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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Die Flottenvorlage

das man Vorläufig hinnehmen und sich austoben lassen muß. Nur daß der
hinter ihr stehenden großen Masse durch das Verhalten der Mehrheitsparteieu
die Erkenntnis des Spiels ihrer Führerschaft auch hier wieder erschwert wird,
ist überaus traurig. Die Mehrheitsparteien Hütten durch ein gutes Beispiel
in der Flottenfrage gerade in dieser Beziehung sehr segensreich wirken können.

Vor allem lind wohl auch mit dem meisten Schein des Rechts wird die
sogenannte Decknngsfrage zu allen möglichen Ein- und Vorwünden benutzt,
obwohl sie formell durch den Gesetzentwurf an sich gar nicht zur Diskussion
gestellt, sondern nur in der Begründung informatorisch besprochen worden ist
und sachlich als vnrg. xosterior anerkannt werden muß. Selbstverständlich
wird man sich mit ihr beschäftigen, wenn es sich um die Bewilligung so großer
neuer Ausgaben handelt, und deshalb war es auch in der Ordnung, daß die
Frage in der Begründung eingehend erörtert worden ist. Trotzdem ist es in
diesem Falle völlig verkehrt, die Bewilligung der im Novellenentwurf formu¬
lierten Forderung der verbündeten Regierungen von der vorherigen gesetzliche"
Festlegung der Deckungsmittel abhängig zu machen, und man wird den Parteien,
die das thun, nicht den Vorwurf ursachlicher Behnndluug einer so ernsten und
dringlichen Sache ersparen können.

Hat man grundsätzlich die politische und strategische Notwendigkeit der
Flottenvermehrung, wie der Entwurf sie vorschlägt, anerkannt, so muß einem
doch auch klar geworden sein, daß einerseits das zu erstrebende Ziel so schnell
als irgend möglich erreicht werden muß, daß es aber andrerseits nur in einem
verhältnismäßig langen Zeitraum erreicht werden kann. Daraus ergiebt sich
für die Deckungsfrage in diesem Falle die Notwendigkeit einer besondern Be¬
handlung, Ihre endgiltige gesetzliche Lösung, noch ehe man den Weg zu dem
beschlossenen Ziel betritt, wird dadurch bis zur Unmöglichkeit erschwert, und
wenn man hierauf besteht, wird die Gefahr heraufbeschworen, daß sich die Ver¬
handlungen, ganz abgesehen von dem Ziel selbst -- worum es sich doch in
der Vorlage allein handelt, und worüber in der Hauptsache Einigkeit herrscht --,
in die unfruchtbarsten und geradezu endlose Disputationen über alle möglichen
und unmöglichen Voraussetzungen, Vermutungen, Schätzungen, Prinzipien- und
Doktorfragen verlieren. Schon die Thatsache, daß die ordentlichen Neichsein-
nahmen in der Hauptsache auf den finanziellen Erträgen von Zöllen, und zwar
von Schutzzöllen beruhn, und wir unmittelbar vor einer Neuregelung der Zoll-
und Handelsvertragspolitik stehn, erschwert eine erschöpfende Lösung der
Deckungsfrage vor dem Beginn der Flottenvermehrnng bis zur Unmöglichkeit,
Mag man auf einem mehr freihändlerischen oder auf einem mehr schntzzöllne-
rischen Standpunkt stehn, mag man durch Herabsetzung der Zollsätze die Ein¬
fuhr fremder Waren erleichtern, oder durch Zollerhöhungen sie unterbinden
wollen, immer wird man mit Änderungen in den finanziellen Erträgnissen
rechnen müssen und gut thun, sich nicht durch Fundierung großer neuer Neichs-
ausgabeu auf die Zolleinnahmen die Hände allzu sehr zu binden. Dazu kommt
doch auch die Möglichkeit eiuer unerwarteten Steigerung unerläßlicher ander-


Die Flottenvorlage

das man Vorläufig hinnehmen und sich austoben lassen muß. Nur daß der
hinter ihr stehenden großen Masse durch das Verhalten der Mehrheitsparteieu
die Erkenntnis des Spiels ihrer Führerschaft auch hier wieder erschwert wird,
ist überaus traurig. Die Mehrheitsparteien Hütten durch ein gutes Beispiel
in der Flottenfrage gerade in dieser Beziehung sehr segensreich wirken können.

Vor allem lind wohl auch mit dem meisten Schein des Rechts wird die
sogenannte Decknngsfrage zu allen möglichen Ein- und Vorwünden benutzt,
obwohl sie formell durch den Gesetzentwurf an sich gar nicht zur Diskussion
gestellt, sondern nur in der Begründung informatorisch besprochen worden ist
und sachlich als vnrg. xosterior anerkannt werden muß. Selbstverständlich
wird man sich mit ihr beschäftigen, wenn es sich um die Bewilligung so großer
neuer Ausgaben handelt, und deshalb war es auch in der Ordnung, daß die
Frage in der Begründung eingehend erörtert worden ist. Trotzdem ist es in
diesem Falle völlig verkehrt, die Bewilligung der im Novellenentwurf formu¬
lierten Forderung der verbündeten Regierungen von der vorherigen gesetzliche»
Festlegung der Deckungsmittel abhängig zu machen, und man wird den Parteien,
die das thun, nicht den Vorwurf ursachlicher Behnndluug einer so ernsten und
dringlichen Sache ersparen können.

Hat man grundsätzlich die politische und strategische Notwendigkeit der
Flottenvermehrung, wie der Entwurf sie vorschlägt, anerkannt, so muß einem
doch auch klar geworden sein, daß einerseits das zu erstrebende Ziel so schnell
als irgend möglich erreicht werden muß, daß es aber andrerseits nur in einem
verhältnismäßig langen Zeitraum erreicht werden kann. Daraus ergiebt sich
für die Deckungsfrage in diesem Falle die Notwendigkeit einer besondern Be¬
handlung, Ihre endgiltige gesetzliche Lösung, noch ehe man den Weg zu dem
beschlossenen Ziel betritt, wird dadurch bis zur Unmöglichkeit erschwert, und
wenn man hierauf besteht, wird die Gefahr heraufbeschworen, daß sich die Ver¬
handlungen, ganz abgesehen von dem Ziel selbst — worum es sich doch in
der Vorlage allein handelt, und worüber in der Hauptsache Einigkeit herrscht —,
in die unfruchtbarsten und geradezu endlose Disputationen über alle möglichen
und unmöglichen Voraussetzungen, Vermutungen, Schätzungen, Prinzipien- und
Doktorfragen verlieren. Schon die Thatsache, daß die ordentlichen Neichsein-
nahmen in der Hauptsache auf den finanziellen Erträgen von Zöllen, und zwar
von Schutzzöllen beruhn, und wir unmittelbar vor einer Neuregelung der Zoll-
und Handelsvertragspolitik stehn, erschwert eine erschöpfende Lösung der
Deckungsfrage vor dem Beginn der Flottenvermehrnng bis zur Unmöglichkeit,
Mag man auf einem mehr freihändlerischen oder auf einem mehr schntzzöllne-
rischen Standpunkt stehn, mag man durch Herabsetzung der Zollsätze die Ein¬
fuhr fremder Waren erleichtern, oder durch Zollerhöhungen sie unterbinden
wollen, immer wird man mit Änderungen in den finanziellen Erträgnissen
rechnen müssen und gut thun, sich nicht durch Fundierung großer neuer Neichs-
ausgabeu auf die Zolleinnahmen die Hände allzu sehr zu binden. Dazu kommt
doch auch die Möglichkeit eiuer unerwarteten Steigerung unerläßlicher ander-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/122>, abgerufen am 01.07.2024.