophie,


Zur Frauenfrage

machenden Schritt im Sinne der modernen Frauenbewegung bedeutet habe»
würde, die über die bloße Erweiterung unständiger Erwerbsthätigkeiten für
Frauen, wie wir gesehen habe», mehr oder weniger „zielbewußt" hinausgeht
und in das gefährliche Fahrwasser der unnatürlichen Franenemanzipntion mit
vollen Segeln hineinsteuert.

Von den wissenschaftlichen Berufen, die neuerdings von Frauen ergriffen
und erstrebt werden, erweist sich bei nähern Zusehen nur ein verhältnismäßig
Keiner Teil als geeignet, weiblichen Personen eine» dauernden Erwerb und
eine Stellung im öffentlichen Dienst zu gewähren. Die Theologie scheidet
selbstverständlich aus. Wenigstens bei uns in Deutschland wird die Gemeinde
aller menschlichen Voraussicht nach weibliche Prediger, Superintendenten und
Konsistorialräte sich noch auf lange Zeit hinaus, ja hoffentlich für immer ver¬
bitten. Es fehlte gerade noch, daß zu den zahlreichen, nicht genügend erzognen
und vorgebildeten Geistlichen nun auch in der evangelischen Kirche noch Frauen
auf die Kanzeln und an die Altäre kämen. Das Nulisr tÄ«zskr> in soolsZis. ent¬
spricht durchaus unserm Volksbewußtsein, Daß sich Frauen für obrigkeitliche und
richterliche Ämter nicht eignen, ist fast allgemein wenigstens bei uns in Deutsch¬
land anerkannt. Die Frau ist ihrer ganzen Naturanlage nach auf ihr Gefühl
angewiesen; ihr Urteil wird fast immer durch Sympathie oder Antipathie
prüotknpiert sein, und deshalb ist sie für richterliche oder obrigkeitliche Ämter
durchgehend?' ungeeignet. Weniger ins Auge fallend ist der Einfluß der
spezifisch weiblichen Naturanlage auf die Thätigkeit der Frau als Anwalt,
Notar und Rechtstonsulent; allein die Advokatur ist bei nus in Deutschland,
seitdem wir die Neichsjustizgesetze und durch sie die sogenannte freie Advokatur
haben, zum Nachteil der Anwälte und des Publikums so überfüllt, daß in ab¬
sehbarer Zeit an die Zulassung von Frauen zur Advokatur sicher nicht zu
denken ist. Hiernach bleiben nur noch zwei Fakultäten für die Frauen übrig,
die philosophische und die medizinische. Beide kommen in der That für
das Studium der Frauen in Betracht, beide können unter gewissen Ein¬
schränkungen den Frauen geöffnet werden, und beide umschließen Wege, auf
denen eine Frau unter Währung ihrer natürlichen Weiblichkeit zu einer wissen¬
schaftlichen Thätigkeit und zu einem ausreichenden, hochanständigen Erwerbe
gelangen kann. In diesen beiden Fakultäten werden denn auch thatsächlich
auf zahlreichen Universitäten schon jetzt Frauen zum Kollegienbesuch wie zu
den Seminarübungen zugelassen.

Die philosophischen Fakultäten unsrer Universitäten sind Sammelsurien
sehr verschiedner Wissenschaften, die sich in den andern Fakultäten nicht
unterbringen lassen. In ihnen finden sich die Historiker, Geographen und
Ethnographen, die Astronomen und Mathematiker, die Nationalökonomen
und Statistiker, die klassischen Philologen, die Neusprachler und die ver¬
gleichenden Sprachforscher, die Orientalisten und Litterarhistoriter, die Ver¬
treter der Naturwissenschaften, also Chemiker, Physiker, Botaniker, Zoologen,
die Geologen nud Mineralogen mit den Vertretern der spekulativen Philosophie,


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[0142] Zur Frauenfrage machenden Schritt im Sinne der modernen Frauenbewegung bedeutet habe» würde, die über die bloße Erweiterung unständiger Erwerbsthätigkeiten für Frauen, wie wir gesehen habe», mehr oder weniger „zielbewußt" hinausgeht und in das gefährliche Fahrwasser der unnatürlichen Franenemanzipntion mit vollen Segeln hineinsteuert. Von den wissenschaftlichen Berufen, die neuerdings von Frauen ergriffen und erstrebt werden, erweist sich bei nähern Zusehen nur ein verhältnismäßig Keiner Teil als geeignet, weiblichen Personen eine» dauernden Erwerb und eine Stellung im öffentlichen Dienst zu gewähren. Die Theologie scheidet selbstverständlich aus. Wenigstens bei uns in Deutschland wird die Gemeinde aller menschlichen Voraussicht nach weibliche Prediger, Superintendenten und Konsistorialräte sich noch auf lange Zeit hinaus, ja hoffentlich für immer ver¬ bitten. Es fehlte gerade noch, daß zu den zahlreichen, nicht genügend erzognen und vorgebildeten Geistlichen nun auch in der evangelischen Kirche noch Frauen auf die Kanzeln und an die Altäre kämen. Das Nulisr tÄ«zskr> in soolsZis. ent¬ spricht durchaus unserm Volksbewußtsein, Daß sich Frauen für obrigkeitliche und richterliche Ämter nicht eignen, ist fast allgemein wenigstens bei uns in Deutsch¬ land anerkannt. Die Frau ist ihrer ganzen Naturanlage nach auf ihr Gefühl angewiesen; ihr Urteil wird fast immer durch Sympathie oder Antipathie prüotknpiert sein, und deshalb ist sie für richterliche oder obrigkeitliche Ämter durchgehend?' ungeeignet. Weniger ins Auge fallend ist der Einfluß der spezifisch weiblichen Naturanlage auf die Thätigkeit der Frau als Anwalt, Notar und Rechtstonsulent; allein die Advokatur ist bei nus in Deutschland, seitdem wir die Neichsjustizgesetze und durch sie die sogenannte freie Advokatur haben, zum Nachteil der Anwälte und des Publikums so überfüllt, daß in ab¬ sehbarer Zeit an die Zulassung von Frauen zur Advokatur sicher nicht zu denken ist. Hiernach bleiben nur noch zwei Fakultäten für die Frauen übrig, die philosophische und die medizinische. Beide kommen in der That für das Studium der Frauen in Betracht, beide können unter gewissen Ein¬ schränkungen den Frauen geöffnet werden, und beide umschließen Wege, auf denen eine Frau unter Währung ihrer natürlichen Weiblichkeit zu einer wissen¬ schaftlichen Thätigkeit und zu einem ausreichenden, hochanständigen Erwerbe gelangen kann. In diesen beiden Fakultäten werden denn auch thatsächlich auf zahlreichen Universitäten schon jetzt Frauen zum Kollegienbesuch wie zu den Seminarübungen zugelassen. Die philosophischen Fakultäten unsrer Universitäten sind Sammelsurien sehr verschiedner Wissenschaften, die sich in den andern Fakultäten nicht unterbringen lassen. In ihnen finden sich die Historiker, Geographen und Ethnographen, die Astronomen und Mathematiker, die Nationalökonomen und Statistiker, die klassischen Philologen, die Neusprachler und die ver¬ gleichenden Sprachforscher, die Orientalisten und Litterarhistoriter, die Ver¬ treter der Naturwissenschaften, also Chemiker, Physiker, Botaniker, Zoologen, die Geologen nud Mineralogen mit den Vertretern der spekulativen Philosophie,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/142>, abgerufen am 01.07.2024.